Mathematik: Warum Bagels niemals Kugeln werden
2008 war das Wissenschaftsjahr der Mathematik.
Ob die vielseitigen Veranstaltungen, die in Deutschland zu der abstrakten Wissenschaft arrangiert wurden, dem Fach mehr Studenten verschafft, ist nicht klar. Jedoch beschenken zahlreiche Mathematiker den gewillten Leser mit spannender und informativer Literatur aus den verschiedenen Teilgebieten der Mathematik.
Dabei versuchen sie, auch die abstraktesten Ideen zu erklären. Was haben zum Beispiel die Zahlen 13, 21, 34 und 55 gemeinsam? Nein, es handelt sich um keine Rechenregel aus einem Intelligenztest. Es ist viel spannender. Es handelt sich dabei um einige der Fibonacci-Zahlen, benannt nach dem gleichnamigen Italiener. Zählt man die Spiralen von Artischocken, Tannenzapfen oder Sonnenblumen durch, wird die Anzahl immer eine Fibonacci-Zahl sein. Nachlesen kann man diese mathematischen Wunder der Natur in dem Buch „Mathematik ist immer und überall“ von Thomas Benesch und Karin Schuch. Der Leser begleitet die Familie Delta auf einen Familienausfl ug, bei dem sich die Eltern und die beiden Kinder immer wieder vor mathematische Probleme gestellt sehen. Etwas hölzern mutet es zwar an, wenn Vater Delta auf dem Gaußplatz stehend nicht nur die Biografi e des berühmten Mathematikers zum Besten gibt, sondern seinen Lieben auch ein Rätsel stellt, dessen Lösung in der Anwendung des Additionsverfahren steckt. Jedoch kann Mathematik nicht anwendungsnaher sein als hier.
Weniger prosaisch vernimmt sich die Kolumne „Fünf Minuten Mathematik“ von Erhard Behrends, die im Jahr 2003 und 2004 in der Zeitung „Die Welt“ erschien und seit 2006 auch in Buchform vorliegt. In 100 kurzen Beiträgen werden wichtige mathematische Entdeckungen und Paradoxa erklärt: vom „Problem des Handlungsreisenden“, das die Frage nach dem kürzesten Weg zwischen mehreren Punkten behandelt, bis hin zu dem Mysterium „Zahl Pi“. Auch wenn nicht jeder Beweis, der an einigen Stellen geführt wird, ganz nachvollzogen werden kann, ist es eine kurzweilige Lektüre für unterwegs.
In der Topologie, einem Teilgebiet der Mathematik, werden alle Körper nach der Anzahl ihrer Löcher, nicht nach ihrem Aussehen unterschieden – gleiche Anzahl Löcher, gleiches Objekt. Demnach ist ein Bagel nicht das gleiche wie eine Kugel, aber identisch mit einer Kaffeetasse. Dies ist die Ausgangssituation, die George G. Szpiro für die Geschichte „Das Poincaré Abenteuer“ gewählt hat. In der biografisch-historischen Erzählung versucht Szpiro deutlich zu machen, was die Poincaré-Vermutung, benannt nach Henri Poincaré, so besonders macht, dass auf ihren Beweis ein Preisgeld von einer Million Dollar ausgesetzt wurde. Schon die Beschreibung der Vermutung bedarf einer großen Fantasie und der Zuhilfenahme anschaulicher Bagels. Schwerpunkt ist aber die Verzweiflung derjenigen Mathematiker, die in den vergangenen hundert Jahren die Vermutung beweisen wollten. Mathematische Rätsel haben einen Suchtfaktor. Wer demnächst beim Anblick von einer Kaff eetasse an Bagels denken muss, hat es auch getroffen.
Mathematik ist immer und überall, Thomas Benesch. 176 Seiten, 2008 17,95 Euro.
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Fünf Minuten Mathematik, Ehrhard Behrends. 256 Seiten, 2008 22,90 Euro.
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Das Poincaré- Abenteuer. Ein mathematisches Welträtsel wird gelöst, George G. Szpiro. 347 Seiten, 2008 19,90 Euro.
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