1990 — Trotz alledem

Nach 1990 musste aus der getrenn­ten Wis­sen­schaft eine gemein­same ent­ste­hen. Dieser Pro­zess war mit zahl­rei­chen Opfern, Kom­pro­mis­sen und Ärger verbunden.

die Gesell­schaft, son­dern mit eini­ger Ver­zö­ge­rung auch die Hoch­schu­len erschüt­tert. Nicht einmal ein Jahr nach Mau­er­öff­nung erklärte die ost­deut­sche Volks­kam­mer den „Bei­tritt der DDR zum Gel­tungs­be­reich der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land“ am 3. Okto­ber 1990. Das West­ber­li­ner Hoch­schul­ge­setz wurde auf Ost­ber­lin aus­ge­dehnt und damit die Chance für einen Neu­an­fang vertan.

Doppelt gemoppelt

Das Haupt­pro­blem war die in den ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­ten ent­stan­dene Dop­pel­struk­tur im Ost- und West­teil der Stadt. Daher waren die Hoch­schu­len dazu ange­hal­ten, Doppel- und Mehr­fach­an­ge­bote abzu­bauen, dem fielen vor allem zahl­rei­che Orchi­deen­fä­cher zum Opfer. In der Fächer­ver­la­ge­rung blieb bei­spiels­weise die Sport­wis­sen­schaft bei der HU, wäh­rend die FU die Thea­ter­wis­sen­schaft behielt – an der jeweils ande­ren Uni wurde das Fach abgeschafft.

Der Trend zur Zusam­men­le­gung von Fächern zog sich bei den medi­zi­ni­schen Fakul­tä­ten bis ins nächste Jahr­tau­send. Das Gesetz zur Neu­ord­nung der Hoch­schul­me­di­zin in Berlin vom Dezem­ber 1994 schlug das Virchow- Kli­ni­kum der Cha­rité zu. Mit der For­de­rung nach etwa 100 Mil­lio­nen Euro Ein­spa­rung in der Hoch­schul­me­di­zin war 2002 die Zusam­men­le­gung der FU- und HUMe­di­zin nur noch eine Frage der Zeit. Am 1. Juni 2003 fusio­nier­ten das Uni­ver­si­täts­kli­ni­kum „Ben­ja­min Fran­k­lin“ der FU und die Cha­rité der HU zu einer mehr oder weni­ger eigen­stän­di­gen Hoch­schul­me­di­zin in Berlin, die sich der­zeit kom­plett neu orga­ni­siert und nach streng wirt­schaft­li­chen Gesichts­punk­ten arbei­ten soll (Seite 28).

Vertragliche Sicherheit

Um etwas Pla­nungs­si­cher­heit zu haben, wurde 1997 auf Betrei­ben des HU-Prä­si­den­ten Meyer das Prin­zip der Hoch­schul­ver­träge ein­ge­führt. Darin ver­pflich­tet sich das Land Berlin gegen­über den Hoch­schu­len für einen bestimm­ten Zuschuss in den nächs­ten Jahren, die Hoch­schu­len garan­tie­ren im Gegen­zug dazu eine bestimmte Anzahl von Stu­die­ren­den­plät­zen. Mit jeder Ver­hand­lung um die nächs­ten Hoch­schul­ver­träge ent­brennt ein erbit­ter­ter Kampf zwi­schen Senat und Hoch­schu­len um die nächste Spar­summe. Tat­säch­lich gerie­ten diese Ver­träge immer mehr zum Gän­gel­band und schlos­sen auch außer­plan­mä­ßige Bud­get­re­du­zie­run­gen nicht aus.

Die Ent­wick­lung der Hoch­schu­len ist eng mit der finan­zi­el­len Situa­tion des Landes Berlin ver­bun­den. Ins­be­son­dere der Ban­ken­skan­dal 2001 stürzte die ohne­hin deso­late Haus­halts­lage ins Chaos. Die lan­des­ei­gene Bank­ge­sell­schaft Berlin hatte Risi­ken über 21 Mil­li­ar­den Euro für Immo­bi­li­en­ge­schäfte über­nom­men. In der Folge war von kri­mi­nel­len Geschäf­ten, pri­va­ter Berei­che­rung von Poli­ti­kern, Kor­rup­tion und Miss­wirt­schaft die Rede. Dessen unge­ach­tet muss Berlin diesen Schul­den­berg bewäl­ti­gen und weiter sparen.

Studenten kämpfen

Nach dem Stu­die­ren­den­streik 1997, der sich vor­nehm­lich gegen Stu­di­en­ge­büh­ren rich­tete und die drin­gende Ver­bes­se­rung der Stu­di­en­be­din­gun­gen for­derte, blieb alles beim alten. Der nächste große Stu­den­ten­streik folgte im Herbst 2003 und war primär durch die Ver­kün­dung einer wei­te­ren Ein­spa­rung von 75 Mil­lio­nen Euro aus­ge­löst worden. Diese bedeu­ten eine Kür­zung der Uni-Etats um jeweils zehn Pro­zent und den Ver­lust von über 20 Pro­zent der Professuren.

Die Stu­die­ren­den aller betrof­fe­nen Hoch­schu­len, ins­be­son­dere die der FU, HU und TU, orga­ni­sier­ten eine Viel­zahl von Ver­an­stal­tun­gen, um auf die Misere auf­merk­sam zu machen. Öffent­li­che Vor­le­sun­gen an bevöl­ker­ten Plät­zen und in den Bahnen, eine Mahn­wa­che vor dem Roten Rat­haus und die kon­se­quente Sper­rung zahl­rei­cher Hoch­schul­ge­bäude konn­ten im Novem­ber und Dezem­ber noch auf die Sym­pa­thie der Medien bauen. Doch nach der Weih­nachts­pause war von dem Elan nicht mehr viel übrig, und so kehrte im Januar 2004 in den meis­ten Fach­be­rei­chen wieder die Nor­ma­li­tät ein – auch aus Furcht, ein Semes­ter wegen Streik zu verlieren.

Viele kleine Höhepunkte

Wei­tere Höhe­punkte der Jahre nach 1990 waren die Ein­füh­rung der Rück­mel­de­ge­bühr (etwa 50 Euro „Ver­wal­tungs­ge­bühr“; der Hoch­schul­zu­schuss wurde dar­auf­hin um den Betrag der Gebüh­ren­ein­nah­men redu­ziert), die Ver­la­ge­rung der HU-Natur­wis­sen­schaf­ten nach Adlers­hof, die Debatte zur Schlie­ßung einer Uni­ver­si­tät, die Umbe­nen­nung der HdK in Uni­ver­si­tät der Künste sowie unge­zählte kleine und große Ver­än­de­run­gen an den jewei­li­gen Hoch­schu­len, die den For­schungs- und Lehrall­tag weit stär­ker beein­flus­sen als die große Poli­tik. Diese hat sich auf die Ver­wal­tung des Man­gels zurückgezogen