Wissenschaft unterm Hakenkreuz

Die Hoch­schu­len stell­ten sich ohne viel Wider­stand in den Dienst des Natio­nal­so­zia­lis­mus. Die geis­tige Elite wan­derte aus oder wurde ermordet.

Der 10. Mai 1933 bleibt in der Geschichte der gesam­ten Ber­li­ner Hoch­schul­land­schaft gleich­zei­tig trau­ma­ti­sches Ereig­nis und Mahn­mal. Die berüch­tigte Bücher­ver­bren­nung – unter akti­ver Betei­li­gung vieler Uni­ver­si­täts­an­ge­hö­ri­ger – ver­nich­tete nicht nur unzäh­lige Werke bedeu­ten­der deut­scher Huma­nis­ten und Wis­sen­schaft­ler. Sie spie­gelte auch deut­lich die mehr als oppor­tu­nis­ti­sche Hal­tung eines Groß­teils der Ber­li­ner Stu­den­ten­schaft gegen­über dem Natio­nal­so­zia­lis­mus wider.

Die über­wie­gend repu­blik­feind­li­che Gesin­nung an den Hoch­schu­len setzte aller­dings nicht erst 1933 ein. Schon im Februar 1926 betrat der „Natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Deut­sche Stu­den­ten­bund“ (NSDStB) die hoch­schul­po­li­ti­sche Bühne. Ihm gelang es, beson­ders durch Unter­stüt­zung bei der stu­den­ti­schen Zim­mer­su­che, der Werks­ar­beits­ver­mitt­lung und durch die Ein­füh­rung der „Stu­di­en­stif­tung“, Mit­glie­der zu werben. Durch diese „Unter­stüt­zung“ öff­ne­ten sich immer mehr Stu­den­ten der radi­kal-anti­se­mi­ti­schen Propaganda.

NS-Studentenbund

Gezielte Über­griffe auf jüdi­sche oder „nich­tari­sche“ Kom­mi­li­to­nen nahmen ab 1925 deutsch­land­weit immer mehr zu. In den meis­ten Fällen war der NS-Stu­den­ten­bund für der­ar­tige Aktio­nen ver­ant­wort­lich. Bereits im Jahr 1928 gab es eine Demons­tra­tion gegen jüdi­sche Stu­den­ten. Infolge des Auf­mar­sches fand ein Antrag des NSDStB im „All­ge­mei­nen Stu­den­ten­aus­schuss“ der Ber­li­ner Uni­ver­si­tät zur Beschrän­kung jüdi­scher Stu­den­ten durch einen Nume­rus clau­sus aner­ken­nende Zustim­mung. Im Novem­ber 1929 zog eine natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Stu­den­ten­gruppe nach einer Demons­tra­tion dann unge­hin­dert unter „Heil-Hitler“-Rufen und „Deutsch­land erwa­che!“ zur Universität.

Vor der natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Macht­über­nahme wurde die TH, ins­be­son­dere in der Stu­den­ten­schaft, bereits zu einer Hoch­burg der Natio­nal­so­zia­lis­ten. Auch unter den Pro­fes­so­ren stan­den viele dem Natio­nal­so­zia­lis­mus auf­ge­schlos­sen gegen­über. Die Dis­kri­mi­nie­rung und Ver­trei­bung jüdi­scher und kri­ti­scher Wis­sen­schaft­ler, wie zum Bei­spiel Gustav Hertz und Georg Schle­sin­ger, voll­zo­gen sich ohne großen Wider­stand. Die Hoch­schule zeich­nete sich durch eine pein­lich genaue Beach­tung aller neuen Vor­schrif­ten aus. So wurde die Tech­ni­sche Hoch­schule zu „einer der Stüt­zen der tech­ni­schen Ent­wick­lung jener unge­heu­ren Kriegs­ma­schi­ne­rie, mit deren Hilfe das Nazi- Deutsch­land andere Völker angriff und unter­drückte“, wie der Ver­tre­ter der bri­ti­schen Mili­tär­re­gie­rung bei der offi­zi­el­len Eröff­nung der neuen „Tech­ni­schen Uni­ver­si­tät“ im April 1946 sagte.

Widerstand

Bei der Bücher­ver­bren­nung 1933 auf dem heu­ti­gen Bebel­platz (damals Opern­platz) fielen Schrif­ten von Karl Marx, Hein­rich Heine, Lion Feucht­wan­ger, Albert Ein­stein und Johan­nes R. Becher den Flam­men zum Opfer. Doch nicht alle Ange­hö­ri­gen der Ber­li­ner Hoch­schu­len nahmen diese Per­ver­tie­rung der tra­di­tio­nel­len huma­nis­ti­schen Werte teil­nahms­los hin. Am 14. März 1933 wurde mit einer Fei­er­stunde zum 50. Todes­tag von Karl Marx an der Fried­rich-Wil­helm- Uni­ver­si­tät ein erstes Zei­chen gesetzt. Später traten ver­ein­zelt Stu­den­ten in den Dienst des Wider­stands der Grup­pen von Schulze/Boysen/ Har­nack oder Her­bert Baum. Eine Gedenk­ta­fel im Innen­hof des HU-Haupt­ge­bäu­des erin­nert heute an ihren Kampf.

Auswanderung

Umfas­sende recht­li­che Ver­än­de­run­gen im Hoch­schul­be­reich brachte schon das Jahr 1933, bei­spiels­weise das „Gesetz gegen die Über­fül­lung der Deut­schen Schu­len und Hoch­schu­len“. Die Folge waren umfas­sende Aus­wan­de­run­gen deut­scher Hoch­schul­ka­der ins Aus­land. Allein im Jahr 1933 ver­lie­ßen etwa 230 Mit­ar­bei­ter die Uni­ver­si­tät Unter den Linden.

Die Dis­kri­mi­nie­rung nicht „sys­tem­kon­for­mer Indi­vi­duen“ setzte sich in den Fol­ge­jah­ren fort. Die Ver­trei­bung, Ver­haf­tung und Ermor­dung jener „miss­lie­bi­gen“ Per­so­nen gehö­ren bis heute zum Teil der unrühm­li­chen Geschichte der Ber­li­ner Uni­ver­si­tä­ten. Mit dem Kriegs­ende wurde dann die Aus­ein­an­der­set­zung mit diesen Gescheh­nis­sen zur unver­zicht­ba­ren Vor­aus­set­zung für einen Neuanfang.