Akademische Laufbahn

Eine Juni­or­pro­fes­so­rin und ein frisch beru­fe­ner Pro­fes­sor der Rechts­wis­sen­schaf­ten berich­ten, was Krea­ti­vi­tät und For­mu­lare mit einer wis­sen­schaft­li­chen Lauf­bahn zu tun haben.

Warum haben Sie eine wissenschaftliche Laufbahn als Professor eingeschlagen?

Prof. Drenk­hahn: In meiner prak­ti­schen Aus­bil­dungs­zeit wäh­rend des Stu­di­ums habe ich viele klas­si­sche Berufe in der Justiz ken­nen­ge­lernt. Ich habe schnell für mich fest­ge­stellt, dass ich lieber den Blick aufs große Ganze rich­ten möchte, als mich mit dem Ein­zel­fall einer Straf­tat zu beschäf­ti­gen. Ich wusste schon damals, dass eine wis­sen­schaft­li­che Lauf­bahn sehr risi­ko­reich ist, aber an wis­sen­schaft­li­chen Themen zu arbei­ten, die auch für andere Men­schen inter­es­sant sind, hat mich ein­fach begeistert. 

Prof. Seher: Den Weg, Pro­fes­sor zu werden habe ich anfangs nicht bewusst ein­ge­schla­gen. Ich habe mir lange Zeit viele Berufs­wege offen­ge­hal­ten. Mein Stu­dium war breit gefä­chert, mach­mal habe ich sogar ein ganzes Semes­ter keine Jura-Ver­an­stal­tung besucht. Aber das gewis­sen­hafte Durch­den­ken von Pro­ble­men hat mich schon immer fas­zi­niert. Und letzt­end­lich konnte ich meinen Wunsch Lehrer zu werden als Pro­fes­sor ver­wirk­li­chen, wenn auch an einer „ande­ren Art Schule“.

Nach seiner Tätig­keit als Pri­vat­do­zent für Straf­recht in Köln, Jena und Frei­burg erreichte Univ.-Prof. Dr. Ger­hard Seher Anfang des Jahres der Ruf an die FU. Er stu­dierte Rechts­wis­sen­schaf­ten, Phi­lo­so­phie und Geschichte in Müns­ter und pro­mo­vierte zum Thema Rechts­phi­lo­so­phie. Eben­falls unge­wöhn­lich ist auch seine Moti­va­tion für den Pro­fes­so­ren­be­ruf – er wollte Lehrer werden. Und das ist ihm auf beein­dru­ckende Weise gelun­gen – kaum ein ande­rer Pro­fes­sor hat es in den letz­ten Jahren so schnell geschafft, mit seinem Vor­le­sungs­stil die Stu­den­ten zu begeis­tern (Foto: Anne Bet­tina Nonnaß).

Was bedeutet Ihnen die Lehre?

Drenk­hahn: Ich finde es toll, über die eige­nen For­schungs­in­ter­es­sen in Lehr­ver­an­stal­tun­gen spre­chen zu können und Erfah­run­gen wei­ter­zu­ge­ben. Stu­den­ten sind aber auch ein wich­ti­ges Publi­kum, man bekommt sofort Feed­back, ob die eige­nen Gedan­ken­gänge im For­schungs­vor­ha­ben auch schlüs­sig sind.

Seher: Lehre ist eine schöne und sehr wich­tige Auf­gabe an der Uni. Ich glaube, dass der eigent­li­che Berufs­ti­tel – Hoch­schul­leh­rer – sehr bewusst und sehr schön gewählt worden ist und dass man ihn in diesem Amt immer sehr ernst nehmen sollte. Die Belange der Lehre dürfen nie zurück­ste­hen. Eine gute Lehre ist ver­ständ­lich und ver­mit­telt den Stoff so klar, dass jeder, der die Ver­an­stal­tung ver­lässt, sagen kann: „Ich habe verstanden“.

Wie wichtig ist die Forschung für Sie?

Drenk­hahn: Die For­schung und die Mög­lich­keit, immer wieder Neues ergrün­den zu können sehe ich als Bonus meiner Tätig­keit. Es ist der Grund, wes­we­gen ich dafür alle Unge­wiss­hei­ten und Risi­ken einer wis­sen­schaft­li­chen Lauf­bahn auf mich genom­men habe.

Seher: Es ist eine span­nende Her­aus­for­de­rung und vor allem die schönste Seite dieses Berufs. Sie doku­men­tiert die eigene Frei­heit, sich selber Themen zu suchen, die einen beschäf­ti­gen und andere im Denken weiterbringen.

For­schungs­ar­beit und viele Lehr­ver­an­stal­tun­gen liegen bereits hinter der frisch geba­cke­nen Juni­or­pro­fes­so­rin für Straf­recht und Kri­mi­no­lo­gie Dr. Kirs­tin Drenk­hahn. Seit diesem Som­mer­se­mes­ter ist sie Teil der juris­ti­schen Fakul­tät der FU. Auf ihr Stu­dium in Greifs­wald blickt sie gern zurück, vor allem wegen der guten Stu­di­en­be­din­gun­gen an einer klei­nen Fakul­tät. Prak­ti­sche Ein­bli­cke in klas­si­sche juris­ti­sche Berufe sam­melte sie vor allem im Refe­ren­da­riat. In ihrer Pro­mo­tion beschäf­tigte sie sich mit dem Thema Straf­voll­zug und forscht seit­dem auch unter der För­de­rung der Euro­päi­schen Kom­mis­sion und des Euro­pa­ra­tes (Foto: Anne Bet­tine Nonnaß).

Was gehört zu Ihren Aufgaben als Professor?

Drenk­hahn: Stu­den­ten denken oft, dass wir haupt­säch­lich Zeit in die For­schung ste­cken. 70 Pro­zent unse­rer Arbeit hat aber mit den Stu­den­ten zu tun. Bis zu neun Stun­den Lehr­ver­an­stal­tun­gen müssen zusätz­lich zur Vorund Nach­be­rei­tung, Prü­fun­gen und Stu­den­ten­be­treu­ung geleis­tet werden. Häufig kommt man erst in der vor­le­sungs­freien Zeit dazu, inten­si­ver zu forschen.

Seher: Seit der Bolo­gna­re­form haben auch die Pro­fes­so­ren eine deut­li­che Mehr­be­las­tung. Viel öfter als früher müssen wir an der Admi­nis­tra­tion und der Selbst­ver­wal­tung der Hoch­schule mit­wir­ken. Außer­dem hat ein inten­si­ver Druck ein­ge­setzt, Dritt­mit­tel ein­zu­wer­ben. Diese Ver­fah­ren sind sehr auf­wän­dig, und so sitzt man lange über den For­mu­la­ren, welche die ersehn­ten, zusätz­li­chen Gelder ein­brin­gen sollen. Dane­ben gibt es den Anspruch, Lehr­bü­cher und Arti­kel zu ver­öf­fent­li­chen. Als Pro­fes­sor hat man nie Dienst­schluss, es gibt immer einen Arti­kel, den man noch lesen könnte oder einen Kon­takt in die Wis­sen­schaft, den man noch knüp­fen sollte.

Was sollte man mitbringen, wenn man eine Laufbahn als Professor anstrebt? 

Drenk­hahn: Neu­gier und die Bereit­schaft sich auf neue fremde Sicht­wei­sen ein­zu­las­sen. Man muss sich von Mei­nun­gen im per­sön­li­chen Umfeld lösen, was nicht heißt, hal­tungs­los zu sein. Und natür­lich auch Fleiß, die Ergeb­nisse der For­schung aufzuschreiben.

Seher: Krea­ti­vi­tät und Beweg­lich­keit im Denken sind, neben einer über­durch­schnitt­li­chen Fähig­keit zum For­mu­lie­ren, unab­ding­bare Eigen­schaf­ten. Aber am wich­tigs­ten ist die unein­ge­schränkte Begeis­te­rung für das eigene Fach und der ent­schlos­sene Wille, ein guter Lehrer zu sein.

Über Anne Bettina Nonnaß (10 Artikel)
Anne ist seit 2010 Teil der Stadtstudenten-Redaktion. Nach ihrem 3-jährigen Aufenthalt in Kanada und ihrer Tätigkeit als Cutter und Assistant Producer in British Columbia zog sie nach Berlin. Seitdem ist sie in zahlreiche Projekte involviert und unter anderem Mitglied des Erweiterten Vorstandes des UWC Network e.V. Sie studiert seit 2010 Rechtswissenschaften an der Freien Universität Berlin.