Kürschners Kaffeeklatsch 24.- 30.1.

Brau­chen Kids ein iPad als All inclu­sive-Schul­buch? Und was hat ein bebrill­ter Pin­guin mit dem WWW-Welt­meer zu tun? 

Nele Lindemann bei Audioaufnahmen auf einer Wiese im Hildesheimer Umland (Foto: Christiane Hänsel).

Das Inter­net ist Segen und Fluch zugleich. Die Frage ist dabei aber nur, wie man es nutzt.

Das Fußballstadion in der 2er-WG

Das Insti­tut für Musik und Musik­wis­sen­schaft der Stif­tung Uni­ver­si­tät Hil­des­heim ist seit eini­gen Tagen im Inter­net mit einem Musik­ar­chiv ver­tre­ten. Dort kann man ca. 100 CD-Pro­duk­tio­nen von Leh­ren­den, Stu­die­ren­den und Absol­ven­ten der Uni­ver­si­tät, Radio­sen­dun­gen und wei­tere Klang­pro­jekte abru­fen. Ganz beson­ders inter­es­sant: Auch das Geräusch­ar­chiv ist in Aus­zü­gen online. Vom Heck­schei­ben­wi­scher eines Ford Fiesta, Arbeits- und Maschi­nen­ge­räu­schen des Welt­kul­tur­er­bes Fagus-Werk bis zu grö­len­den Fuß­ball­fans nach einem WM-Qua­li­fi­ka­ti­ons­spiel am Hin­den­burg­platz sind Klänge und Geräu­sche aus Hil­des­heim und der Region ver­tre­ten. Ist viel­leicht für die nächste Party nutz­bar oder wenn man mal den Nach­bar ärgern will.

  • Finden wir schlecht: Die TU Berlin hat eine nicht-reprä­sen­ta­tive Studie her­aus­ge­bracht, die zeigt, dass so gut wie jeder Jugend­li­che schon einmal selbst von Cyber-Mob­bing betrof­fen waren oder es bei Freun­den beob­ach­ten konnte, also ein Bystan­der war. Dabei fühl­ten sich alle dem Mob­bing gegen­über hilfslos.
  • Finden wir gut: Unser guter Freunde Apple hat eine Anwen­dung zu seinem Bil­dungs­an­ge­bot “iTunes U” im App Store ein­ge­stellt. Dort bekom­men die pri­vi­le­gier­ten iPhone- und iPad-Besit­zern mit iOS 5 Zugriff auf das kos­ten­lose Mate­rial etli­cher Uni­ver­si­tä­ten – unter ande­rem auch der HU Berlin.

Den Apfel im Ranzen

Freund Apple hat in der ver­gan­ge­nen Woche auch noch etwas ande­res ange­kün­digt, was zu dis­ku­tie­ren wäre:  Das Apfel-Impe­rium will Schü­lern, Stu­den­ten und Leh­rern Schul­bü­cher auf dem iPad zur Ver­fü­gung stel­len und das gute Schul­buch über­flüs­sig machen. Die Leser können Text­pas­sa­gen farb­lich mar­kie­ren und Noti­zen auf die Seiten heften. Begriffe und deren Bedeu­tung können Schü­ler in eine Kar­tei­karte ver­wan­deln, wie man sie vom Voka­bel­pau­ken kennt: Auf der Vor­der­seite steht der Begriff, auf der Rück­seite dessen Bedeu­tung, die man erler­nen möchte.

Dazu möchte ich gern Eure Mei­nung erfah­ren, denn es ist doch ein zwei­schnei­di­ges Schwert. Schön ist, dass dann die ABC-Schüt­zen nicht mehr bereits in der 2. Klasse einen krum­men Rücken haben. Aber sie werden sich auch nie an den Geruch ihrer ersten Lese­fi­bel erin­nern können. Und Lie­bes­briefe können dann auch nicht mehr im Mathe­buch trans­por­tiert werden. Und davon abge­se­hen ist es doch ein biss­chen unheim­lich, wenn alle Kids mit iPads durch die Gegend rennen, oder?

Der Pinguin und die Pop-Ups

Eine Ein­füh­rung in die Welt des Inter­nets soll­ten die Zahn­fee-Enthu­si­as­ten natür­lich trotz­dem bekom­men. Das können sie hier mit Kapi­tän Eddie machen, einem bebrill­ten Pin­guin, wenn ich mich nicht täu­sche. Ihm steht ein Nasen­bär, ein Hase namens Jumpy und etwas ande­rem, was viel­leicht ein Eich­hörn­chen sein könnte, zur Seite. Hier lernen die Hasen­zähne alles über das WWW-Welt­meer. Sehr schön erklärt wird hier der Begriff Pop-up: Pop­corn und Pop-up sind  unter­schied­li­che Dinge, aber sie besit­zen die glei­che Eigen­schaft: beide gehen auf! Wun­der­bar, ich bin ohne Worte.

Spieglein, Spieglein …

Die großen Kinder finden hier Auf­klä­rung über Phä­no­mene, die uns als Kinder die Nacken­haare zum Auf­stel­len brach­ten und hier nun von den Natur­wis­sen­schaf­ten erklärt werden. Ziem­lich beliebt war es zum Bei­spiel, einige Zeit in einen Spie­gel zu schauen und darauf zu warten, dass sich das eigene Gesicht ver­än­dert oder man einen Frem­den sieht. Das kann Kids von heute mit einem iPad im Ranzen wahr­schein­lich nicht mehr scho­ckie­ren, wir waren aber ziem­lich fertig mit den Nerven, wenn es funk­tio­niert hat. Die Wis­sen­schaft hat das Rätsel bereits gelöst. Manch­mal ist es aber auch schön, wenn ein Geheim­nis ein Geheim­nis und ein Lese­fi­bel aus Papier bleibt. In diesem Sinne, bis zum nächs­ten Mal.

Über Christiane Kürschner (89 Artikel)
2004 bis 2010 Studium (Philosophie, Deutsche Philologie, AVL) an der FU, HU und Uni Bern. 2007 bis 2010 Fachjournalistikstudium. PR-Volontariat bis Juni 2011. Seit Juli 2011 freie Autorin und Texterin. Ihre Leidenschaften: Bücher, Fotografie und Essen- und in allem viel Farben. www.frollein-wortstark.de
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1 Kommentar zu Kürschners Kaffeeklatsch 24.- 30.1.

  1. Alexander // 26. Januar 2012 um 23:59 //

    Ich hoffe doch, dass sich eine gesunde Ko-Exis­tenz zwi­schen Büchern und iPad ergibt. Bücher für Basis-Kom­pe­ten­zen wie Lesen oder Grund­re­chen­ar­ten sind in der Papier­ver­sion sicher­lich besser als so ein vir­tu­el­les Gedöns. Das setzt voraus, dass die Lehrer die Schü­ler für solche Tätig­kei­ten wie Lesen und Rech­nen begeis­tern können. Wis­sens­ver­mitt­lung (im Gegen­satz zur Fähig­keits­ver­mitt­lung) wie in den Natur­wis­sen­schaf­ten kann m.E. mit sol­chen vir­tu­el­len Schul­bü­chern aller­dings eine qua­li­ta­tive Stei­ge­rung erfah­ren. Beson­ders gefal­len mir da die Mög­lich­keit zur steten Aktua­li­sie­rung und Illus­trie­rung (z.B. mit umfang­rei­chen Bil­der­ga­le­rien), die inte­grier­ten Tests und Notizfunktion.

    Letzt­lich ent­schei­den aber nicht die Arbeits­mit­tel allein, son­dern vor allem die Ver­mitt­lung in der Schule. Und die ist nun mal von einer Lehr­per­sön­lich­keit abhän­gig. Deren Moti­va­tion, Umgang mit Lehr­ma­te­ria­lien, Ver­hal­ten gegen­über Schü­lern und Per­sön­lich­keit sind wich­tige Fak­to­ren. So toll jed­wede Initia­tive für moderne Lern­mög­lich­kei­ten auch ist – die Lehrer sind es letzt­lich, die den Erfolg und Miss­erfolg bewir­ken. Die neuen Mög­lich­kei­ten machen es ihnen nicht leich­ter, da sie mit diesen sou­ve­rän umge­hen können müssen (eige­ner Lern­auf­wand). Auch gibt es tat­säch­lich zahl­rei­che über­for­derte Lehr­per­so­nen, die lieber den alt­her­ge­brach­ten Fron­tal­un­ter­richt mit den alt­her­ge­brach­ten Mit­teln fort­set­zen möch­ten. Den Miss­stän­den im Bil­dungs­sys­tem (zu denen noch viele andere Aspekte gehö­ren) wird man mit den neuen Lehr­ma­te­ria­lien nicht bei­kom­men können.

    Das finan­zi­elle Argu­ment finde ich auch beden­kens­wert. Jedes vir­tu­elle Lehr­buch kostet bis zu 15 Euro. Das sind für ein Schul­jahr mit fünf Lehr­bü­chern (Mathe, Physik, Bio, Geo, Geschichte, ) 75 Euro. Kopier­kos­ten für die belieb­ten Handouts ent­fal­len, ebenso können Klas­si­ker in Deutsch kos­ten­los her­un­ter­ge­la­den werden. Lehrer können kos­ten­güns­tig eine Viel­zahl wei­te­rer Mate­ria­lien zur Ver­fü­gung stel­len. Das sind also rund 100 Euro an Daten pro Schul­jahr plus ein iPad (500 Euro). Rech­net man ein iPad für zwei Schul­jahre, sum­miert sich das auf 700 Euro. Allein für die fünf erwähn­ten Bücher habe ich damals je 40 bis 60 Mark gezahlt, das können wir also heute auf 40 Euro runden; ergibt 200 Euro pro Schul­jahr, in zwei Jahren 400 Euro. Dazu kommen noch die Kopier­kos­ten (an unse­rer Schule waren das damals fünf bis zehn Mark pro Schul­mo­nat) sowie gemein­freie Werke, die man bis­lang aller­dings auf Papier kaufen muss (etwa acht Reclam-Bänd­chen pro Schul­jahr sind auch mehr als 50 Euro). Alles in allem ist es min­des­tens ein Nullsummenspiel.

    Die grö­ßere Fle­xi­bi­li­tät des vir­tu­el­len Bücher sowie ihre güns­ti­ge­ren Anschaf­fungs­preise (wenn das Betrach­tungs­ge­rät einmal ange­schafft ist) sehe ich als wich­tigste Fak­to­ren. Denn dadurch wird auch der Unter­richt fle­xi­bler und kann indi­vi­du­el­ler auf die jewei­li­gen Bedürf­nisse der Schü­ler eingehen.

    Achja, das Mono­pol der Schul­buch­ver­lage würde auch end­lich gebro­chen. Denn Lehr­bü­cher sind mit ver­tret­ba­rem Auf­wand auch von klei­nen Ver­la­gen zu erstel­len, nur fehlte diesen oft der finan­zi­elle Rück­halt für die Vor­leis­tung des Drucks. Das bringt end­lich wieder etwas Abwechs­lung in den Schul­all­tag, und die Schu­len können sich besser in ihren Pro­fi­len von­ein­an­der abgren­zen. Das erhöht den Wett­be­werb auf dem Schul­buch­markt, was letzt­lich auch der Qua­li­tät nutzen dürfte. Schul­bü­cher könn­ten so auch besser an den tat­säch­li­chen Schul­un­ter­richt und das ange­strebte Niveau ange­passt werden (wir muss­ten regel­mä­ßig Zusatz­texte her­an­zie­hen oder Kapi­tel in unse­ren Schul­bü­chern über­schla­gen, weil sie nicht wirk­lich zum Lehr­plan passten).

    Übri­gens habe ich vor einer Weile irgendwo gele­sen, dass die Türkei Mil­lio­nen iPads für den Schul­be­trieb im ganzen Land anschaf­fen möchte.

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