Angst vor’m weißen Blatt? Hausarbeiten schreiben

Der Abga­be­ter­min im Kalen­der, die Lite­ra­tur auf dem Schreib­tisch – auf dem Bild­schirm nur eine weiße Fläche. Bei Schreib­blo­cka­den hilft die Schreibwerkstatt.

Die Angst vor dem weißen Blatt: Wie man Hausarbeiten schreibt. (Foto: Albrecht Noack)

Das Auf­schie­ben von Haus­ar­bei­ten ist bei Stu­die­ren­den weit ver­brei­tet. Kommen zu der Pro­kras­ti­na­tion noch die stän­dige Beschäf­ti­gung mit dem Schrei­ben und nega­tive Gefühle wie Angst und Über­for­de­rung, spricht man von einer Schreibblockade.Um eine solche Blo­ckade nicht zum Nor­mal­zu­stand werden zu lassen, bietet die Freie Uni­ver­si­tät Berlin eine Schreib­werk­statt an. „Von der Idee zum Text“ heißt der semes­ter­be­glei­tende Work­shop, der von der Stu­dien- und Psy­cho­lo­gi­schen Bera­tung ver­an­stal­tet wird. Hier lernen die Stu­die­ren­den, welche grund­le­gen­den Arbeits­me­tho­den des wis­sen­schaft­li­chen Schrei­bens es gibt und welche Stra­te­gien zur Bewäl­ti­gung von Schreib­hem­mun­gen ihnen die Angst vor dem leeren Blatt nehmen können.

Prokrastination

Es ist ein son­ni­ger Früh­lings­nach­mit­tag, und wäh­rend andere Kom­mi­li­to­nen am Wasser die Woche aus­klin­gen lassen, sitzen sechs Stu­die­rende im Grup­pen­raum 6 in der Brüm­mer­straße 50. Diplom-Psy­cho­lo­gin Edith Püschel betritt den Raum; der Work­shop beginnt.
Die Stu­die­ren­den sollen zunächst von ihren Schrei­ber­fah­run­gen in den letz­ten zwei Wo- chen berich­ten. Eine Stu­den­tin erzählt, dass sie ihre Haus­ar­beit bereits seit zwei Semes- tern auf­schiebe. Erst sei sie im Aus­land gewe­sen und nun habe sie so viel mit ande­ren Semi­na­ren zu tun. Was denn mit ihren festen „Schreib­ta­gen“ pas­siert sei, erkun­digt sich Püschel. Denn sie rät dazu, sich feste Tage zu setzen, an denen man an seiner Haus­ar­beit schreibt. „Geschrie­ben habe ich schon“, so die Stu­den­tin, „nur nicht an meiner Haus­ar­beit.“ Püschel nickt mit dem Kopf: „Flucht in die Semi­nare, um das Schrei­ben hin­aus­zu­zö­gern“, sagt sie, womit sie das Phä­no­men meint, sich allen mög­li­chen Dingen zu widmen, nur um nicht mit dem Schrei­ben der Haus­ar­beit zu beginnen.

„Schön, nicht die Ein­zige zu sein, die Haus­ar­bei­ten zwei Semes­ter lang auf­schiebt“, knüpft ihre Sitz­nach­ba­rin an das Thema an. Sie berich­tet, sehr viele Bücher aus­zu­lei­hen und zu lesen, das Schrei­ben dann aber immer wieder auf­zu­schie­ben. Gene­rell beschäf­ti­gen sich alle der Anwe­sen­den sehr viel mit ihren Haus­ar­bei­ten, sie lesen und recher­chie­ren viel, nur der Punkt des Auf­schrei­bens wird immer hin­aus­ge­zö­gert. Eine struk­tu­rierte Vor­ge­hens- weise sei in diesem Fall sehr wich­tig, erklärt Püschel. Neben festen Schreib­ta­gen emp­fiehlt sie des­we­gen auch das Anfer­ti­gen eines Wis- sen­schafts­jour­nals, in dem – ähn­lich wie bei einem Tage­buch – Noti­zen und Abschnitte zur Haus­ar­beit fest­ge­hal­ten werden. „Schrei­ben eröff­net neue Asso­zia­ti­ons­räume“, so die Psy­cho­lo­gin. Genau das ist das Pro­blem: Wenn man erst gar nicht mit dem Schrei­ben beginnt, können diese auch nicht entstehen.

Gedanken strukturieren

Es folgen einige Übun­gen, die zeigen sollen, wie man seine Gedan­ken struk­tu­rie­ren und an den Schreib­pro­zess her­an­ge­hen kann. Für die erste Übung sollen die Teil­neh­mer mit­hilfe des Clus­ter-Ver­fah­rens ihre Gedan­ken zum Thema „Schrei­ben müssen“ auf­schrei­ben. Aus den Asso­zia­tio­nen sollen sie vier Sätze for­mu­lie­ren. „Schrei­ben müssen ist Zwang“ schreibt eine der Stu­den­tin­nen, die „Pflicht zu pro­du­zie­ren“ ein ande­rer. Eine Teil­neh­me­rin berich­tet, dass sie das Schrei­ben rich­tig in Panik ver­setze. Sie schreibe drei Sätze und fange dann beim vier­ten an zu denken, dass die ersten Sätze sprach­lich schlecht seien oder keine Struk­tur hätten und fange wieder von vorne an. Die ande­ren Teil­neh­mer nicken mit dem Kopf, bei ihnen ver­läuft der Schreib­pro­zess ähnlich.

Das Pro­blem in diesem Fall ist der Gedanke, beim Schrei­ben sofort die per­fekte End­ver­sion nie­der­schrei­ben zu wollen. „Anstatt nur zu schrei­ben, will man gleich­zei­tig struk­tu­rie­ren und inhalt­lich gut sein. Mit diesen Gedan­ken schränkt man sich von vorn­her­ein ein und erhöht das Risiko, eine Schreib­blo­ckade zu bekom­men“, so Püschel.

Free Writing

In der nächs­ten Übung soll das „Free Wri­ting“, das auto­ma­ti­sche Schrei­ben, geübt wer- den. Zehn Minu­ten lang sollen die Teil­neh­mer durch­gän­gig schrei­ben, ohne dabei den Stift abzu­set­zen. Gedan­ken wie „Das ist schlecht, was ich gerade schreibe“ sollen igno­riert werden; es geht um den Schreib­fluss und darum, das Geschrie­bene nicht schon wäh­rend des Schrei­bens zu beur­tei­len. Danach soll der Text auf inhalt­li­cher und sprach­li­cher Ebene unter­sucht werden, Kern­aus­sa­gen raus­ge­schrie­ben und defi­niert werden, und ob es sich bei diesem Satz gerade um eine Behaup­tung oder ein Argu­ment han­delt. Diese Übung wird von den Stu­die­ren­den unter­schied­lich wahr­ge­nom­men. Eine Teil­neh­me­rin berich­tet, dass sie der Gedanke, nicht mit dem Schrei­ben auf­hö­ren zu dürfen, enorm gestresst habe und sie des­halb ver­krampft. Solche Impulse seien normal, erzählt die Psy­cho­lo­gin, genauso wie der Impuls, auf­hö­ren zu wollen. In diesem Zusam­men­hang weist sie darauf hin, dass man zwi­schen dem Run­ter­schrei­ben und der Kor­rek­tur eine Pause machen sollte und sich am besten bewe­gen und zum Bei­spiel einen Spa­zier­gang machen sollte.

Eine Stu­den­tin hin­ge­gen ist ganz begeis­tert von der Übung und berich­tet, dass diese Methode per­fekt für sie sei, weil sie zum ersten Mal ein­fach alles run­ter­ge­schrie­ben habe, ohne zu sehr über die Struk­tur oder Inhalt nach­zu­den­ken. Diese Tech­nik wolle sie in der Zukunft auf jeden Fall anwenden.

Zwar füllen sich die Blät­ter auf den Lap­tops der Stu­die­ren­den jetzt nicht auto­ma­tisch, doch bietet die Schreib­werk­statt ihren Besu­chern eine neue Per­spek­tive, um sich wieder ihrer Haus­ar­beit zu widmen. Ihre Arbeit werde sehr gut auf­ge­nom­men, weiß die Dozen­tin. Viele Stu­die­ren­den schrei­ben ihr, wenn sie ihre Abschluss­ar­beit erfolg­reich been­det haben. Die Briefe hebe sie alle auf, lächelt Psy­cho­lo­gin Püschel.

1 Kommentar zu Angst vor’m weißen Blatt? Hausarbeiten schreiben

  1. Oh mein Gott, wenn ich an meine Stu­di­en­zeit denke, dann gibt es genau zwei grund­le­gende Gedan­ken. “Was für eine schöne Zeit” und “wie froh bin ich doch keine Haus­ar­bei­ten mehr zu schrei­ben”. Das war für mich immer der abso­lute Horror und fast jede Arbeit wurde auf den letz­ten Drü­cker fertig. Ich hab mir sogar mal eine Haus­ar­beit von einem Ghost­wri­ter schrei­ben lassen, weil an dieser Arbeit mein gesam­tes Stu­dium hing…

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