Regelausbruch — Regelstudienzeit reicht nicht aus
Einer Mehrheit der Studierenden reicht die geplante Studienzeit nicht aus.
Entweder sind die Studenten zu faul, oder die sogenannte Re- gelstudienzeit ist zu knapp bemessen: Nicht mal jeder Zweite beendet sein Studium innerhalb der Fristen, die sich in den Studienordnungen finden. Im Prüfungsjahr 2010 haben es laut Statistischem Bundesamt nur 39 Prozent der Absolventinnen und Absolventen rechtzeitig geschafft. Wer hingegen länger braucht, kann schnell finanzielle Probleme bekommen, denn das Bafög wird nur in wenigen Ausnahmefällen länger als die sogenannte Regelstudienzeit bezahlt. Für ein Stipendium gilt ähnliches. Unter den Langzeitstudierenden finden sich unter anderem deswegen auch besonders viele, die aus Geldnöten nebenher arbeiten müssen. Die Zahlen des Statistischen Bundesamtes legen zudem eine Interpretation nahe, derzufolge die Bachelor- und Master-Anwärter besonders zügig studieren. Werden die Hochschüler wegen der modularisierten Studiengänge durch ihre Ausbildung gehetzt oder trödeln sie weniger? Nichts dergleichen lässt sich durch die Statistik belegen. Zwar wurden von den Master-Abschlüssen mit 48 Prozent überdurchschnittlich viele innerhalb der sogenannten Regelstudienzeit erworben, bei den Bachelor-Abolventen wurden sogar 60 Prozent innerhalb der vorgesehenen Zeit fertig. Zum Vergleich: Das Uni-Diplom wurde nur in 20 Prozent der Fälle nach einem solch zügigen Studium verliehen. Trotzdem haben sich viele Medienberichte bloß von einem statistischen Effekt täuschen lassen.
Die Bachelor- und Master-Studiengänge wurden vor noch nicht allzu langer Zeit eingeführt. Wer 2010 schon fertig wurde, musste in der Regel relativ zügig studiert haben. Umgekehrt gilt das Gleiche: Die Diplom-Studiengänge laufen aus, einen Abschluss erhalten nur noch diejenigen, die vor vielen Jahren begonnen haben und somit deutlich über der sogenannten Regelstudienzeit liegen. Unabhängig von den Zahlen könnte es jedoch sein, dass Diplomanden durchschnittlich mehr Zeit benötigen – zum Beispiel, weil bei dem Auslaufen der Studiengänge manche Pflichtveranstaltungen kaum noch angeboten werden oder weil sie in Bachelor- oder Master- Studiengänge wechseln. Nach der Veröffentlichung der Statistik fordert der Dachverband der Studierendenvertretungen ZfS die Abschaffung der sogenannten Regelstudienzeit. Sie sei ein „imaginäres Konstrukt“, das „mit der Realität der Studierenden nichts zu tun hat“, erklärte Erik Marquardt aus dem Vorstand des Dachverbands. „Es missachtet dadurch die über 60 Prozent der Studierenden, die neben dem Studium arbeiten müssen, darüber hinaus Studierende mit Kind sowie Studierende, die sich sozial engagieren, da es ihnen in der Regel nicht möglich ist, das Studium innerhalb der Regelstudienzeit abzuschließen.“