Unterwegs studieren

Warum nicht durch die Welt reisen und nebenbei einen Abschluss machen? © Tobias Hausdorf

Durch die Welt reisen und neben­bei einen Abschluss machen? Was wie der Traum der meis­ten Stu­die­ren­den klingt, wird durch Online­kurse Rea­li­tät. Doch kann uni­ver­si­täre Bil­dung auf diese Weise revo­lu­tio­niert werden?

Das Inter­net ist für die wenigs­ten Neu­land. Erst recht nicht für Stu­die­rende. Das dachte sich wohl auch Sebas­tian Thrun, als er im Februar 2012 mit Uda­city eine Online­uni­ver­si­tät grün­dete. Im Mai folgte edX, gegrün­det von den Eli­te­uni­ver­si­tä­ten Har­vard und Mas­sa­chu­setts Insti­tute of Tech­no­logy (MIT). Apple star­tete schon 2007 mit iTunes U eine Online-Bil­dungs­platt­form auf der Vor­le­sungs­rei­hen, Sprach­kurse und Campus-Touren zum Down­load ange­bo­ten werden. Bei Bil­dung schei­nen alle auf online geschal­ten zu haben.

„MOOC“ ist das Wort der Stunde. Es steht für „mas­sive open online course“ und leite laut Anant Agar­wal, IT-Experte am MIT, eine Bil­dungs­re­vo­lu­tion ein. Pro­fes­so­ren zeich­nen ihre Vor­le­sun­gen auf, stel­len sie online und jeder, der inter­es­siert ist und über Com­pu­ter und Inter­net­zu­gang ver­fügt, kann diese auf­ru­fen – umsonst. Der Zugang zu Bil­dung wird radi­kal ver­ein­facht und ein Pro­fes­sor erreicht schnell so viele Stu­die­rende wie sonst in seiner gesam­ten Kar­riere. Der Semi­nar­raum wird zur Welt­bühne. Die Online­kurse taugen auch für das Ego der Dozen­ten. Bei Agar­wals ersten Kurs mel­de­ten sich 155.000 Online-Stu­die­rende aus aller Welt an. „Das sind fast so viele, wie das MIT in seiner 150-jäh­ri­gen Geschichte Absol­ven­ten hat“, sagte Agar­wal dem Spie­gel. Ein gutes Bei­spiel ist auch der US-Phi­lo­soph Michael Sandel, eine Kory­phäe der poli­ti­schen Phi­lo­so­phie, der seinen Grund­kurs über Gerech­tig­keit seit 25 Jahren lehrt. „Jus­tice“ ist der erste Kurs der Har­vard-Uni­ver­si­tät, der kos­ten­los im Inter­net ange­bo­ten wird und hat Sandel zu welt­wei­ter Berühmt­heit verholfen.

Wie in der ana­lo­gen Uni stellt sich jedoch die Frage der Qua­li­tät. Denn eine Vor­le­sung zu filmen und ins Netz zu stel­len, reicht nicht aus. Die Ange­bote leben vom Mehr­wert, der durch Inter­ak­ti­vi­tät gege­ben wird. Kri­ti­ker befürch­ten außer­dem, dass kleine Hoch­schu­len mit gerin­ge­ren Bud­gets ihre Grund­kurse durch MOOCs erset­zen, um Geld zu sparen. Die großen Uni­ver­si­tä­ten pro­fi­tie­ren dop­pelt, denn sie können sich die Kory­phäen leis­ten und zusätz­lich werden deren Kurse von den klei­ne­ren Hoch­schu­len eingekauft.
Bil­dung für alle und umsonst ist ein erstre­bens­wer­tes Ziel, doch wer zahlt dafür? Die meis­ten Hoch­schu­len hier­zu­lande sind staat­lich finan­ziert. Online­an­ge­bote werden aber bisher vor­ran­gig von pri­va­ten Unter­neh­men ange­bo­ten. Und die haben Ideen, wie sie Gewinn machen: zum Bei­spiel in dem sie die Daten der Nutzer zu Geld machen oder Firmen pro­fes­sio­nelle Mit­ar­bei­ter­schu­lun­gen verkaufen.

Die Minerva-Uni­ver­si­tät, eine pri­vate Hoch­schule in San Fran­cisco, ver­sucht die Vor­teile der Online­kurse für ein eige­nes Stu­di­en­kon­zept zu nutzen, das in Sachen Frei­heit leicht die Eras­mus-Pro­gramme in den Schat­ten stellt. Nach ihrem ersten Jahr können sich die Stu­die­ren­den ent­schei­den, ob sie ihr zwei­tes ent­we­der in Buenos Aires oder Berlin ver­brin­gen. Danach werden Mumbai, Hong Kong, London und New York vor­ge­schla­gen. Eine Online­platt­form ersetzt den Campus. So können die Welt­rei­sen­den pro­blem­los andere Kul­tu­ren erkun­den und neben­bei stu­die­ren. Größ­tes Manko ist aber der Preis. Knapp 10.000 Dollar im Jahr kostet das Stu­dium an der Minerva – ohne Rei­se­kos­ten und bleibt so exklusiv.
Kos­ten­lose MOOCs dage­gen sind für Massen und Ärmere gedacht, doch bis die Anrech­nung geklärt ist, sind sie vor allem eines: ein Stu­dium Gene­rale, per­fekt um über den Tel­ler­rand zu schauen. Seinen Abschluss macht man aber noch an der klas­si­schen Uni­ver­si­tät. Vorerst.