Berlin als Ausland

Eine Kanadierin in Berlin © Kathleen Sinclair

Hea­ther Dunbar, 21, kommt aus Burnaby, einem Vorort von Van­cou­ver. Sie stu­diert Eng­lisch an der Simon Fraser Uni­ver­sity und nun für ein Jahr an der Hum­boldt Uni­ver­si­tät. Ein Gespräch über unter­schied­li­che Welten, Ber­lins Vor­züge und Pilze.

Warum wolltest du ausgerechnet nach Deutschland?

Hea­ther: Als ich 16 war, musste mein Papa für seine Arbeit nach Karls­ruhe reisen und nahm die ganze Fami­lie mit. Ich hatte Spaß daran, mir kleine Dinge, wie auf Deutsch Essen zu bestel­len, bei­zu­brin­gen. Später an der Uni hatte ich Lust, wei­ter­zu­ma­chen. Für einen Aus­lands­auf­ent­halt bot sich zwar auch Öster­reich an, aber da ich einen klei­nen Teil bereits kannte, wollte ich Deutsch­land lieber mehr erkun­den. Es wurde Berlin, weil es naja, Berlin ist.

Hast du dich an deiner Heimatuniversität gut vorbereitet und an der HU willkommen gefühlt?

Hea­ther: Ja, beides. Ich fühle mich hier wohl. Auch wenn ich im Inter­na­tio­nal Office oft­mals unfreund­lich emp­fan­gen wurde. Ich ver­mute, es liegt an der inter­nen Kom­mu­ni­ka­tion, denn ich bekam häufig wider­sprüch­li­che Infor­ma­tio­nen, beson­ders bei der Bele­gung und Anrech­nung von Kursen. Dir wird auch ver­mit­telt, dass du dich nur als aller­letz­ten Ausweg ans Inter­na­tio­nal Office wenden sollst, wenn du über­haupt nicht weiter weißt und schon über­all sonst gefragt hast. Ganz anders die Leute beim Orbis, die waren sehr hilfs­be­reit! Fai­rer­weise muss man dazu sagen, dass die Leute, die im Orbis arbei­ten, die deut­lich ange­neh­me­ren Auf­ga­ben erle­di­gen als die, die im Inter­na­tio­nal Office arbeiten.

Wie nimmst du die Atmosphäre in den Lehrveranstaltungen wahr?

Hea­ther: Sehr freund­lich und offen. Ab und zu gibt es beim Inhalt Pro­bleme. Wenn ein Prof etwas sagt wie „ihr habt ja alle in eurem ersten Semes­ter den Text von Soundso gele­sen…“, fühle ich mich nicht berech­tigt, meinen Senf dazu­zu­ge­ben, weil ich diesen Grund­la­gen­text nicht kenne. Ande­rer­seits fällt mir dann im Gespräch mit meinen Kom­mi­li­to­nen auf, dass viele den Text selbst nicht kennen, oder ver­ges­sen haben. Der Anteil an impro­vi­sier­ten Bei­trä­gen ist hier bedeu­tend höher als bei uns.

Was wundert dich an Berlin?

Hea­ther: Pilze stehen nicht im Kühl­re­gal. Als ich zum ersten Mal Pilze gekauft habe, dachte ich, viel­leicht sind das beson­dere deut­sche Pilze, die man nicht kalt­stel­len muss. Nach zwei Tagen: ih. Berlin ist eine Stadt voller Wider­sprü­che. Es gibt strenge Regeln, an die sich aber kaum jemand zu halten scheint. Wenn du in Van­cou­ver laute Musik in der Bahn hörst, wirst du sofort zurecht gewie­sen. Was die Uni angeht: Manche Leute lassen ja noch in der fünf­ten Woche Kurse fallen! Das ist selt­sam für mich. An der Simon Fraser müssen wir für jeden Kurs extra bezah­len. Wenn wir einen Kurs ersatz­los fallen lassen, gibt’s eine Gebühr von 50 Dollar.

Noch mehr Sachen, die dich wundern?

Hea­ther: Bil­li­ger Alko­hol, jeder­zeit ver­füg­bar. In Van­cou­ver darfst du nicht öffent­lich trin­ken. Alko­hol kauft man dort in einem Spi­ri­tuo­sen­la­den. Hier kriegst du alles im Super­markt, was spon­tane Pick­nicks mög­lich macht. Ach, und Han­dy­ver­träge sind hier so billig! Ich zahle 9,95€ monat­lich. Das ist der Wahn­sinn. In Kanada zahlt man zwi­schen 60 und 70 Dollar.

Was vermisst du in Berlin?

Hea­ther: Unsere Berge, irgend­wie. Und die Leute grüßen sich hier nicht. Wenn dir in Van­cou­ver auf der Straße jemand ent­ge­gen­kommt, ist es gängig sich Guten Tag zu sagen. Es bedeu­tet nicht unbe­dingt was – ver­mut­lich sieht man die Person nie wieder – aber ich finde das schö­ner als so zu tun, als würde man sich nicht sehen.

Berlin in drei Adjektiven?

Hea­ther: Zugäng­lich, spon­tan und kantig-eigen­sin­nig. Mit zugäng­lich meine ich sowohl das jeder­zeit Ver­füg­bare, als auch die güns­ti­gen Ein­tritts­preise für Thea­ter, Kino, Club. Es gefällt mir so gut hier, was für eine leb­hafte Stadt!

Das Inter­view führte Kath­leen Sinclair.