Liebe auf Distanz

Aus­lands­se­mes­ter in Bar­ce­lona. Prak­ti­kum in der Schweiz. Der Orts­wech­sel zwi­schen Bache­lor- und Mas­ter­stu­dium: Ihr fle­xi­bles Leben drängt viele Stu­die­rende in eine Fernbeziehung.

Studenten sprechen über Fernbeziehungen (Foto: Albrecht Noack)

Schät­zungs­weise ein Vier­tel der Aka­de­mi­ker führt zumin­dest vor­über­ge­hend eine Bezie­hung auf Distanz, weiß der Paar­thera- peut Peter Wendl. Er schrieb seine Dis­ser­ta­tion über Fern­be­zie­hun­gen und forscht an der Uni­ver­si­tät Eich­stätt-Ingol­stadt zum Thema Mobi­li­tät und Part­ner­schaft. Dem Exper­ten zufolge soll­ten Paare vor allem das Posi­tive an dieser Part­ner­schafts­form sehen: Fern­be­zie­hun­gen seien ein Trai­nings­la­ger für das rich­tige Leben.

Anna gehört zu diesen 25 Pro­zent. Sie ist mitt­ler­weile seit drei Jahren mit ihrem Freund zusam­men, die Hälfte davon haben sie eine Fern­be­zie­hung geführt. Ein halbes Jahr war sie im Aus­land; nun führen die beiden seit über einem Jahr eine Fern­be­zie­hung inner­halb Deutsch­lands. Anna kennt beide Seiten: „Klar, vieles ist schwie­ri­ger gewor­den, seit wir eine Fern­be­zie­hung führen. Aber vieles auch schö­ner. Wenn wir uns sehen und besu­chen, nehmen wir uns wirk­lich Zeit für­ein­an­der. Es ist immer auf­re­gend, wenn man sich eine Weile nicht gese­hen hat.“ Doch kennt sie auch die Schat­ten­sei­ten: „Früher haben wir mehr mit Freun­den gemacht“, so Anna. „Jetzt über­le­gen wir es uns schon zwei­mal, ob wir uns an einem Wochen­ende mit ihnen tref­fen oder die Zeit nicht lieber zu zweit verbringen.“

Auch Fiona kennt dieses Ver­hal­ten. Ken­nen­ge­lernt hat sie ihren Freund Malte wäh­rend ihres Aus­lands­se­mes­ters in Mexiko, wäh­rend er eine Freun­din besuchte. Aller­dings stu­dierte Malte zu diesem Zeit­punkt in Düs­sel­dorf, Fiona eigent­lich in Kon­stanz. Eine Fern­be­zie­hung von Anfang an, die mit der Zeit sogar noch an Distanz gewann: Nach seinem Stu­dium ver­wirk­lichte Malte seinen Traum und zog nach Madrid. Eine große Umstel­lung für Fiona: „Zuerst haben wir unheim­lich viel tele­fo­niert, manch­mal bis zu drei Mal am Tag, was dank Flat­rate kos­ten­los war. Das ging nach Spa­nien natür­lich nicht mehr. Also muss­ten wir skypen, was echt nervig war: Dau­ernd knackte es in der Lei­tung, oder das Bild blieb stehen. Da wird einem erst rich­tig bewusst, wie weit weg der andere ist.“

Teilhabe am Leben des anderen trotz Distanz

Wich­tig für das Funk­tio­nie­ren von Fern­be­zie­hun­gen ist die Teil­habe am Alltag des Ande­ren. Das ist heute durch ver­schie­dene Kom­mu­ni­ka­ti­ons­me­dien mög­lich. Sowohl Anna als auch Fiona kom­mu­ni­zie­ren täg­lich mit ihren Part­nern, um so trotz der Ent­fer­nung am Leben des Part­ners betei­ligt zu sein. Welche Medien wie oft genutzt werden, hängt oft auch von der geo­gra­fi­schen Distanz ab: Inner­halb Deutsch­lands können Handy und Tele­fon spon­tan genutzt werden, inter­na­tio­nal ist die Kom­mu­ni­ka­tion ver­zö­gert. Inter­net, Face­book und Skype-Date erleich­tern zwar vieles, aber eignen sich oft nicht für spon­tane Anrufe.

Fernbeziehungen als Chance auf Selbstverwirklichung

Laut dem Paar­the­ra­peu­ten Wendl liegt in einer Fern­be­zie­hung auch eine ein­ma­lige Chance auf Selbst­stän­dig­keit und Selbst­ver­wirk­li­chung, die man posi­tiv sehen sollte. Denn beide Part­ner können sich inner­halb ihrer Zeit ohne den Part­ner auf ihr Stu­dium und ihren Job kon­zen­trie­ren oder ihre Hobbys ver­wirk­li­chen. Anna hat zum Bei­spiel für den Master noch einmal den Wohn­ort gewech­selt und wieder eine Bezie­hung auf Distanz in Kauf genom­men: „Ich könnte eine Stadt nicht danach aus­wäh­len, ob mein Freund dort ist. Es hat ja keiner etwas davon, wenn ich in eine Stadt ziehe, in der ich beruf­lich oder stu­di­en­mä­ßig nicht wei­ter­komme und unglück­lich bin. Mir war es wich­tig, mich an Unis zu bewer­ben, an die ich wirk­lich will und an denen es gute Stu­di­en­gänge gibt.“

Auch Fiona, die zwi­schen­zeit­lich zu ihrem Freund nach Madrid zog, merkte nach einer Weile, dass sie noch einmal etwas Eige­nes machen wollte. So ent­schied sie, in Berlin einen Master anzu­fan­gen. „Wir können beide sagen, dass wir genau das gemacht haben, worauf wir Lust hatten, ohne dass einer etwas für den Ande­ren auf­ge­ben musste.“

Zukunftsperspektiven mit Fernbeziehungen

Gene­rell brau­chen Fern­be­zie­hun­gen gemein­same Per­spek­ti­ven, wie etwa das Zusam­men­zie­hen in der Zukunft, sagt Wendl. Bei Fiona und Anna ist das der Fall: Fiona will irgend­wann wieder mit ihrem Freund zusam­men­zie­hen und auch Anna sieht ihre Fern­be­zie­hung wei­ter­hin opti­mis­tisch: „Trotz allem Nega­ti­vem, das eine Fern­be­zie­hung mit sich bringt, würde ich sagen, dass sich unsere Bezie­hung durch die Ent­fer­nung sogar gefes­tigt hat. Weil man ja nicht zusam­men­blei­ben würde, wenn es einem nicht trotz des ganzen Auf­wands etwas wert wäre.“ Es bleibt der beru­hi­gende Gedanke, „dass es nur ein Zustand auf Zeit ist und wir irgend­wann wieder in einer Stadt landen werden.“