Probleme auf den Tisch
Der Gang zu einem Psychologen ist nicht das Eingeständnis zur Geisteskrankheit. Der Psychologe ist einfach dafür zuständig, dass es unserer Seele besser geht. Wenn es mal schlechter läuft, bieten die Psychologischen Beratungsstellen der Universitäten Hilfe. Ein Gespräch mit Holger Walther, dem Berater an der Humboldt-Uni.
bus: Herr Walther, wozu braucht man schon einen Psychologen? Er ist doch auch nur ein Mensch.
Walther: Ja, aber ein Fachmensch. Jeder sieht wohl, wenn ein Bein gebrochen ist. Deshalb ist er aber noch lange kein Chirurg. Der Fachmensch sieht, was kaputt ist, ob die Wunde schon entzündet ist. Das Problem muss genau diagnostiziert werden, um es passend behandeln zu können. Man selbst oder ein Freund ist dafür nicht objektiv genug.
bus: Mit welchen Problemen darf ich zu Ihnen kommen?
W: Die Grundidee ist, dass sich jedes Problem negativ auf das Studieren auswirken kann. Wenn man in schlechter Verfassung ist, kann das dazu führen, dass man unmotiviert und unkonzentriert ist, oder viel lernt, aber nichts behält. Das, was einen schlecht fühlen lässt, kann man bearbeiten. Deshalb sind wir ansprechbar für alle Themen. Das können Lern- und Leistungsstörungen, Orientierungslosigkeit, Prüfungsängste, aber auch Partnerschafts- oder Selbstwertprobleme, im Grunde alle privaten Probleme sein. Viele kommen auch, weil sie eine Therapie machen wollen und nicht wissen, wohin sie sich wenden sollen.
“Niemand muss auf die Couch”
bus: Zum Psychologen geht man ja nicht sehr gern … weil man fürchtet, er erkennt, dass man verrückt ist? Warum hat man solche Scheu, wenn es um die Seele geht?
W: Die meisten kommen aber doch, wenn die Auswirkungen ihrer Probleme größere Kreise ziehen, sie beispielsweise eine Hausarbeit einfach nicht zu Ende schreiben können. Oft erzählen sie mir dann, dass sie meine Nummer schon ewig mit sich herumtragen.
bus: Ich traue mich also irgendwann, zu Ihnen zu kommen. Was machen Sie dann mit mir? Muss ich auf die Couch?
W: Nein, niemand muss auf die Couch. Wir sitzen hier einfach ganz normal miteinander. Ich lasse mir genau schildern, was der Student erlebt, wenn er zum Beispiel glaubt, Prüfungsangst zu haben. Daraufhin stelle ich fest, was das eigentliche Problem ist, was die Person braucht. Vielen hilft schon allein die Tatsache, überhaupt darüber gesprochen zu haben. Sie sehen ihre Situation unter einem anderen Licht und bekommen Ideen, die sie umsetzen können.
bus: Ein Beispiel?
W: Ein Student ist unmotiviert und kann nicht lernen. Er erzählt mir, dass er in einem Massenstudiengang ist, in dem man sehr viel allein und theoretisch arbeiten muss. Dann finden wir heraus, dass er ein sozialer und praktischer Typ ist. Das Studium passt also überhaupt nicht zu seiner Persönlichkeit. Seine Psyche rebelliert. Das heißt nicht, dass er aufhören muss. Ihm wird aber klar, dass er versuchen muss, seiner Persönlichkeit entgegen zu kommen, indem er zum Beispiel in Arbeitsgruppen lernt oder wenigstens im Privatleben seine sozialen Bedürfnisse voll befriedigt und sich viel mit Freunden trifft.
bus: Und was, wenn diese Ideen noch nicht helfen?
W: Falls weitere Hilfe nötig ist, kann ich an einen geeigneten Therapeuten vermitteln, wenn der Student das will. Ansonsten kann er, beispielsweise bei Prüfungs- oder Redeangst, Organisationsproblemen oder Schreibblockaden, an einer unserer Gruppen teilnehmen.
“Der Mensch ist keine Maschine”
bus: Geben Sie doch mal ein paar Tipps, wie man sein Studium möglichst schnell beenden kann.
W: Es muss nicht immer schnell sein. Viele Studenten arbeiten nebenbei. Man kann nicht von sich erwarten, dass man neben dem Job normal wie andere studieren kann, die diese Mehrbelastung nicht haben. Dann dauert das Studium eben länger. Die Rechnung ist einfach: Jeden Morgen hat man 100 Prozent Arbeitskraft zur Verfügung. Die muss man sich einteilen. Körper und Geist können nur sechs bis acht Stunden am Tag konzentriert arbeiten. Danach ist das Gehirn fertig, Freizeit ist angesagt. Ohne schlechtes Gewissen. Viele nehmen sich zuviel vor, und belasten sich, zum Beispiel in Prüfungszeiten, mit mehr Arbeit auf Kosten der Freizeit. Dabei ist es gerade in Stressphasen wichtig, für Ausgleich zu sorgen. Es ist gut, wenn man zielstrebig ist, aber man darf nicht vergessen, dass man ein Mensch, und keine Maschine ist.
Psychologische Beratungen an den Unis: