Engagement gegen Alltagsbelästigung

HollaBack! macht darauf aufmerksam, dass Frauen in der Öffentlichkeit belästigt werden. © HollaBack!

Es wird Sommer und mit den Tem­pe­ra­tu­ren klet­tern die Rock­säume nach oben. Unschöne Begleit­erschei­nung: Pfiffe, Rufe und Kom­men­tare. Was kann man dage­gen tun? Julia Pfann­schmidt (30) macht gerade ihren Master in Kunst­wis­sen­schaft und ‑tech­no­lo­gie an der TU Berlin und enga­giert sich bei der Initia­tive HollaBack!Berlin, die das Pro­blem angeht.

Wie bist du darauf gekommen, bei Holla-Back! mitzumachen?

Julia: Die Akti­vi­tä­ten von HollaBack!Berlin ver­folge ich schon seit der Grün­dung im Jahr 2011 und bin seit Ende 2013 aktiv dabei. Ich fand es toll, dass die Initia­tive arti­ku­liert, was mich in der Stadt auf­regt. »End­lich spricht es jemand aus!«, dachte ich. Das kann doch nicht sein, dass all­täg­li­che Beläs­ti­gung von Frauen auf der Straße Nor­ma­li­tät ist!

Also macht HollaBack! darauf aufmerksam, dass Frauen in der Öffentlichkeit belästigt werden?

Julia: Genau, Hol­la­Back! möchte das Phä­no­men Street Harass­ment, also die Beläs­ti­gung von Frauen im öffent­li­chen Raum, benen­nen und den Betrof­fe­nen zeigen, dass sie nicht allein sind. Wir möch­ten sicht­bar machen, wie Men­schen tag­täg­lich sexu­ell, auch homo­phob oder ras­sis­tisch dis­kri­mi­niert werden. Außer­dem wollen wir die Betrof­fe­nen empowern, das heißt sie stärken.

Wie arbeitet ihr konkret gegen Street Harassment?

Julia: Auf unse­rer Web­site können Betrof­fene ihre Geschich­ten teilen und öffent­lich machen, wenn sie beläs­tigt wurden. Außer­dem sind wir in diesem Jahr wieder mit einer Aus­stel­lung beim Kunst­fes­ti­val »48 Stun­den Neu­kölln« ver­tre­ten. Unter dem Motto »Own Your Body« werden Pla­kate der Künst­le­rin Carol Ros­setti zu sehen sein, die sich kri­tisch mit Kör­per­nor­men und Schön­heits­idea­len aus­ein­an­der­set­zen. Gerade durch Street Harass­ment soll uns dik­tiert werden, wie wir unse­ren Körper in der Öffent­lich­keit präsentieren.

Was sind denn mögliche Ursachen von Street Harassment?

Julia: Es geht dabei immer um Macht­aus­übung. Und natür­lich ist es in dem Zusam­men­hang auch das Ergeb­nis einer patri­ar­cha­len Kultur.

Nehmen es deshalb vielleicht viele Betroffene auf die leichte Schulter und versuchen, unangenehme Äußerungen einfach zu ignorieren und sich nicht zu wehren?

Julia: Viele Frauen finden sich damit ab, dass das pas­siert. Der erste Schritt wäre, sich über Struk­tu­ren der Gesell­schaft bewusst zu werden, die das mög­lich machen. Des­halb ver­su­chen wir, mit vielen ins Gespräch zu kommen und für das Thema zu sensibilisieren.

Und wie können sich Betroffene wehren, wenn sie in einer Belästigungs-Situation sind?

Julia: Dafür gibt es kein Pau­schal­re­zept! Ich denke, jeder muss nach dem eige­nen Wohl­be­fin­den han­deln und aus der Situa­tion für sich selbst heraus ent­schei­den, was er tut. Es ist toll, wenn die betrof­fene Person dann Kontra gibt und sich wehrt, aber das kann auch gefähr­lich sein. Sicher­heit geht immer vor. Das Min­deste ist aber, die Geschichte einer unan­ge­neh­men Erfah­rung zu teilen.

Wie kann ich denn helfen, wenn ich zufällig Zeuge werde, wie eine andere Person auf der Straße oder in der Bahn belästigt wird?

Julia: Dafür gibt es den Begriff der »bystan­ders«, also der Beob­ach­ter. Ent­we­der kann man auf die betrof­fene Person zuge­hen, fragen, ob alles in Ord­nung ist und zeigen, dass sie in der Situa­tion nicht allein dasteht. Oder man kann sich an die Person wenden, die eine andere beläs­tigt und signa­li­sie­ren: »Das ist nicht ok, was du da tust.«. Den Mut muss man erst einmal auf­brin­gen! Viele haben Angst ein­zu­grei­fen oder denken: »Das geht mich nichts an.«

Viele Männer wollen den Frauen, die sie auf der Straße ansprechen, »nur ein Kompliment machen«, merken aber oft nicht, dass das für Frauen unangenehm ist. Was können sie tun, um nicht »aus Versehen« eine Frau zu belästigen?

Julia: Für ein echtes Kom­pli­ment zählt für mich die respekt­volle Art der Äuße­rung. Tier­ge­räu­sche oder blöde Sprü­che sind ernied­ri­gend. Viele Männer finden das Thema und unsere Arbeit gut, fragen sich aber, wie sie sich ver­hal­ten sollen. Da können wir keinen all­ge­mei­nen Rat­schlag geben. Aber Ver­un­si­che­rung kann der erste Schritt einer Aus­ein­an­der­set­zung mit dem Thema sein. Der nächste wäre dann, einen respekt­vol­len Umgang zu finden.

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