Das beste Magazin Deutschlands

Uni-Studie mal anders

Das FILTER-Team v.l.: Prof. Andine Müller, Till Theissen, Prof. Dr. Lorenz Pöllmann und Timo Wolters - Foto: Kamila Zych

Man nehme eine Hand­voll Stu­die­rende, zwei Dozen­ten und ein Ziel, das beste Maga­zin Deutsch­lands zu kre­ieren. Dieser Auf­gabe hat sich eine fünf­köp­fige For­scher­gruppe an der HMKW, Hoch­schule für Medien, Kom­mu­ni­ka­tion und Wirt­schaft in Berlin gestellt. Heraus gekom­men ist DER FILTER, eine ange­wandte Studie der 18 erfolg­reichs­ten, deut­schen Zeit­schrif­ten in Form eines Magazins.

Ange­fan­gen hat alles im Sep­tem­ber 2014 wäh­rend des Kon­gres­ses The Society for News Design in Frank­furt, auf dem eine Gruppe von HMKW-Stu­die­ren­den vor Ort eine Zei­tung ohne Bilder und einen Blog ohne Text pro­du­zierte. DER FILTER #1 war gebo­ren. Das Pro­jekt war neben viel Arbeit, Spaß und Schweiß am Ende sehr erfolg­reich, so dass klar war: Ein zwei­ter FILTER muss her. Ein Jahr später sollte unter der Lei­tung von Prof. Andine Müller, Dozen­tin für Gra­fik­de­sign und Visu­elle Kom­mu­ni­ka­tion und Prof. Dr. Lorenz Pöll­mann, Dozent für Medien- und Event­ma­nage­ment, “das beste Maga­zin Deutsch­lands” ent­ste­hen. “Das Tolle an dieser sehr ambi­tio­nier­ten Ziel­set­zung war, sich mit der Frage aus­ein­an­der­zu­set­zen wie der Pro­zess aus­se­hen kann, Kri­te­rien und Metho­den zu ent­wi­ckeln, um das beste Maga­zin Deutsch­lands erstel­len zu können«, erklärt Pöll­mann, “Dann kamen wir auf die Idee, die erfolg­reichs­ten Maga­zine zu ana­ly­sie­ren und mit­hilfe der Ergeb­nisse ein neues Maga­zin zu bauen.”

Rechts: Der aktuelle FILTER, mehr Infos unter www.der-filter.info, Links: Der erste FILTER ist eine Zeitung ohne Bilder. Den dazugehörigen Blog findet man unter: www.derfilter-blog.de

Links: Der aktu­elle FILTER ist eine ange­wandte Studie in Form eines Maga­zins. Unter www.der-filter.info kann man sich die PDF her­un­ter­la­den. Rechts: Der erste FILTER ist eine Zei­tung ohne Bilder. Den dazu­ge­hö­ri­gen Blog findet man unter: www.derfilter-blog.de — Fotos: DER FILTER

Theo­rie und Praxis in einem
Gesagt, getan. Ein Kurs des Stu­di­en­gangs Gra­fik­de­sign und Visu­elle Kom­mu­ni­ka­tion ana­ly­sierte im Semi­nar die 18 erfolg­reichs­ten Maga­zine Deutsch­lands – vom Spie­gel, über Bild der Frau, bis hin zur Land­lust – unter Aspek­ten wie Auf­la­gen­stärke, Ver­kaufs­zah­len und Erschei­nungs­weise. Und nicht nur das: Die Maga­zine wurden auch auf ihre The­men­wahl, das Ver­hält­nis von Bild und Text sowie den Anteil an Wer­be­an­zei­gen, Schrift­größe und vieles mehr unter­sucht – alles mal 18. Anhand der aus­ge­wer­te­ten Infor­ma­tio­nen wurde eine Dra­ma­tur­gie­kurve ermit­telt, an wel­cher sich die gesamte Gestal­tung des Maga­zins ori­en­tiert hat. “Die Ana­ly­sen als Puzzle zusam­men­zu­set­zen, dass daraus ein Maga­zin werden kann, war schon kniff­lig”, gibt Pöll­mann zu, “Einer­seits hatte man immer eine Kon­troll­in­stanz als Hilfe, ande­rer­seits eine Ein­schrän­kung, weil wir weni­ger frei aus dem Bauch ent­schei­den konn­ten.” Zum Schluss ent­schied sich das Team für zwei Erzähl­ebe­nen: “Wir haben das ganze Heft auf der ersten Ebene redak­tio­nell bespielt und die wis­sen­schaft­li­che Ebene, mit unse­ren Erkennt­nis­sen aus unse­ren Ana­ly­sen oben drüber gelegt. Visu­ell ist das ganz klar zu erken­nen, die fla­mingo­far­be­nen Kästen im Heft bilden die Ebene mit den gewon­ne­nen Erkennt­nis­sen”, erzählt Müller. Das Maga­zin kann also auf zwei Arten gele­sen werden, auf die jour­na­lis­ti­sche: Die Arti­kel, die the­ma­tisch den ana­ly­sier­ten The­men­be­rei­chen ent­spre­chen oder auf die wis­sen­schaft­li­che: Die Info­käs­ten mit den dazu­ge­hö­ri­gen Stu­di­en­ergeb­nis­sen. “Ergeb­nisse einer Studie direkt ange­wandt in einem Pro­dukt dar­zu­stel­len, ist eine neue Form, die sich an brei­tere Ziel­grup­pen rich­tet, als die klas­si­sche For­schung, die eher in wis­sen­schaft­li­chen Jour­nals publi­ziert wird. Wis­sen­schaft näher zu brin­gen und erfahr­bar zu machen – auch zu unter­hal­ten, reizt uns an dem Pro­jekt”, sagt Müller.

“Wis­sen­schaft näher zu brin­gen und erfahr­bar zu machen – auch zu unter­hal­ten, reizt uns an dem Projekt”

Die drei Stu­die­ren­den im For­scher­team sind Till Theis­sen und Timo Wol­ters, zwei Stu­die­rende der visu­el­len Kom­mu­ni­ka­tion und Char­lotte Marxen, eine Stu­die­rende aus dem Stu­di­en­gang Journalismus/Unternehmenskommunikation. “Ein 84-sei­ti­ges Maga­zin her­zu­stel­len, hat sich erst­mal ent­spannt ange­hört, nach und nach haben wir aber ver­stan­den, was es bedeu­tet 42 Dop­pel­sei­ten zu lay­ou­ten”, erin­nert sich Till. Die Ana­ly­sen erwie­sen sich als Unter­stüt­zung: “Wir muss­ten nicht alles neu ent­wi­ckeln, die Schrift­größe, die Schrift­art, die Spal­tig­keit im Raster haben wir errech­net. Die Ana­ly­sen haben uns vor­ge­ge­ben, wie das Heft auf­ge­baut ist”, so Timo. Das eigent­li­che Pro­blem lag woan­ders: “Auf 84 Seiten eige­nen Con­tent zu erar­bei­ten hat nicht nur unse­ren Zeit­rah­men gesprengt. Unser ganzes Budget war für den Druck gedacht, kein Bild­bud­get und keins für Autoren”, verrät Till. So wurden aus Kom­mi­li­to­nen, Kol­le­gen, Freun­den und Ver­wand­ten kur­zer­hand Models, Illus­tra­to­ren oder Autoren.

Für das Layout haben sich die Grafiker von den Gewinnern der LEAD-AWARDS 2015 inspirieren lassen. Dadurch entstanden z.B. die flamingofarbenen Infokästen und die Text-auf-Text-Überlagerungen. - Foto: DER FILTERS

Für das Layout haben sich die Gra­fi­ker von den Gewin­nern der LEAD-AWARDS 2015 inspi­rie­ren lassen. Dadurch ent­stan­den z.B. die fla­mingo­far­be­nen Info­käs­ten und die Text-auf-Text-Über­la­ge­run­gen. — Foto: DER FILTER

360 Tage aktuell
Ein Thema, wel­ches im FILTER beson­ders im Fokus steht, ist der Kli­ma­wan­del. Dort, wo nor­ma­ler­weise Wer­be­an­zei­gen abge­druckt wären, befin­den sich unscharf mas­kierte Anzei­gen­mo­tive, auf denen grün umran­dete Kästen stehen, die den CO2-Aus­stoß des jeweils bewor­be­nen Pro­dukts erläu­tern. Nicht ohne Grund schwitzt das Model also auf dem Cover. “Wir wuss­ten, dass das Heft das ganze Jahr über ver­teilt wird. Wenn zu viele ter­min­be­zo­gene Themen das Heft bestimmt hätten, hätte das nicht funk­tio­niert”, begrün­det Müller. So schien sich der Kli­ma­wan­del als all­ge­gen­wär­ti­ges Thema gut zu eignen. Pas­send dazu erschien DER FILTER letz­tes Jahr kurz vor der Kli­ma­kon­fe­renz in Paris. “Es wären bestimmt andere Themen mög­lich gewe­sen. Wir haben viele Themen dis­ku­tiert und abge­wo­gen. Die Flücht­lings­the­ma­tik wird z. B. nur in einem kür­ze­ren Thema auf der Meta­ebene behan­delt. Wir haben uns bewusst gegen eine berich­tende Art ent­schie­den, die Geschich­ten zu erzäh­len”, so Pöllmann.
Ob DER FILTER letz­ten Endes wirk­lich das beste Maga­zin Deutsch­lands gewor­den ist, davon soll sich der Leser selbst über­zeu­gen. Klar ist, dass ein gutes Maga­zin immer von vielen Aspek­ten abhän­gig ist und auch eine Ziel­gruppe über “das beste” für sie selbst ent­schei­det. “Die immens hohen Ver­kaufs­zah­len der Klatsch-Tratsch-Zeit­schrif­ten, wo es um Adels­ge­schich­ten geht, haben uns mehr als über­rascht”, stellt Timo fest.
Mitt­ler­weile hat sich DER FILTER zu einem jähr­li­chen, inter­dis­zi­pli­nä­ren, außer­cur­ri­cu­la­ren Stu­di­en­pro­jekt eta­bliert, bei wel­chem eine Publi­ka­tion erscheint, “die sich in jeder Aus­gabe auf eine neue Art mit Medien beschäf­tigt.”, so erläu­tert im Edi­to­rial. Fest steht also, auch in diesem Jahr wird es einen FILTER geben. Wie dieser jedoch aus­se­hen wird, darauf dürfen wir gespannt sein.