Das beste Magazin Deutschlands
Uni-Studie mal anders
Man nehme eine Handvoll Studierende, zwei Dozenten und ein Ziel, das beste Magazin Deutschlands zu kreieren. Dieser Aufgabe hat sich eine fünfköpfige Forschergruppe an der HMKW, Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft in Berlin gestellt. Heraus gekommen ist DER FILTER, eine angewandte Studie der 18 erfolgreichsten, deutschen Zeitschriften in Form eines Magazins.
Angefangen hat alles im September 2014 während des Kongresses The Society for News Design in Frankfurt, auf dem eine Gruppe von HMKW-Studierenden vor Ort eine Zeitung ohne Bilder und einen Blog ohne Text produzierte. DER FILTER #1 war geboren. Das Projekt war neben viel Arbeit, Spaß und Schweiß am Ende sehr erfolgreich, so dass klar war: Ein zweiter FILTER muss her. Ein Jahr später sollte unter der Leitung von Prof. Andine Müller, Dozentin für Grafikdesign und Visuelle Kommunikation und Prof. Dr. Lorenz Pöllmann, Dozent für Medien- und Eventmanagement, “das beste Magazin Deutschlands” entstehen. “Das Tolle an dieser sehr ambitionierten Zielsetzung war, sich mit der Frage auseinanderzusetzen wie der Prozess aussehen kann, Kriterien und Methoden zu entwickeln, um das beste Magazin Deutschlands erstellen zu können«, erklärt Pöllmann, “Dann kamen wir auf die Idee, die erfolgreichsten Magazine zu analysieren und mithilfe der Ergebnisse ein neues Magazin zu bauen.”
Theorie und Praxis in einem
Gesagt, getan. Ein Kurs des Studiengangs Grafikdesign und Visuelle Kommunikation analysierte im Seminar die 18 erfolgreichsten Magazine Deutschlands – vom Spiegel, über Bild der Frau, bis hin zur Landlust – unter Aspekten wie Auflagenstärke, Verkaufszahlen und Erscheinungsweise. Und nicht nur das: Die Magazine wurden auch auf ihre Themenwahl, das Verhältnis von Bild und Text sowie den Anteil an Werbeanzeigen, Schriftgröße und vieles mehr untersucht – alles mal 18. Anhand der ausgewerteten Informationen wurde eine Dramaturgiekurve ermittelt, an welcher sich die gesamte Gestaltung des Magazins orientiert hat. “Die Analysen als Puzzle zusammenzusetzen, dass daraus ein Magazin werden kann, war schon knifflig”, gibt Pöllmann zu, “Einerseits hatte man immer eine Kontrollinstanz als Hilfe, andererseits eine Einschränkung, weil wir weniger frei aus dem Bauch entscheiden konnten.” Zum Schluss entschied sich das Team für zwei Erzählebenen: “Wir haben das ganze Heft auf der ersten Ebene redaktionell bespielt und die wissenschaftliche Ebene, mit unseren Erkenntnissen aus unseren Analysen oben drüber gelegt. Visuell ist das ganz klar zu erkennen, die flamingofarbenen Kästen im Heft bilden die Ebene mit den gewonnenen Erkenntnissen”, erzählt Müller. Das Magazin kann also auf zwei Arten gelesen werden, auf die journalistische: Die Artikel, die thematisch den analysierten Themenbereichen entsprechen oder auf die wissenschaftliche: Die Infokästen mit den dazugehörigen Studienergebnissen. “Ergebnisse einer Studie direkt angewandt in einem Produkt darzustellen, ist eine neue Form, die sich an breitere Zielgruppen richtet, als die klassische Forschung, die eher in wissenschaftlichen Journals publiziert wird. Wissenschaft näher zu bringen und erfahrbar zu machen – auch zu unterhalten, reizt uns an dem Projekt”, sagt Müller.
“Wissenschaft näher zu bringen und erfahrbar zu machen – auch zu unterhalten, reizt uns an dem Projekt”
Die drei Studierenden im Forscherteam sind Till Theissen und Timo Wolters, zwei Studierende der visuellen Kommunikation und Charlotte Marxen, eine Studierende aus dem Studiengang Journalismus/Unternehmenskommunikation. “Ein 84-seitiges Magazin herzustellen, hat sich erstmal entspannt angehört, nach und nach haben wir aber verstanden, was es bedeutet 42 Doppelseiten zu layouten”, erinnert sich Till. Die Analysen erwiesen sich als Unterstützung: “Wir mussten nicht alles neu entwickeln, die Schriftgröße, die Schriftart, die Spaltigkeit im Raster haben wir errechnet. Die Analysen haben uns vorgegeben, wie das Heft aufgebaut ist”, so Timo. Das eigentliche Problem lag woanders: “Auf 84 Seiten eigenen Content zu erarbeiten hat nicht nur unseren Zeitrahmen gesprengt. Unser ganzes Budget war für den Druck gedacht, kein Bildbudget und keins für Autoren”, verrät Till. So wurden aus Kommilitonen, Kollegen, Freunden und Verwandten kurzerhand Models, Illustratoren oder Autoren.
360 Tage aktuell
Ein Thema, welches im FILTER besonders im Fokus steht, ist der Klimawandel. Dort, wo normalerweise Werbeanzeigen abgedruckt wären, befinden sich unscharf maskierte Anzeigenmotive, auf denen grün umrandete Kästen stehen, die den CO2-Ausstoß des jeweils beworbenen Produkts erläutern. Nicht ohne Grund schwitzt das Model also auf dem Cover. “Wir wussten, dass das Heft das ganze Jahr über verteilt wird. Wenn zu viele terminbezogene Themen das Heft bestimmt hätten, hätte das nicht funktioniert”, begründet Müller. So schien sich der Klimawandel als allgegenwärtiges Thema gut zu eignen. Passend dazu erschien DER FILTER letztes Jahr kurz vor der Klimakonferenz in Paris. “Es wären bestimmt andere Themen möglich gewesen. Wir haben viele Themen diskutiert und abgewogen. Die Flüchtlingsthematik wird z. B. nur in einem kürzeren Thema auf der Metaebene behandelt. Wir haben uns bewusst gegen eine berichtende Art entschieden, die Geschichten zu erzählen”, so Pöllmann.
Ob DER FILTER letzten Endes wirklich das beste Magazin Deutschlands geworden ist, davon soll sich der Leser selbst überzeugen. Klar ist, dass ein gutes Magazin immer von vielen Aspekten abhängig ist und auch eine Zielgruppe über “das beste” für sie selbst entscheidet. “Die immens hohen Verkaufszahlen der Klatsch-Tratsch-Zeitschriften, wo es um Adelsgeschichten geht, haben uns mehr als überrascht”, stellt Timo fest.
Mittlerweile hat sich DER FILTER zu einem jährlichen, interdisziplinären, außercurricularen Studienprojekt etabliert, bei welchem eine Publikation erscheint, “die sich in jeder Ausgabe auf eine neue Art mit Medien beschäftigt.”, so erläutert im Editorial. Fest steht also, auch in diesem Jahr wird es einen FILTER geben. Wie dieser jedoch aussehen wird, darauf dürfen wir gespannt sein.