Das Praktikum als Selbsterfahrung
Als Student der Literaturwissenschaften ist man zwar nicht verpflichtet Praktika zu absolvieren – jedenfalls wenn man noch zur aussterbenden Rasse der Magisterstudenten gehört – aber genötigt wird man dazu doch.
Der Herr bei der Studieneinführung sagte gleich bei meinem ersten Besuch am Studienanfang: „Sie müssen heutzutage nicht nur möglichst schnell fertig werden, um konkurrenzfähig zu sein. Sie müssen Kontakte knüpfen und sich ihren eigenen Arbeitsplatz schon während des Studiums selbst schaffen – machen sie möglichst viele Praktika!” Da lernt man dann nämlich angeblich die eigentlich wichtigen Dinge. Dinge, die man dann später tatsächlich auch gebrauchen kann.
Ich machte mich also auf zur Praktikumsbörse meiner Universität, ich würde gern zu einer Zeitung, sage ich. Ja, antwortet man mir, für nächstes Jahr im Herbst könntest Du Dich noch bewerben, bis dahin ist alles schon voll bei unseren Partnern. Aber wie wäre es denn mit Pressearbeit in einem Verlag, bei denen ist noch was für diesen Sommer frei. Ich bewerbe mich also, werde tatsächlich genommen und beginne hoffnungsfroh mein Praktikum. Hier soll ich jetzt also fern von allen abgehobenen, akademischen Arbeiten, Dinge lernen, die man später tatsächlich mal gebrauchen kann.
Um es gleich vorwegzunehmen: Ich habe dort eine Menge gelernt, aber nichts davon werde ich später mal gebrauchen können.
Es sei denn die Dinge, die ich über mich selbst gelernt habe, wie zum Beispiel, dass ich ein Teamspieler bin und nicht gern alleine arbeite und noch so einiges mehr. Oder auch Dinge über das Berufsleben allgemein: Rein rechnerisch gesehen arbeite ich im Uni-Alltag
mehr als im Praktikum, da sitze ich meine 40 Stunden ab und dann ist gut, sonst komme ich ungefähr auf 50 Stunden in der Woche, das Wochenende mitgerechnet. Und doch, während des Semesters bleibt durchaus noch Zeit für andere Dinge, im Berufsleben nicht. Arbeitszeiten sind von 9:30 bis 18 Uhr, es kommt erschwerend hinzu, dass ich durch die halbe Stadt fahren muss und so ist der Tag insgesamt futsch. Den ganzen Tag im Büro, sein ganzes Leben immer in das gleiche. Wie furchtbar. Ich beginne mich an die Uni zurückzusehnen.
Auch andere Fähigkeiten werden trainiert: immer freundlich bleiben, wenn alle auf einmal etwas von mir wollen, nicht gegen den Kopierer treten der alle zehn Seiten an fünf Stellen gleichzeitig Papierstau hat …
Gelernt habe ich also doch einiges, die Zeit war nicht verschwendet und das Zeugnis wird auch gut im Lebenslauf aussehen, doch zunächst beschließe ich nicht dem Herrn bei der Studieneinführung zu folgen, sondern mich nach dem Rat des Menschen in der Beratungsstelle zu richten: „Werden Sie bloß nicht zu schnell fertig mit dem Studium, Arbeit kriegen sie so oder so nicht.”
Na wenn das so ist.