Ist Studieren ohne Drogen möglich?

Stu­die­ren ohne Drogen? 

Wenn dann end­lich, end­lich diese Prü­fung und der ganze Stress vorbei sind, muss aber ordent­lich gefei­ert werden! Knei­pen­tour mit dem ganzen Semes­ter und keiner kneift! Außer Anna viel­leicht, die lernt wahr­schein­lich wieder die ganze Nacht durch, weil sie zwei Semes­ter über­sprin­gen will. Auch wenn sie Mega-Druck von ihren Eltern bekommt – normal ist das nicht. Naja, selber schuld.

Erst mal nach Hause vor dem Party-Mara­thon heut abend. Ob mein Mit­be­woh­ner wohl gerade wieder was zu rau­chen da hat? Viel­leicht lasse ich mich ja breit­schla­gen mit­zu­paf­fen, wenn er einen baut. Ist ja immer­hin bald Wochen­ende. Die Vor­le­sun­gen morgen schenke ich mir, da läuft eh nichts mehr. So stark ist kein Aspi­rin der Welt, dass ich mich noch dort­hin­quäle. Da bleibe ich lieber im Bett und zieh mir ein biss­chen TV rein. Das hab ich mir mal verdient…

Betrof­fen­heits­ver­mei­dung

Stu­dium und Drogen, Drogen und Stu­dium. Was sich doch laut unse­ren Eltern, Dozen­ten und Poli­ti­kern aus­schlie­ßen sollte, lässt sich in Wirk­lich­keit kaum mehr tren­nen. Oder jeden­falls nur schwer. Ganz jen­seits aller Kli­schees vom dau­er­be­kiff­ten Sozi­al­wis­sen­schaft­ler oder Kokain schnie­fen­den Jura- und BWL-Kar­rie­ris­ten sind Drogen und Sucht­ver­hal­ten ein All­tags­thema an den Hoch­schu­len. Wer sich an dieser Stelle empört und auf­schreit „Was? Bei mir aber nicht!”, denkt beim Thema Sucht wahr­schein­lich nur an Fixer­stu­ben und Dro­gen­tote. Das Thema „Drogen” beschränkt sich bei weitem nicht auf ille­gale Sub­stan­zen. Bis­wei­len kann das Stu­dium sogar selbst zur Droge werden, wenn es etwa vom Erfolgs­süch­ti­gen zum allei­ni­gen Lebens-inhalt erko­ren wird oder sich ein Dau­er­stu­dent darin vor der Wirk­lich­keit versteckt.

Das mar­kan­teste Kenn­zei­chen einer Dro­gen­sucht ist oft, dass der Betrof­fene selbst als letz­ter von sich sagen würde, er sei betrof­fen. Nach dem Motto: „Klar, ich trinke am Wochenende.

Foto: Albrecht Noack

Das macht mich doch nicht zum Säufer. Aber der da kifft jede Woche – das ist ein Kiffer!” Oder: „Ich lerne die Nächte durch, des­halb bin ich nicht gleich lern­be­ses­sen. Aber der da feiert die Nächte durch – der ist par­ty­süch­tig!” Nach Defi­ni­tion der Welt­ge­sund­heits­or­ga­ni­sa­tion (WHO) bezeich­net eine Sucht das unab­weis­bare Ver­lan­gen nach einem bestimm­ten Erleb­nis­zu­stand, dem die Kräfte des Ver­stan­des unter­ge­ord­net sind, das die freie Ent­fal­tung einer Per­sön­lich­keit beein­träch­tigt und soziale Bin­dun­gen zer­stört. Das trifft sowohl auf den kampf­trin­ken­den Vor­le­sungs­schwän­zer als auch auf den ver­ein­sam­ten Bücher­wurm zu. Manch einer flüch­tet sich in ein 16. und 17. Semes­ter wie andere in den Alko­hol – beide ver­su­chen auf ihre Art, der Rea­li­tät zu entkommen.

Die Frage ist nur: Inwie­weit scha­den Drogen, ganz egal wel­cher Art, dem Stu­dium und inwie­weit gehö­ren sie viel­leicht dazu? Gezielte Bera­tungs­an­ge­bote findet man bisher nur ver­ein­zelt an Hoch­schu­len. Dafür viele Kaffee-Automaten.

Lebens­er­war­tung

Fakt ist: Das Stu­dium kon­fron­tiert die meis­ten zum ersten Mal mit der ganzen Band­breite des Lebens – und Niko­tin, Alko­hol, Kof­fein, THC, Erfolgs­druck, selbst­zer­fres­sen­der Ehr­geiz und andere Sucht­po­ten­ziale sind ein Teil davon, ob man es wahr­ha­ben will oder nicht. Zu keiner ande­ren Zeit des Lebens bestehen solche Frei­hei­ten, sich selbst in alle erdenk­li­chen Rich­tun­gen aus­zu­pro­bie­ren, sich Mei­nun­gen zu bilden, eigene Posi­tio­nen und Stand­punkte zu finden. Die Frage sollte des­halb viel­leicht nicht unbe­dingt „Ist Stu­die­ren ohne Drogen mög­lich?” heißen, son­dern viel­leicht eher: Wie stehe ich dazu? Was ist gut für mich, was schlecht? Was erwarte ich von mir und meinem Leben? Wie viel unab­weis­ba­res Ver­lan­gen steckt auch in mir?

Drogen sind ein ernst­zu­neh­men­des Pro­blem, doch gerade Stu­den­ten sollte man zutrauen, dieses Pro­blem mit der ent­spre­chen­den Ernst­haf­tig­keit kri­tisch zu betrach­ten. Denn schließ­lich sind wir die­je­ni­gen, die einmal dar­über ent­schei­den werden, was legal ist und was nicht, was gesell­schaft­lich akzep­ta­bel ist und was nicht. Man muss nicht alles selbst pro­bie­ren, um dar­über zu urtei­len, doch man sollte vor allem eines tun: Sich selbst und seine „Sucht­ge­wohn­hei­ten” kri­tisch hinterfragen.