Tibet: Neujahr beim Dalai Lama

Als ich in den Bus von Himachal Tou­rism in Delhi am Bus­bahn­hof ein­steige, sehe ich schon die ersten Mönche in ihren dun­kel­ro­ten Roben. Man erklärt mir später, in Tibet sei das tra­di­tio­nelle Orange der bud­dhis­ti­schen Mönchs­ro­ben in eine dunk­lere Farbe umge­wan­delt worden, da das Land kalt ist, und ein dunk­ler Farb­ton mehr Son­nen­licht absor­biert und somit die Men­schen warm hält.

Die Fahrt beginnt, sie wird zwölf Stun­den dauern und am nächs­ten Morgen werden wir unser Ziel „Little Lhasa“, die der­zei­tige Resi­denz des Dalai Lama, ein Ort mit Namen Dha­ram­sala im indi­schen Hima­laya-Gebirge erreichen. 

In Indien gibt es etwa 85.000 tibe­ti­sche Flücht­linge, die ab 1959, nach der kom­mu­nis­ti­schen Inva­sion durch die Chi­ne­sen zusam­men mit ihrem reli­giö­sen und welt­li­chen Ober­haupt, dem Dalai Lama, ins Exil kamen. Tibet wurde als zu China zuge­hö­rig pro­kla­miert, als Auto­nome Region Tibet (TAR) bezeich­net und die natio­nale Unab­hän­gig­keit des Landes auf­ge­ho­ben. Neben mir im Lie­ge­sitz schläft ein dicker Inder, ein Geschäfts­mann, wie er sagte, der immer auf mich rauf­zu­kip­pen droht. Aber ich störe mich nicht zu sehr daran. Ich bin auf­ge­regt, die tibe­ti­sche Gemein­schaft im Exil und die Mit­glie­der der Men­schen­rechts­or­ga­ni­sa­tion, dem Tibe­tan Centre for Human Rights and Demo­cracy (TCHRD), mit denen ich seit Mona­ten in Kon­takt stehe, end­lich zu treffen. 

Einen Tag nach meiner Ankunft wird das tibe­ti­sche Neu­jahrs­fest „Losar“ sein. Man hat mir gesagt, es fänden über­all Fei­er­lich­kei­ten statt. So ist es dann auch. Ich fahre ins Büro und stelle fest, dass es zwar schön geschmückt ist, aber nie­mand heute arbei­tet. Ich werde in den all­ge­mei­nen Trubel mit hin­ein­ge­ris­sen. Am Neu­jahrs­tag gehe ich in den Tempel und betrachte die rie­sen­gro­ßen Bud­dha­bil­der. Dann fangen die Tea­chings des Dalai Lama an, und ich bin dabei. Zwi­schen­durch treffe ich meinen Direk­tor und meine Kol­le­gen im Büro, die mich wieder weg­schi­cken. Sie sagen, ich solle lieber den Dalai Lama sehen, denn es sei ein beson­de­res Geschenk, diese Mög­lich­keit in seinem Leben zu bekom­men und ihre Kultur kennenzulernen. 

Danach beginnt das tibe­ti­sche Opern­fest im Tibe­tan Insti­tute for Per­forming Arts. Wilde Yaks und Männer und Frauen mit langen Haaren und Filz­stie­feln führen wun­der­bar geheim­nis­volle Tänze auf. Ich sehe den Dalai Lama und Betty Wil­liams, die zusam­men beim Peace­Jam mit den tibe­ti­schen Kin­dern der Tibe­tan Child­rens Vil­lage- Schools spre­chen. Ich bin beein­druckt von so viel Sinn für Gewalt­lo­sig­keit und Ener­gie, für seine Zukunft und sein Land zu kämpfen. 

Für ein paar Tage bin ich im Büro und helfe dabei, für die Ver­öf­fent­li­chun­gen des Jahres zu recher­chie­ren. Ich über­setze den Flyer von TCHRD ins Deut­sche und ver­su­che hier und da, in die Mate­rie ein­zu­drin­gen und zum Zen­trum bei­zu­tra­gen. Die Situa­tion der tibe­ti­schen Gemeinde im Exil geht mir sehr nahe, und ich lerne die Arbeit dieser NGO schät­zen. Das Team von TCHRD wird aus­schließ­lich von Tibe­tern gebil­det, die die schwie­rige Situa­tion eines Lebens im Exil selbst erfah­ren haben. Dieses kleine Büro will den Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen in Tibet ein Gesicht geben und inter­viewt die neu aus Nepal in Dha­ram­sala ankom­men­den tibe­ti­schen Flücht­linge. Ihre Berichte werden in die zahl­rei­chen Ver­öf­fent­li­chun­gen des Zen­trums eingebracht. 

Es ist span­nend zu sehen, was sich die Men­schen hier im Exil auf­ge­baut haben und wie glück­lich sie dabei sind. Nach ein paar Tagen teilt mir der Direk­tor mit, dass das jähr­li­che Pick­nick des Büros vor der Tür steht. Sie laden mich ein, mit­zu­kom­men. Mir wird ein biss­chen mulmig bei dem Gedan­ken, für drei Tage mit zwölf Tibe­tern in einen ande­ren Berg­ort pick­ni­cken zu fahren, und das aus­ge­rech­net an Ostern. Aber neu­gie­rig bin ich auch. Was ich noch nicht ahne, ist, dass Tibe­ter in jeder freien Minute Karten spielen. 

Wei­tere Infor­ma­tio­nen:

  • TCHRD: www.tchrd.org/lang/german/
  • DAS deut­sche Portal für Hilfs­or­ga­ni­sa­tio­nen: www.hilfsorganisationen.de
  • The Government of Tibet in Exile: www.tibet.com