Erst die Arbeit…

Nach einer neun­stün­di­gen Zug­fahrt, die

mich durch halb Deutsch­land, die Schweiz und

Frank­reich führte, erreichte ich end­lich den

Bahn­hof von Thann – einem klei­nen, wunderschön

ver­schla­fe­nen Städt­chen im Elsass. Weil

ich viel zu zeitig ange­reist war, hatte ich schon

befürch­tet, lange Zeit allein am Treff punkt warten

zu müssen.

Doch kaum hatte ich die Bahnhofshalle

betre­ten, begeg­nete ich zwei jungen

Männer mit rie­si­gen Koff ern und war­tete mit ihnen

auf den Rest unse­rer 15-köpfi gen Gruppe,

dar­un­ter Leute aus der Türkei, Eng­land, Spanien,

Süd­ko­rea, Kolum­bien, Ser­bien, aus der Tschechischen

Repu­blik sowie aus der Slowakei.

Wir und unser rie­si­ger Gepäck­hau­fen wurden

bald von Bert, dem ani­ma­teur pédagogique,

mit dem Camp­bus abge­holt und zu

unse­rem Quar­tier, der Musik­schule der Stadt,

gebracht. Ver­gli­chen mit ande­ren Workcamps,

bei denen Zelte als Unter­kunft dienen, bedeutet

ein mit Küche und Bad aus­ge­stat­te­tes Haus

puren Luxus.

An unse­rem ersten Wochen­ende lernten

wir bei einem großen Bar­be­cue im Park der Stadt die Bewoh­ner von Thann kennen, für die

wir ja quasi arbei­ten soll­ten. Unter der „Pro­mi­nenz“,

die sich an diesem Abend eingefunden

hatte, um uns will­kom­men zu heißen, war unter

ande­rem auch der Tourismusbeauftragte

des Elsass. Als uns kurz vor Mit­ter­nacht der

Wein aus­ging, holte er noch zwei Fla­schen aus

seiner Pri­vat­samm­lung hervor und bestand

darauf, mit jedem per­sön­lich anzu­sto­ßen. Diese

Herz­lich­keit unter den Men­schen blieb kein

Ein­zel­fall.

Alle Men­schen, die wir in den drei Wochen

ken­nen­ler­nen durf­ten, sei es nun auf offi ziellen

Anläs­sen wie der Willkommenszeremonie

beim Bür­ger­meis­ter, bei einem der unzähligen

Wein­feste, die wir besuch­ten, oder die täglichen

Besu­cher bei unse­rer Arbeits­stätte, freuten

sich sehr über unsere Anwe­sen­heit und

bedank­ten sich stän­dig bei uns für unser Engagement.

Natür­lich waren wir nicht nur zum Feiern

und Wein­trin­ken nach Frank­reich gekommen.

Unsere Arbeit bestand darin, den Weg zu einer

Schloss­ruine am Rande der Stadt wieder begeh­bar zu machen und eine Wand der Schlossruine

von was­ser­un­durch­läs­si­gem Mörtel zu befreien,

um sie danach mit Kalk­ze­ment zu verfugen.

Wäh­rend der Arbeits­zeit stand uns immer ein

ani­ma­teur tech­ni­que für Fragen und Hilfe zur

Seite. Ansons­ten wurde es uns über­las­sen, wie

wir die Auf­ga­ben bewältigen.

Nach der Arbeit stand meist ein Sightseeingprogramm

auf dem Plan. Thann liegt mitten in

der wun­der­schö­nen Elsass-Region und es gab

viel zu ent­de­cken. Ausfl üge führ­ten uns nach

Straß­burg, Colmar, Mul­house und viele andere

Städte der Gegend. Gerade in dieser Jahreszeit

gibt es im Elsass fast jeden Tag irgendwo ein

Wein­fest, einem Trö­del­markt oder eine andere

Fes­ti­vi­tät. Wir ver­such­ten, mög­lichst wenige

Feste zu ver­pas­sen, um die wun­der­bare Atmosphäre

dort zu genießen.

Das Erstaun­lichste an dieser Zeit war für mich

zu sehen, wie schnell aus einer Hand­voll einander

frem­der Men­schen durch gemein­same Arbeit,

Inter­esse am Land und Off enheit anderem

gegen­über gute Freund­schaf­ten entstehen

können – wir waren fast eine Fami­lie. Zu vielen

Leuten, wie etwa zu Sule aus Istan­bul, Sophia

aus Kolum­bien oder Stefan aus Bel­grad habe ich

noch immer regen Kon­takt und Keeley aus London

will mich zur Weih­nachts­zeit sogar in Berlin

besu­chen.

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