Juli Zeh: Drang zur Extreme

Juli Zeh hat einen Krimi geschrie­ben. Wer die 33-Jäh­rige kennt, ahnt sicher­lich, dass es in ?Schilf? um mehr geht als um eine Män­ner­freund­schaft und einen Mord. Wie in ?Spiel­trieb? exer­ziert die Autorin an ihren Figu­ren eine Reihe gewich­ti­ger phi­lo­so­phi­scher Grund­fra­gen durch. Ihr Ansin­nen schei­tert vor allem an der erhöh­ten Dra­ma­tik. Schein­bar hilf­los schwur­beln sich die Phy­si­ker Oskar und Sebas­tian und der tod­ge­weihte Komis­sar von einem intel­lek­tu­el­len Höhe­punkt zum nächs­ten, den Blick zwang­haft auf unendlich.

Der Mord? Neben­sa­che. Statt durch ihr Han­deln Fragen auf­zu­wer­fen, stel­len die Figu­ren diese lieber gleich selbst. Was bleibt, ist Zehs schöne, bild­mäch­tige Spra­che. Und ein Roman, der keine Leser zu brau­chen scheint. 

Ihre Figu­ren wan­deln häufig am Rande der Lega­li­tät. Ist die Dar­stel­lung des All­täg­li­chen zu langweilig?

Ja. Lite­ra­tur beschäf­tigt sich mit Grenz­erfah­run­gen. Ich treibe meine Figu­ren gern in äußere Extreme, die sie zwin­gen, sich inner­lich kom­plett zu hin­ter­fra­gen und neu zu erfinden.

Geht es darum auch in ihrem neuen Buch?

Es geht darum, ob Ver­ant­wor­tung Sterb­lich­keit vor­aus­setzt, was der Mensch in der Zeit ist, ob und was wir von der soge­nann­ten Wirk­lich­keit über­haupt wissen können. Und noch um tau­send Dinge mehr. 

Die Ideen des Men­schen sind die Par­ti­tur, sein Leben ist eine schräge Musik”, heißt es im Prolog von Schilf”. Sind die Stu­den­ten dis­so­nant genug?

Ein­deu­tig nein. Die Stu­den­ten­schaft ist eigent­lich Anwär­te­rin auf die spä­tere gesell­schaft­li­che Intel­lek­tu­elle, und sie befin­det sich im sel­te­nen Status rela­ti­ver Unab­hän­gig­keit gegen­über hier­ar­chi­schen Macht­struk­tu­ren. Das ist eine Situa­tion, in der man poli­tisch aktiv werden kann und viel­leicht auch muss. Aber anschei­nend inter­es­siert man sich an den Unis nicht mal für die eige­nen Belange geschweige denn für jene von Gesell­schaft oder Staat.

Sie haben einmal Bern­hard Schlink por­trä­tiert, der wie Sie ein Dop­pel­le­ben als Jurist und Schrift­stel­ler führt. Juris­pru­denz scheint beim Schrei­ben zu helfen.

Bestimmt. Die Rechts­wis­sen­schaft ist eine sehr sprach­ver­ses­sene Ange­le­gen­heit ein gutes Trai­ning für die Genau­ig­keit beim Umgang mit den vielen Bedeu­tungs­schich­ten von Begrif­fen und Satzzusammenhängen.

Was nervt Sie mehr: dass es immer weni­ger gute Lite­ra­tur gibt oder das noto­ri­sche Rum­gen­öle, dass es immer weni­ger gute Lite­ra­tur gibt?

Es gibt sehr viel und immer mehr sehr gute Lite­ra­tur. Das Gejam­mer über den angeb­li­chen Nie­der­gang der Lite­ra­tur ist nerv­tö­tend. Mein Ein­druck ist aller­dings, dass alle wieder ein wenig hoff­nungs­vol­ler und zufrie­de­ner auf die eige­nen kul­tu­rel­len Leis­tun­gen blicken.Das Inter­view führte