Fernsehen selber machen

Bei XENON in Pots­dam-Babels­berg kann man TV-Jour­na­lis­mus lernen. Das Ziel: Inno­va­tive, junge Sen­dun­gen pro­du­zie­ren, ohne Quotendruck.

Isa ist Stu­den­tin an der FU und seit zwei Jahren Xenonis­tin. Dies­mal will sie einen Bei­trag über den Bil­dungs­streik machen. Die FU ist näm­lich eine der weni­gen deutschen­ Unis, an denen im Januar noch gestreikt wird. So wirk­lich ernst nehmen kann Isa die Hör­saal­be­set­zer nicht, auch wenn sie eini­gen ihrer For­de­run­gen zustimmt. Des­halb will sie auch Stim­men aus der libe­ra­len Hoch­schul­gruppe ein­ho­len und beide Posi­tio­nen gegenüberstellen.

Drehtag an der FU

Im besetz­ten Hör­saal 1 A der FU findet an diesem Tag um 12 Uhr eine Voll­ver­samm­lung statt. Eine Stunde vorher trifft sich Isa mit den XENON-Redak­teu­ren Mar­tijn und Inga vor Ort. Die beiden sind mit zwei Kame­ras und einem Stativ bela­den. Bei einem Becher Kaffee werden kurz die Auf­ga­ben ver­teilt und der Ablauf bespro­chen: Zuerst ein paar Bilder von der Ver­samm­lung ein­fan­gen, dann die Inter­views und zwi­schen­durch atmo­sphä­ri­sche Bilder und State­ments von Stu­den­ten sammeln.

Im Hör­saal rich­ten Mar­tijn und Inga schon mal die Kame­ras ein. Farbe und Hel­lig­keit müssen auf­ein­an­der abge­stimmt werden, damit später alles ein­heit­lich aus­sieht. Das Stativ stellt Inga in den Reihen der Hör­saal­bänke auf, so kann sie die Totale auf­neh­men und ruhige Kame­ra­schwenks machen. Mar­tijn bleibt mit der zwei­ten Kamera unten bei den Dis­kus­si­ons­lei­tern und wird die Nah­auf­nah­men machen.

In Bildern denken

„Hast du die Pla­kate an der Wand schon abge­filmt?”, fragt Isa. Als Redak­teu­rin des Bei­trags hat sie die Fäden in der Hand und sieht zu, dass sie alle Bilder bekommt, die sie braucht, um eine schlüs­sige Geschichte zu erzäh­len. Anders als beim Zei­tung­le­sen oder Radio­hö­ren will der Fern­seh­zu­schauer alles sehen, was ihm als wahr ver­kauft wird. Wer glaubt schon, dass die Voll­ver­samm­lung gut besucht war, wenn er nicht auch sieht, dass der Hör­saal aus den Nähten platzt?

An diesem Tag ist der Hör­saal 1 A aber zu drei Vier­teln leer. Zwei Stu­den­ten schlen­dern mit ihrem Mit­tag­essen auf Tablet­ten herein und fangen an, Salat zu mamp­fen. Gefilmt werden wollen sie aber nicht. „Doch nicht beim Essen!” Als Kame­ra­mensch lauert man aber gerade auf solche unge­wohn­ten Szenen. In der ersten Reihe singt ein Mäd­chen mit Dre­ad­locks aus­ge­las­sen das Streik­lied mit. Also doch ein schö­nes Bild.

Vox-Pops und Schnittbilder

Nach einer Vier­tel­stunde hat das Team alle Bilder im Kasten. Dann geht Isa mit einem Hand­mi­kro bewaff­net und dem Kame­ra­mann im Schlepp­tau los, um „Vox-Pops“ zu sam­meln, also eine kleine Umfrage unter Stu­den­ten zu machen. Auch die sollen sagen, was sie vom Streik halten. Mal schauen, ob wirk­lich alle so des­in­ter­es­siert sind, wie Isa vermutet.

Wäh­rend­des­sen widmet sich Inga der Sze­ne­rie vor dem Hör­saal. Der Flur sieht aus wie die unauf­ge­räumte Wohn­kü­che einer Stu­den­ten-WG. Die Beset­zer haben sich einen „Frei­raum“ geschaf­fen, der durch ein großes Plakat gekenn­zeich­net ist. Dieses hängt über einem langen Tresen, der im Uni­all­tag für fest­li­che Emp­fänge nach Gast­vor­trä­gen genutzt wird. Jetzt sta­peln sich hier Geschirr, Kon­ser­ven und Nutel­la­g­lä­ser. Die vielen Details geben Gele­gen­heit für krea­tive Auf­nah­men mit Schär­fen­ver­la­ge­run­gen und Zooms. Später wird Isa diese „Schnitt­bil­der“ benö­ti­gen, um län­gere Inter­view­se­quen­zen atmo­sphä­risch zu bebil­dern oder den Spre­cher­text zu veranschaulichen.

Schlechtes Licht

Für das Inter­view nehmen Babsi und Jan aus der Gruppe der Beset­zer auf dem Sofa Platz. Das Team hat es so zurecht­ge­rückt, dass das Bild Tiefe erhält und der Hin­ter­grund leben­dig ist. Nichts ist schlim­mer, als die Inter­view­part­ner fron­tal vor eine kahle Wand zu setzen. Alles wirkt per­fekt, bis die Kame­ra­leute das fun­ze­lige Licht bemer­ken. Die Decken­lam­pen im Flur werfen häss­li­che Schat­ten auf die Gesich­ter von Babsi und Jan. „Hätten wir doch mal den Licht­kof­fer mit­ge­nom­men”, bemerkt Isa mit gerun­zel­ter Stirn. Zwar ist Isa als Stu­den­tin schon tau­send Mal durch die Flure der FU gelau­fen, aber die Beleuch­tung war wohl das Letzte, worauf sie dabei geach­tet hat. Jetzt kann man nur hoffen, dass das Licht aus­reicht. Nie läuft beim Dreh alles nach Plan.

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Über Inga Lín Hallsson (8 Artikel)
BA 2004-2007 an der Uni Bonn und Sorbonne in Paris in Deutsch-französiche Studien, danach 2007-2009 MA an der FU Berlin in Sprachen Europas. Jetzt Volontärin beim TASCHEN Verlag in Köln.