Medien in der Krise

[Jour­na­lis­mus] Gerade in Kri­sen­ge­bie­ten haben Jour­na­lis­ten eine beson­dere Ver­ant­wor­tung. Die „Youth Media Makers” setzen sich mit diesen spe­zi­el­len Bedin­gun­gen auseinander.

Infor­ma­tio­nen sind der Zugang, der Schlüs­sel zum Ver­ste­hen der Ereig­nisse. Jeden Tag pas­siert so viel, das mal mehr, mal weni­ger Ein­fluss auf unser Leben hat. Welche Ereig­nisse gesche­hen sind, welche Bedeu­tung wirt­schaft­li­che oder poli­ti­sche Ent­schei­dun­gen auf unse­ren Alltag haben, welche Ereig­nisse mit wel­chen Ent­schei­dun­gen in Zusam­men­hang stehen – dar­über infor­mie­ren Jour­na­lis­ten und bestim­men so unse­ren Blick auf die Welt wesent­lich mit.

 

In der Regel behal­ten wir zehn Pro­zent der Infor­ma­tio­nen, die an einem Tag auf uns ein­wir­ken. Merken wir uns die „rich­ti­gen” Fakten? Welche sind über­haupt not­wen­dig und wich­tig? Selek­tie­ren wir die Infor­ma­tio­nen selbst, oder bekom­men wir sie auf das Nötigste redu­ziert und vor-reflek­tiert? In man­chen Situatio­nen kann es ent­schei­dend sein, die rich­ti­gen Infor­ma­tio­nen mög­lichst objek­tiv über­mit­telt zu bekom­men. Vor allem in Krisensituatio­nen ist aber wenig Zeit diese Fakten selbst zu reflek­tie­ren, da gewinnt die vor­ge­fer­tigte Inter­pre­ta­tion an Bedeu­tung. In Deutsch­land haben wir in den ver­gan­ge­nen Jahren solche exis­ten­zi­el­len Krisen kaum erfah­ren. Aber im Nahen Osten und in Geor­gien 2008 war und ist das durch­aus anders, und es betrifft uns in irgend­ei­ner Weise ebenso.

Rele­vante und freie Medien

Um jungen Men­schen die Mög­lich­keit zu geben, die Rele­vanz der jour­na­lis­ti­schen Arbeit in Kri­sen­ge­bie­ten rich­tig zu reflek­tie­ren und anzu­wen­den, orga­ni­siert die Euro­päi­sche Jugend­presse in Koope­ra­tion mit dem „Coun­cil of Europe” und der „Aca­demy for Peace and Deve­lo­p­ment, Geor­gia” ein sie­ben­tä­gi­ges Semi­nar mit dem Namen „Young Media Makers Preach and Prac­tice Peace­ful Jour­na­lism” in Kobu­leti (Geor­gien).

Dori Sillo (23), Stu­den­tin der Hum­boldt-Uni­ver­si­tät zu Berlin, ist Teil­neh­me­rin des Pro­jek­tes. Sie ist über das Portal der Jugend­presse Deutsch­land darauf auf­merk­sam gewor­den. „Ich beschäf­tige mich schon länger mit dem Thema, und beson­ders mein Auf­ent­halt auf dem Balkan hat mich dafür sen­si­bi­li­siert, wie wich­tig eine freie Medi­en­land­schaft, beson­ders in Kri­sen­ge­bie­ten, ist.”

Jour­na­lis­mus nimmt eine wich­tige Rolle im soge­nann­ten „Peace Building”-Prozess ein und über­trägt somit eine große Ver­ant­wor­tung auf die her­an­wach­sen­den Jour­na­lis­ten. Beson­ders in Ost­eu­ropa sind immer wieder Ver­fäl­schun­gen der Gescheh­nisse und Unter­drü­ckung der freien Presse zu beob­ach­ten. In Deutsch­land sind offen­sicht­li­che Ver­fäl­schun­gen nur Rand­er­schei­nun­gen. Doch in vielen Län­dern, die sich noch in der Auf­bau­phase zur Demo­kra­tie befin­den, wird der lokale Jour­na­lis­mus zur ein­sei­ti­gen poli­ti­schen Mei­nungs­bil­dung benutzt. Davon kann auch Anna Rakh­manko (21) berich­ten. Sie stammt ursprüng­lich aus Russ­land und stu­diert heute an der Freien Uni­ver­si­tät Berlin Poli­tik- und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­wis­sen­schaf­ten: „Ich habe schon in St. Peters­burg als Jour­na­lis­tin gear­bei­tet und bin immer wieder an Gren­zen der offe­nen Bericht­erstat­tung gesto­ßen. Beson­ders in der Zeit des Kon­flik­tes zwi­schen Geor­gien und Russ­land im Jahre 2008 war es schwie­rig, objek­tiv zu bleiben.”

Fried­li­cher Journalismus

Ziel des Semi­nars wird sein, jungen Jour­na­lis­ten mit der Idee von „peace­ful jour­na­lism” zu kon­fron­tie­ren. Dazu werden sie befä­higt, Infor­ma­tio­nen aus­zu­wer­ten und für Fakten-Vor­se­lek­tion sen­si­bi­li­siert. Letzt­lich soll sich das Kon­zept in der eige­nen Arbeit nie­der­schla­gen und wei­ter­ge­tra­gen werden. Die drei wich­tigs­ten Fokus­ge­biete sind „peace buil­ding”, „con­flict pre­ven­tion” und „trans­for­ma­tion”.

„Das beste an dem Semi­nar ist, dass junge Medi­en­ma­cher aus voll­kom­men unter­schied­li­chen Rea­li­tä­ten und unter­schied­li­chen Back­grounds daran teil­neh­men”, fügt Dori hinzu. Genauer gesagt kommen die 22 Teil­neh­mer aus 14 ver­schie­de­nen Län­dern: Deutsch­land, Ita­lien, Bos­nien, Arme­nien, Russ­land, Geor­gien, Azer­bai­jan, Türkei, Rumä­nien, Mol­da­wien, Maze­do­nien, Ungarn, Bel­gien und Frank­reich. Die Trai­ner arbei­ten schon länger mit dem Thema „peace­ful jour­na­lism”, sie sind bei­spiels­weise in Aser­bai­dschan, Geor­gien und im Irak tätig.

Nicht nur Theorie

Für Anna ist der größte Vor­teil, dass nicht nur theo­re­ti­sche „Skills” ver­mit­telt werden. Kon­krete Fall­bei­spiele geben dem Semi­nar eine sehr prak­ti­sche Rele­vanz. „Wir werden die Mög­lich­keit haben, selbst Arti­kel auf Eng­lisch über ver­schie­dene Kon­flikte zu ver­fas­sen. Fokus­siert wird dabei beson­ders der Kon­flikt zwi­schen Geor­gien und Russ­land und zwi­schen Arme­nien und Aser­bai­dschan. Aus allen vier Län­dern haben wir Ver­tre­ter dabei, das wird wahn­sin­nig span­nend.” Außer­dem werden die Teil­neh­mer ver­schie­dene Medi­en­in­sti­tu­tio­nen in Geor­gien besu­chen. Beson­de­rer Fokus liegt dabei auf der Stadt Zug­didi, welche eine zen­trale Rolle im Geor­gien-Russ­land Kon­flikt 2008 spielte und zu den Zen­tren der Medi­en­land­schaft in Geor­gien gehört.

Der Geschäfts­füh­re­rin der Jugend­presse Deutsch­land, Anna-Lena Alfter, ist es „sehr wich­tig, inter­na­tio­nale Pro­jekte zur Ver­bes­se­rung objek­ti­ver Medi­en­ar­beit zu för­dern und jungen Men­schen die Gele­gen­heit zu geben, von und mit­ein­an­der zu lernen und mit der Über­win­dung kul­tu­rel­ler und eth­ni­scher Unter­schiede gemein­sam reflek­tiert zu arbeiten.”

Das Semi­nar findet vom 19. bis 26. Juni in Kobu­leti, Geor­gien statt. Die Ergeb­nisse der Semi­nar­wo­che und wei­tere Pro­jekte in diesem Bereich werden unter www.youthpress.org und www.organgelog.eu ver­öf­fent­licht. Wer Inter­esse an inter­na­tio­na­len Pro­jek­ten der Jugend­presse Deutsch­land hat, meldet sich bei Johanna Graf: j.​graff@​jugendpresse.​de.

Über Janine Noack (20 Artikel)
Janine studierte von 2009-2012 Geschichte, Politk und Soziologie an der HU Berlin und absolviert derzeit ihren Master in Modern European History an der Universität Cambridge.