Fehler im System

Wie in den Jahren zuvor, müssen sich Stu­di­en­be­wer­ber auf Pro­bleme einstellen,
wenn sie an ihrer Traum-Uni­ver­si­tät stu­die­ren wollen.

Ein­fach, schnel­ler, trans­pa­ren­ter. Das alles ver­spricht eine neue Soft­ware künf­ti­gen Stu­den­ten bei der Ver­gabe für Stu­di­en­plätze. Wann das Pro­gramm jedoch an den Start geht, ist unge­wiss. Sicher ist nur, dass es nicht wie geplant zum Win­ter­se­mes­ter ein­satz­be­reit ist. Die Ent­ste­hungs­ge­schichte des Pro­jekts wirkt wie ein Kurio­si­tä­ten­ka­bi­nett der Zustän­dig­kei­ten: Nicht ein­ge­hal­tene Zeit­pläne, Finan­zie­rungs­fra­gen, gegen­sei­tige Schuld­zu­wei­sun­gen. Die Stif­tung für Hoch­schul­zu­las­sung und ihre Inter­net­seite hochschulstart.de werden die Anlauf­stelle für die Bewer­ber sein. Als Nach­fol­ger der Zen­tral­stelle für die Ver­gabe von Stu­di­en­plät­zen (ZVS) ver­teilt die Stif­tung der­zeit Stu­di­en­plätze für magere vier Stu­di­en­gänge: Medi­zin, Tier­me­di­zin, Zahn­me­di­zin und Phar­ma­zie. Bern­hard Scheer ist Pres­se­spre­cher von hochschulstart.de. Seiner Mei­nung nach treffe T‑Systems, den Ent­wick­ler der Soft­ware, keine Schuld. „Das von T‑Systems gelie­ferte Pro­dukt hat die Anfor­de­run­gen erfüllt.“ Haupt­ver­ant­wort­li­cher für das der­zei­tige Chaos sei die Hoch­schul-Infor­ma­ti­ons-Ser­vice GmbH (HIS). Diese sollte die bis­he­ri­gen Ver­ga­be­sys­teme der ein­zel­nen Uni­ver­si­tä­ten an die Soft­ware anbin­den. „Hier sind Zusa­gen, was die tech­ni­sche Anbin­dung dieser Soft­ware an die neue Platt­form angeht, nicht ein­ge­hal­ten worden“, so Scheer.

Niemand hält den Schwarzen Peter

Ein HIS-Spre­cher ist sich keiner Schuld bewusst. Schließ­lich sei für ein sol­ches Pro­jekt ein knap­per Zeit­plan pro­ble­ma­tisch: „Auf all die Beson­der­hei­ten, Anfor­de­run­gen und Mög­lich­kei­ten der ein­zel­nen Hoch­schu­len musste ein­ge­gan­gen werden.“ Dass die Zeit jetzt knapp werde, hätten Poli­tik und die Stif­tung zu ver­ant­wor­ten. 2007 wan­delte der Bund die ZVS in eine Stif­tung um. Das Ziel war, den kom­men­den Stu­die­ren­den­an­sturm zen­tral lenken und ver­wal­ten zu können. Erst 2009 fiel den Ver­ant­wort­li­chen auf, dass es hier­für keine geeig­nete Soft­ware gab. T‑Systems wurde beauf­tragt und musste unter Zeit­druck ein geeig­ne­tes Pro­gramm ent­wi­ckeln. Dabei wurden die bereit­ge­stell­ten 15 Mil­lio­nen Euro des Bundes inner­halb eines Jahres auf­ge­braucht, ein­satz­fä­hig wird das System wohl erst in zwei Jahren sein. Dabei klingt der Plan auf dem Papier gut: Uni­ver­si­tä­ten blei­ben nicht wie bisher auf halb leeren Hör­sä­len sitzen, weil Bewer­ber an eine andere Hoch­schule gehen. Auch für die Bewer­ber bietet das neue System grö­ßere Pla­nungs­si­cher­heit: Anstatt auf eine Zusage kurz vor Semes­ter­start zu hoffen, weiß man schon früh, wo das eigene Stu­dium beginnt. Genü­gend Zeit, um sich um eine Woh­nung und andere For­ma­lien zu küm­mern. Auch Bern­hard Scheer von hochschulstart.de sieht theo­re­tisch Vor­teile für alle Betei­lig­ten: Der Abgleich von Mehr­fach­zu­las­sun­gen würde lang­wie­rige Nach­rück­ver­fah­ren ver­mei­den, eine stän­dige Online-Abfrage des Bewer­bungs­stands soll die Trans­pa­renz erhö­hen. Abitu­ri­en­ten mit durch­schnitt­li­chen Noten können so ihre Chan­cen auf eine Zulas­sung besser abschät­zen, Rest­plätze werden zügig und unkom­pli­ziert verteilt.

Zeitdruck und Bewerberansturm drohen

Pro­bleme wird es wohl trotz­dem geben: Bewer­ber müssen sich inner­halb von drei Tagen für einen Stu­di­en­platz ent­schei­den. Wer sich nicht sicher ist, läuft Gefahr, zügig und unkom­pli­ziert aufs Abstell­gleis zu gera­ten. Fragen stel­len sich auch, wenn man an den bevor­ste­hen­den Bewer­bungs­an­sturm denkt. Ver­gan­ge­nes Jahr bewar­ben sich rund 440.000 Bewer­ber für ein Stu­dium in Deutsch­land, durch die Wehr­pflicht­aus­set­zung und dop­pelte Abitu­ri­en­ten­jahr­gänge sollte die Zahl dieses Jahr weiter stei­gen. Heidi Neu­ge­bauer vom Stu­die­ren­den­ser­vice an der Hum­boldt-Uni­ver­si­tät sieht darin eine Her­aus­for­de­rung: „Das Ver­fah­ren ist gene­rell schwer zu orga­ni­sie­ren. Des­we­gen braucht es Zeit, um Fehler zu ver­mei­den und gege­be­nen­falls zu kor­ri­gie­ren.“ Durch den Zeit­druck und die hohen Bewer­ber­zahl kann das System schnell über­las­tet sein. Wie die rasch auf den Markt gewor­fene Soft­ware mit einer sol­chen Extrem­si­tua­tion zurecht­kom­men wird, muss sich in den kom­men­den Jahren zeigen.