Mit Tandem unterwegs

Zwi­schen Dating­börse und Sprach­kon­takt: Spracht­an­dems schlie­ßen die Lücke zwi­schen Theo­rie und Praxis, die nor­male Sprach­kurse hinterlassen.

Sprachtandem (Illu: Sabine Redlich)

Jah­re­lan­ges Fremd­spra­chen­ler­nen nimmt man meist auf sich, um sich mit Ein­hei­mi­schen unter­hal­ten zu können. Doch wer jah­re­lang in der Schule Spa­nisch lernt, wird beim ersten Spa­ni­en­ur­laub schnell das Gefühl haben, wieder auf dem Anfän­ger­ni­veau ange­kom­men zu sein. Neben dem hohen Sprechtempo berei­ten Dia­lekte, fremde Voka­beln und Umgangs­spra­che einem Men­schen beim ersten Gespräch mit Mut­ter­sprach­lern oft große Pro­bleme. Doch wie kann man hier­zu­lande die Sprach­pra­xis sam­meln, die man im Aus­land braucht?

Partnersuche

Ein soge­nann­tes „Spracht­an­dem“ ist eine der Mög­lich­kei­ten, die Lücke zwi­schen theo­re­ti­schem Sprach­kurs und ange­wand­ter Spra­che zu schlie­ßen. Tand­em­bör­sen sind die erste Anlauf­stelle für Sprach­be­geis­terte, die auf der Suche nach einem Part­ner für ein sol­ches Expe­ri­ment sind. Die Börse der TU Berlin funk­tio­niert nach dem ein­fa­chen Prin­zip „die einen suchen, die ande­ren bieten“. Wo sich die Inter­es­sen ergän­zen, ent­steht eine Part­ner­schaft. Ent­schei­dend sind dabei die Anga­ben, welche Spra­che man „sucht“ und „bietet“ sowie die Kon­takt­da­ten. Auch der Name, der meist einen Hin­weis auf das Geschlecht lie­fert, mag für den einen oder ande­ren eine Rolle spie­len. Schließ­lich gibt es natür­lich Kon­takte, die nicht primär auf der Suche nach einem Part­ner zum Sprach­aus­tausch sind. Im Gegen­satz zu Dating­bör­sen ist die Ver­mitt­lung von Spracht­an­dems kos­ten­los, der Kon­takt mit frem­den, anders­spra­chi­gen Men­schen scheint oft exo­ti­sche Gedan­ken frei­zu­set­zen. Im Umkehr­schluss kommt es auch vor, dass Inter­es­sen­ten durch die Wahl eines gleich­ge­schlecht­li­chen Part­ners hoffen, jene Bewer­ber mit roman­ti­schen Inten­tio­nen zu vermeiden.

Das erste Treffen

Diesen Weg ging auch ich und ver­ab­re­dete mich mit einer Fran­zö­sin. Als ich am ver­ein­bar­ten Treff­punkt warte – allein, ohne leo.org, das ich beim E‑Mail-Kon­takt zu gefühlt jedem drit­ten Wort kon­sul­tiert hatte – ver­spüre ich ein zuneh­mend mul­mi­ges Gefühl. Lang­sam ver­stehe ich, wes­we­gen es Sinn macht, wenn Männer in kit­schi­gen Hol­ly­wood-Pro­duk­tio­nen stets mit einer Rose zum Blind Date erschei­nen. Es wäre sicher­lich keine schlechte Idee gewe­sen, vorab ein Erken­nungs­zei­chen zu ver­ab­re­den. Aber dafür ist es nun zu spät, und mir bleibt nichts ande­res übrig, als nach jeman­dem Aus­schau zu halten, der eben­falls mit einem ver­zwei­felt-suchen­den Blick her­um­schaut. Ein Mäd­chen am Ende des Bahn­steigs fällt mir durch ihr unent­schlos­se­nes Ver­hal­ten auf. Eine gewisse Ähn­lich­keit mit dem Gesicht, das ich auf dem viel zu klei­nen Face­book-Bild glaube erkannt zu haben, ist eben­falls vor­han­den. Ich ver­su­che also noch einmal all meine Fran­zö­sisch­kennt­nisse zu akti­vie­ren, hole tief Luft und mar­schiere auf sie zu. „Bon­jour?“ Der scho­ckierte Blick bleibt aus, das muss sie sein. Ich habe meine Tand­em­part­ne­rin gefunden.

Angst überwinden

Nach einer kurzen Vor­stel­lung wird das wei­tere Vor­ge­hen bespro­chen. Wo geht man hin, mit wel­cher Spra­che fängt man an, wann wird gewech­selt? Nun gilt es das letzte Hin­der­nis zu über­win­den: die Angst vor der Bla­mage. Wem fällt es schon leicht, locker in einer Spra­che zu erzäh­len, die eigent­lich nur das Gegen­über so rich­tig beherrscht? Gerade sol­chen Ler­nen­den, die sich davor gru­seln, in einer frem­den Spra­che zu kom­mu­ni­zie­ren – man ist unsi­cher und der letzte Unter­richt ist ewig her – kann ein Tandem jedoch dabei helfen, ihre Scheu abzu­le­gen. Schließ­lich gibt es nichts, was einem ein ange­neh­me­res Gefühl ver­mit­telt, als nach drei­ßig Minu­ten zu der Erkennt­nis zu kommen, dass man nicht der ein­zige am Tisch ist, der mit der frem­den Spra­che zu kämp­fen hat. Wenn man dann auch noch fest­stellt, dass einem die Unsi­cher­heit des Part­ners in keins­ter Weise stört und der Akzent doch eigent­lich ganz hübsch klingt, hat man schon einen großen Schritt in Rich­tung angst­freies Spre­chen getan.