Gesundheit und Studium
Studentenjahre sind Genussjahre. Doch wie wirkt sich dieser Lebensstil langfristig auf unsere Gesundheit aus?
So sind wir nun mal: Besserwisser, aber selten Bessermacher. Was die Vernunft verstanden hat, überwältigt noch lange nicht unseren inneren Schweinehund. Gewohn- und Faulheit lassen sich auch schwer durch Einsicht ändern. Mit der Gesundheit ist es wie mit einem zugefrorenen Teich: Man sieht nicht, ob das Eis fünfzig oder nur noch fünf Zentimeter dick ist. Dass es zu dünn ist, merkt man erst, wenn man durchbricht. Eine medizinische Faustregel sagt: „Der Mensch wird mit 100 Prozent Organfunktion ausgestattet. Im Laufe seines Lebens kann er bis zu 70 Prozent Leistungseinbußen verkraften, bevor er etwas merkt.“ Wenn Beschwerden auftauchen, ist es leider meist zu spät. Dann rennt man zum Arzt und hofft, dass er rettet, was noch zu retten ist. Denn wer nimmt schon seine kurzsichtige Gesundheitsbrille ab und beobachtet sein studentisches Dasein mal von oben?
Essen für Zwischendurch
Viele von uns stehen unter Zeitdruck. Der Terminkalender droht mit dem Zeigefinger. Kaum ist eine Aufgabe erledigt, flattert bereits die nächste ins Haus. Wer hat da noch Lust, seine freie Zeit damit zu verbringen, Obst und Gemüse zu kaufen und es aufwändig zuzubereiten? Natürlich bieten sich „convenience products“, also Bequemlichkeitserzeugnisse an. Tiefkühlpizza oder Lasagne müssen oft nur in den Backofen geschoben werden, bei Instantsuppen genügt auch heißes Wasser. Teuer ist das alles nicht, und man wird satt. Allerdings haben viele dieser Produkte höchstens den Hinweis „Kann Spuren von Lebensmitteln enthalten“ verdient. Sie sind nicht wirklich LebensMittel. Sie sind nur Satt-Macher ohne qualitativen Nährwert. Sie bestehen fast nur aus Fett, Stärke und Zucker. Von Vitaminen oder Mineralstoffen ist da nicht die Rede. Auf diese Weise kann man seinen Hunger über viele Jahre hinweg täuschen und den Körper dazu zwingen, die eigenen Reserven restlos zu plündern. Auf der anderen Seite steht die Schmal- und Rohkost. Das sind rohe Karottensticks, Paprikastreifen, Gurkenhäppchen, Apfelstücke – eben alles, was direkt von der Frucht gegessen werden kann. Dazu Vollkornbrot, Reis, Milchprodukte, Mineralwasser. Natürlich sind Cola und Cheeseburger echte Geschmacksorgasmen. Auch Mark Twain konnte dem Gesunden nicht viel abgewinnen: „Die einzige Methode, gesund zu bleiben, besteht darin, zu essen, was man nicht mag, zu trinken, was man verabscheut, und zu tun, was man lieber nicht täte.“ Aber was soll man machen? Es gibt nichts kostbareres im Leben als die eigene Gesundheit.
Den eigenen Körper ausbeuten
Manch einer vergisst das Essen sogar komplett. Wenn man den Hunger lange genug ignoriert, verschwindet er irgendwann. Das bedeutet nicht, dass der Körper nicht mehr hungrig ist. Man „hört“ es nur nicht mehr. Genauso verhält es sich mit dem Durst, mit kalten Füßen, ja sogar seelischen Bedürfnissen. Man macht sich seinen eigenen Körper zum Feind und beutet ihn aus – und damit sich selber. Also Socken anziehen, was essen gehen und entspannen. Auch beim Schlaf knechten wir uns wie einst Napoleon seine Soldaten. Statt frühzeitig ins Bett zu gehen, hängen wir lieber bis zwei Uhr bei Facebook herum und gucken Youtube-Videos. Nur um dann nach viereinhalb Stunden Schlaf gefühlte tausend Mal auf Snooze zu drücken, weil wir nicht aus dem Bett kommen. Wenn wir leistungsfähig bleiben wollen, müssen wir uns an ein altes Sprichwort aus dem Zen-Buddhismus halten: „Der Grad der Leistung hängt eng zusammen mit der Fähigkeit, sich zu erholen.“ Das kann nur wahr sein, Anstrengung und Erholung halten sich im Optimalfall die Waage. Wer mittags müde wird und abends noch etwas erledigen will, soll ein kurzes Mittagsschläfchen halten. Manche Firmen schreiben das Power-Napping mittlerweile vor; allerdings nicht, um uns – wie im Kindergarten – ruhig zu stellen, sondern für Gesundheit und den eigenen Profit. Es verleiht nachweislich 30 Prozent mehr Leistungsfähigkeit für die zweite Tageshälfte. Dabei sollte die Schlafdauer 20 Minuten nicht überschreiten, da man sonst in den Tiefschlaf fällt und noch schläfriger ist, wenn man daraus geweckt wird. Da das Koffein im Kaffee die gleiche Zeit braucht, um zu wirken, kann man sich folgenden Trick zu eigen machen: Man stellt sich seinen Wecker, trinkt einen Espresso, lehnt sich zurück und schaltet ab. Pünktlich zum Weckerklingeln haut auch der Kaffee rein und es kann weiter gehen.
Passiv sein ist kein Abschalten
Dass „Abschalten“ etwas anderes bedeutet, als sich vor den Fernseher zu setzen oder Browsergames zu spielen, ist vielen nicht bewusst. Das fühlt sich zwar entspannend an, aber man schaltet lediglich vom aktiven auf den passiven Modus um. Das Gehirn ist trotzdem damit beschäftigt, Reize zu verarbeiten. Echtes Abschalten wird oft als State-Of-No-Mind, Mind-Control oder schlicht Meditation bezeichnet – gemeint ist immer dasselbe. Man kann es ungefähr so beschreiben: Unser Geist erzeugt Bilder und Worte, versucht Zusammenhänge herzustellen und sucht nach Problemlösungen. Der Ex-Freund spukt darin ebenso herum wie die nächste Hausarbeit. Es ist die Hirnaktivität, die uns nachts oft nicht einschlafen lässt. No-Mind ist genau das Gegenteil davon. Ein Geisteszustand, bei dem man seinen eigenen Gedanken keine Aufmerksamkeit schenkt. Anfangs ist es schwierig, doch man wird schnell besser. Aus wenigen Sekunden Gedankenabwesenheit werden schnell fünf Minuten. Man starrt einfach irgendwo hin – es darf nicht interessant sein, sonst regt es wieder das Denken an – und versucht, seinen inneren Stimmen nicht mehr zuzuhören. Das funktioniert, und wenn man merkt, dass man Außengeräusche lauter als sonst wahrnimmt und die Anwesenheit anderer Personen im Raum spüren kann, ohne sie zu sehen, dann geht das in Richtung No- Mind. Wer vor hat, in seinem Leben aktiv etwas zu leisten, sollte der Geistesabwesenheit eine Chance geben. Es hilft einem, in Stresssituationen die Dinge weiter klar zu sehen. Schließlich sind es selten herabfallende Stahlträger, die einen Akademiker berufsunfähig machen, sondern viel mehr Burn-Out, Tinnitus oder Migräne.
Abwechslung und Vielfalt
Einseitigkeit ist in jeder Hinsicht der Killer geistiger sowie körperlicher Gesundheit. So gehört zu jedem bewegungsarmen Job eine sportliche Tätigkeit zum Ausgleich. In der Zeit, als Kalorien noch kostbar und selten waren, waren überflüssige Muskeln Energieverschwendung. Also hat der Körper sie abgebaut, wenn sie nicht benutzt wurden. Das macht er heute nach wie vor.
Doch mittlerweile ist Sport zur Luxusbeschäftigung geworden. Man muss ihn regelmäßig betreiben, sich also regelmäßig Zeit dafür nehmen können. Wenn man nur alle drei Wochen einmal joggen geht, wird man nie warm. Dann plagt man sich die Folgetage mit schrecklichem Muskelkater, und die neu gewonnene Fitness verfliegt bis zum nächsten Training. Anders sieht es aus, wenn man sich mehrmals die Woche heiß macht. Dann hält sich die Fitness dauerhaft auf einem hohen Level, und man gewinnt ungemein an Lebensqualität, man fühlt sich wie ein König im eigenen Körper, nicht mehr wie ein Gast auf Durchreise. Eine der besten Bewegungsformen ist die urtümlichste überhaupt: das Laufen. Nachdem wir 30.000 Jahre dem Säbelzahntieger davongerannt sind, können wir uns nicht urplötzlich hinsetzen und nur Kaffee trinken. Der Körper braucht Bewegung zum Leben wie die Seele soziale Kontakte. Joggen trainiert beinahe die Hälfte der gesamten Muskulatur. Es regt den Kreislauf an, spült die Gefäße durch, verbrennt den Speck und weckt die Libido.
Gesund arbeiten
Dennoch schafft man es oft nicht in die Turnschuhe. Zu viel kostet einen die Überwindung. Dann kann man wenigstens dafür sorgen, dass man auf einer gesunden Art und Weise nichts tut. Beispielsweise beim Arbeiten am Laptop. Sitzen verleitet zu einer Haltung, bei der man sich nach vorn lehnt und in leicht geduckter Haltung in den Bildschirm starrt, so, als müsse man einen Text mit mikroskopisch kleinen Buchstaben entziffern. Diese Fehlhaltung ist zunächst kaum spürbar. Doch im Kontext vieler Stunden, die wir täglich, über Jahre hinweg, so vor dem Rechner sitzen, brennt sich der Buckel in unser Rückgrat ein. Wir produzieren so jetzt schon jene Beschwerden, über die sich ältere Menschen beklagen: Rücken- und Augenprobleme, ein steifer Hals, Verspannungen. Achtet man darauf, gerade zu sitzen, dann ist das schon mal Dreiviertel der Miete. Zusätzlich sollte man auch seinen Augen gegenüber gnädig sein und hohe Kontraste vermeiden, indem man nicht in einem dunklen Zimmer auf einen grellen Bildschirm starrt. Das Hacker-Klischee wird mit fünfzig unter annähernd vielen Dioptrien leiden. Gelegentliche Bildschirmpausen (spätestens nach einer Stunde) und das bewusste In-die-Ferne-schauen sind erholsam für die Augen und mindern die kontinuierliche Verschlechterung der Sehkraft. Und warum die Schrift nicht einfach größer stellen, wenn der Text aus der Entfernung schwer zu lesen ist?
Alte Weisheit
Karriere, Geld, Partner und Familie, das sind die Meilensteine unseres Lebens. Erst auf den zweiten Blick fällt auf, dass hier etwas fehlt. Etwas, das in unserem Bewusstsein so stark zurückgedrängt wurde, dass es immer wieder vergessen wird. Als Mantra für uns formulierte Philemon, ein griechischer Dichter, einen Satz, den man sich bei vielen als Bildschirmhintergrund wünscht. „Erbitte dir zuerst Gesundheit, dann Wohlergehen, drittens ein frohes Herz und zuletzt, niemandes Schuldner zu sein.“