Christopher Street Day 2012

Wie Regen­bö­gen nach einem Schauer zieht die Parade am Chris­to­pher Street Day die Blicke auf sich und schenkt den quee­ren Ber­li­nern Farbe.

Christopher Street Day 2012 in Berlin (Foto: Albrecht Noack)

In den Regen­bo­gen­far­ben, den Farben der Homo­se­xu­el­len­be­we­gung, ist heute auch Esther geklei­det – eigent­lich Maxi­mi­lian und Varie­té­tän­ze­rin aus Bran­den­burg. Sie pro­biert ver­schie­dene Kos­tüme für den Chris­to­pher Street Day (CSD) 2012 an. Sie grinst: „Vori­ges Jahr trug ich einen knap­pen Bikini, was einem Spa­nier mit Leder­tanga auf dem Nach­bar­wa­gen ganz beson­ders gut gefiel.“ Dieses Jahr möchte sie etwas diven­haf­ter wirken.

CSD 2012 in Berlin

Der CSD 2012 wird wohl der hei­ßeste Tag des Jahres in Berlin werden. Die bunten, schril­len Teil­neh­mer der Gay Parade lie­fern sich ein gegen­sei­ti­ges Schau­lau­fen – es ist eine Parade der Extreme. Lauter, bunter, knap­per. „Wir wollen vor allem zwei Dinge: zeigen, dass wir uns nicht ver­ste­cken müssen – aber auch, dass wir noch längst nicht alle Pfade bis zur voll­stän­di­gen Akzep­tanz beschrit­ten haben“, erklärt Esther und zupft an ihrem glit­zern­den Oberteil.

Queeres Leben in Berlin

Der Christoper Street Day soll das queere Leben der ganzen Welt auf far­ben­frohe und leb­hafte Weise in all seinen Facet­ten näher brin­gen. „Wir sind anders, aber doch keine ande­ren Men­schen“, sagt Esther. Der CSD bietet die Gele­gen­heit, den eige­nen Stolz, Indi- vidua­li­tät und Frei­heit kol­lek­tiv zu prä­sen­tie­ren – eine neue Unkom­pli­ziert­heit, die sich Homo­se­xu­elle über Jahr­zehnte erkämpft haben.
Aus­ge­hend von Stra­ßen­kämp­fen in der Chris­to­pher Street in New York vom 28. Juni 1969, als sich Schwule erbit­terte Kämpfe mit der Poli­zei lie­fer­ten, über den ersten Chris­to­pher Street Day 1979 in Deutsch­land, war dies ein langer Weg. Esther ist stolz auf die Vor­kämp­fer für Gleich­be­rech­ti­gung. „Damals brauchte man viel mehr Mut als heute, es gab weni­ger Tole­ranz und Auf­klä­rung.“ Auch des­halb ist sie jedes Jahr bei der Demons­tra­tion dabei. „Auch wenn mir die Aus­wahl meiner Kos­tüme schon Monate vorher schlaf­lose Nächte berei­tet“, sagt sie, wäh­rend sie einen langen Fal­ten­rock anprobiert.

Lauter, bunter, knapper — CSD in Berlin

Fast so bunt wie der eigent­li­che Umzug sind die hun­dert­tau­sen­den Zuschauer. Alle Alters­grup­pen und Bevöl­ke­rungs­schich­ten beglei­ten die Parade von Kreuz­berg bis zum Bran­den­bur­ger Tor. Akti­vis­ten werfen dem CSD vor, er wäre zu kom­mer­zi­ell gewor­den, doch „solange nicht in den Hin­ter­grund gerät, dass der CSD als Demons­tra­tion ange- meldet wurde und auch als solche fun­gie­ren soll, bin ich sehr dafür.“ Schließ­lich sei der Umzug die beste Wer­be­maß­nahme für Toleranz.
Wum­mernde Bass­mu­sik, räkelnde Körper, knut­schende Men­schen auf den Boxen erwe­cken den Anschein einer rie­si­gen Party. „Wir demons­trie­ren“, erklärt Esther, „zwar auf unsere Weise, aber wir demons­trie­ren.“ Für mehr Akzep­tanz und Tole­ranz in der Gesell­schaft, damit kleine Lücken geschlos­sen werden. Dies sei mehr von sym­bo­li­scher Bedeu­tung – aber den­noch von großer. Esther schaut auf ihre Hände: „Ich stelle mir eine Hoch­zeit in Weiß in einer alten, prunk­vol­len katho­li­schen Kirche vor.“ Doch dieser Traum wird nicht in Erfül­lung gehen. Sie erkennt zwar die Fort­schritte in Deutsch­land, doch sie benei­det auch andere Länder wie Schwe­den und Mexiko um echte Gleich­stel­lung; Adop­tion und Ehe sind dort für queere Paare ein­fa­cher möglich.

Bürokratie gegen Akzeptanz

Doch abge­se­hen von den büro­kra­ti­schen Struk­tu­ren fehlt es Esther ebenso an gesell­schaft­li­cher Akzep­tanz in Deutsch­land. „Ich sehne mich nach dem Tag, an dem die Rechts­lage keinen Unter­schied wegen Sexua­li­tät mehr macht.“ Natür­lich ist die recht­li­che Gleich­be­hand­lung nur ein Puz­zle­stück einer tole­ran­ten Gesell­schaft, doch noch lebt jeder seine Vor­stel­lun­gen von „normal“ und „anders“. „Hier muss jeder Mensch noch an sich selbst arbei­ten. Tole­ranz ist nicht selbst­ver­ständ­lich, nicht gege­ben – doch sie ist erlern­bar“, phi­lo­so­phiert Esther und geht zum Fens­ter. Am Himmel spannt sich gerade ein Regen­bo­gen auf.

Wer mehr Infor­ma­tio­nen zum CSD benö­tigt und auch an den unzäh­lig vor­han­de­nen Kul­tur­ver­an­stal­tun­gen neben der Haupt­pa­rade inter­es­siert ist, findet mehr Infor­ma­tio­nen unter www.csd-berlin.de.