Fluch oder Segen: Duales Studium
Immer mehr angehende Studenten entscheiden sich für ein duales Studium, doch wie so oft gibt es zwei Seiten der Medaille.
Nach Angaben des Bundesinstituts für Berufsbildung gab es im Jahr 2011 rund 61.100 Studenten, die sich für ein duales Studium entschieden haben. Solche Studiengänge sind in Mode, denn sie bieten den Schulabgängern ein monatliches Gehalt, Praxiserfahrung und gute Übernahmechancen. Doch welchen Preis hat die kompakte Ausbildung?
Duales Studium: Unabhängig Erfahrung sammeln
Das duale Studienprinzip basiert auf der Idee, Studium und Ausbildung zu verbinden, sodass Unternehmen und Studenten davon profitieren. Die Firmen wählen ihren Nachwuchs aus, bilden diesen aus, die Studierenden erhalten eine monatliche Ausbildungsvergütung. Die ist meist nach Jahren gestaffelt und liegt je nach Arbeitgeber zwischen 500 und 900 Euro. Das Gehalt ist ein wichtiger Anreiz und praktisch, um nicht mehr von den Eltern abhängig zu sein und sich eine eigene Wohnung auch ohne Bafög leisten zu können. Neben dem Geld ist auch die Erfahrung ein Anreiz, die während der Praxisphasen erworben wird.
Alex, 19 Jahre alt, studiert Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin. Er hat sich vor einem Jahr für ein duales Studium beworben und wurde bei Bayer in Berlin angenommen. „Ich wollte gleich während des Studiums Praxiserfahrung sammeln und das Gelernte anwenden, statt nur die Theorie zu büffeln“, sagt er. Die Kehrseite ist, dass Semesterferien nicht ins duale Studienprinzip passen. Alex meint dazu:
„Stattdessen gibt es 30 Tage Urlaub im Jahr, das ist natürlich etwas anderes als einige Monate am Stück frei zu haben“.
Duales Studium: In drei Jahren intensiv punkten
Es gibt verschiedene Formen des dualen Studiums, abhängig vom jeweiligen Unternehmen. Entweder wird nach drei Jahren ein Doppelabschluss, also ein Ausbildungsberuf und ein Bachelorabschluss, erreicht, oder nur der Bachelor mit Zertifikat für die Praxisphasen. Der Belastungsgrad ist dementsprechend groß, daher wird das duale Studium auch als Intensivstudium bezeichnet. „Das Studium hat es schon in sich, vor allem durch den straffen Zeitplan“, findet Alex. Dafür wird es allerdings auch mit 210 statt üblichen 180 Credit Points bewertet. Viel Zeit für andere Aktivitäten, wie Hobbys oder das Kennenlernen alternativer Berufswege, bleibt daher nicht. Immerhin ist die berufliche Zukunft relativ sicher, die Aussichten auf dem Arbeitsmarkt sind gut, und es locken hohe Einstiegsgehälter. Allerdings muss in Kauf genommen werden, dass es wenige Wahlmöglichkeiten bezüglich der Module gibt. Denn der Stundenplan ist fest, und es herrscht Anwesenheitspflicht für alle Vorlesungen. Das bedeutet auch, dass das Studium nur eingeschränkt individuell gestaltet werden kann, zum Beispiel durch Zusatzfächer und Wahlpflichtfächer. Alex hat trotzdem im zweiten Semester Französisch gewählt. „Ich wollte nicht, dass die Sprache einrostet, es wäre um das schade gewesen, was ich in der Schule gelernt habe“, sagt er.
Enorme Bewerberzahlen für duales Studium
Duale Studiengänge werden bisher hauptsächlich für die Wirtschaftswissenschaften, für Maschinenbau und Informatik angeboten. Laut dem Bundesinstitut für Berufsbildung stieg die Anzahl der dualen Studiengänge enorm, im Jahr 2011 wurden 20 Prozent mehr Plätze angeboten als im Vorjahr. Die Anzahl der Bewerber stieg ebenfalls, bei den Wirtschaftswissenschaften kamen rund 120 Bewerber auf einen Platz. Entsprechend gestaltet ist der Bewerbungsvorgang. Alex hat sich online bei seinem Unternehmen beworben und wurde daraufhin zu einem Einstiegstest und Gruppenübungen eingeladen. In einem Assessment- Center wurden seine Soft Skills getestet. Sein Tipp: „Man sollte sich einfach nicht verstellen.“ Denn beim Assessment-Center werde kein Wissen abgefragt, sondern das Verhalten beobachtet.
Trotz aller positiven Aspekte warnt die Hamburger Karriere-Beraterin Svenja Hofert vor Karrierefallen, vor allem wenn nach dem Studium keine passende Stelle vorhanden ist:
„Da kommt dann mit Sicherheit im Bewerbungsgespräch die Frage, warum man vom Unternehmen nicht direkt übernommen wurde.“
Alex findet, dass dies kein Kritikpunkt sei:
„Mit einem guten Abschluss und der Praxiserfahrung findet man schnell eine Stelle.“
Kleiner Klassenverbund mit knapp 30 Kommilitonen oder freie Zeiteinteilung, Gestaltungs- und Wahlfreiheit: Letztendlich beruht die Entscheidung welcher Studiengang zu einem passt, darauf, was für ein Lerntyp man ist.