Eben kurz die Welt bereisen

Die „Gates of Hell“ in Turkmenistan sind ein Erdgaskrater, der seit 1971 brennt. © Dominik Fleischmann

Ein Auto, ein Team, ein Ziel: Inner­halb von sechs Wochen, eine Stre­cke von 14.000 km über­que­ren und 1.000 ₤ für wohl­tä­tige Zwecke auf­brin­gen. So lautet der Plan des welt­weit größ­ten Aben­teu­ers auf vier Rädern, auch bekannt als Mongol Rally. Start ist London, weiter durch  21 Länder, drei Wüsten und fünf Berg­ket­ten, bis zum ersehn­ten Ziel: Ulan Bator, der Haupt­stadt der Mongolei.

Vier junge Men­schen haben sich der Her­aus­for­de­rung gestellt und sich in den Som­mer­se­mes­ter­fe­rien auf den Weg gemacht, neben­bei die Welt zu retten. Isabel, Ceci­lia, Domi­nik und Titus heißen die Helden der selbst­er­nann­ten „Mad Tea Party“. Kamila hat zwei von ihnen getrof­fen und über ihre toll­kühne Reise ausgefragt.

Die Route der Mongol Rallye führt durch 21 Länder. © Kimiya Justus

Die Route der Mongol Rallye führt durch 21 Länder. © Kimiya Justus

Was hat euch den Anreiz dazu gegeben, an der Mongol Rally  teilzunehmen?

Ceci­lia: Ich habe vor eini­gen Jahren ein Video dar­über im Inter­net gese­hen und war sofort fas­zi­niert davon. Klar war für mich, dass ich die Rally machen werde, wann und mit wem war nur die Frage.

Isabel: Ceci­lia hat mich dann Anfang des Jahres gefragt, ob ich Lust hätte mit­zu­ma­chen. Zuerst dachte ich mir „Ok, was ist das?!“, habe mich dar­über infor­miert und da ich sowieso ein unfass­bar rei­se­lus­ti­ger Mensch bin, der am liebs­ten alles sehen möchte, war dies der Anreiz, mich ihr anzuschließen.

Habt ihr euch besonders vorbereitet oder seid ihr einfach eurem Instinkt gefolgt?

Ceci­lia: Im Vor­feld gab es schon einige orga­ni­sa­to­ri­sche Sachen, die man erle­di­gen musste, wie z.B. sich um ein Visum küm­mern. Ich habe auch Kon­takt mit Teams auf­ge­nom­men, die die Rally schon gemacht haben, wodurch wir sehr viel Insi­der­wis­sen bekom­men haben. Klas­si­scher­weise hatten wir auch zahl­rei­che Rei­se­füh­rer, die wir im End­ef­fekt aber nicht wirk­lich benutzt haben.

Isabel: Gene­rell, wenn man eine solche Reise plant, muss man sich ein­fach auch auf Situa­tio­nen ein­stel­len, die man nicht vor­aus­se­hen kann und des­we­gen wurde vieles ein­fach spon­tan gere­gelt. Wir haben bei­spiels­weise auch unsere ursprüng­lich geplante Route kom­plett umge­wor­fen und sind ent­lang der Küste gefah­ren, um noch mehr zu erkunden.

Breaking Bad? Nein, das ist die Mad Tea Party bestehend aus Titus, Cecilia, Isabel und Dominik. © Dominik Fleischmann

Brea­king Bad? Nein, das ist die Mad Tea Party bestehend aus Titus, Ceci­lia, Isabel und Domi­nik. © Domi­nik Fleischmann

Wie kann man sich das vorstellen, musstet ihr im Auto schlafen und habt euch von dem ernährt, was ihr auf dem Weg finden konntet?

Isabel: Es war schon unge­fähr so. Ich erin­nere mich, als wir auf dem Pamir-High­way waren, da gab es unter­wegs win­zige Kaffs mit gefühlt 50 Ein­woh­nern und nur einem Kiosk, wo du dir höchs­tens eine Nudel­suppe kaufen und mit einem Gas­ko­cher erwär­men konntest…

Ceci­lia: …was dann etwas kri­tisch wurde, denn zum Ende hin hatten wir für unse­ren Kocher nicht mehr genug Gas und wir hatten noch neun Tage auf den High­way zu ver­brin­gen. Unsere Haupt­nah­rungs­mit­tel waren dann Äpfel und Toma­ten­sa­lat mit Zwiebeln.
Isabel: Eines Tages beka­men wir sogar frisch geba­cke­nes Brot von einer Bäuerin.

Zwischenstation Türkei: Die Mad Tea Party auf einem Basar. © Dominik Fleischmann

Zwi­schen­sta­tion Türkei: Die Mad Tea Party auf einem Basar. © Domi­nik Fleischmann

Wie man merkt, seid ihr auf eurer Reise vielen netten Menschen begegnet!

Isabel: Auf jeden Fall! Vor allem im Iran sind wir auf so herz­li­che Leute getrof­fen. Ich muss dazu sagen, dass wir vor der Ein­reise in den Iran alle extrem auf­ge­regt waren, weil man aus den Medien meist nur dieses Ter­ro­ris­ten­bild kennt. Aber sobald wir da waren, sind alle Vor­ur­teile ver­flo­gen. Leute kamen auch von selbst zu uns, als sie gemerkt haben, dass wir Unter­stüt­zung brau­chen. Und es kommt eben darauf an sich auf die Hilfe ande­rer ver­las­sen zu können, weil du in diesem Moment ein­fach auf dich allein gestellt bist.

Ceci­lia: Ich glaube wie haben alle auf der Reise gemerkt, dass die meis­ten Sachen vor denen man Angst oder Sorge hatte völlig unbe­rech­tigt waren. Ich habe noch nie so viele nette, hilfs­be­reite und inter­es­sante Men­schen in so kurzer Zeit ken­nen­ge­lernt. Natür­lich ist man am Anfang ver­un­si­chert, weil man das alles ja gar nicht kennt, aber ich fände es ein­fach schön, wenn wir lernen würden, mehr auf­ge­regt, als nervös zu sein und ein ande­res Inter­esse an der Welt auf­zu­bauen. Im End­ef­fekt kann über­all Schlim­mes pas­sie­ren und dass man nicht gleich in ein Kriegs­ge­biet fährt ist auch klar, aber ich denke es ist wich­tig, auf sein Bauch­ge­fühl zu hören. Das sind wir aber leider nicht gewohnt.

Der bei Einheimischen als „Door to Hell“ oder „Gates of Hell“ bezeichnete Krater in Turkmenistan, entstand 1971 während einer Bohrung von sowjetischen Geologen. Um zu vermeiden, dass das sich darin befindende Erdgas austritt, wurde es angezündet und brennt bis jetzt noch immer. © Dominik Fleischmann

Der bei Ein­hei­mi­schen als „Door to Hell“ oder „Gates of Hell“ bezeich­nete Krater in Turk­me­ni­stan ent­stand 1971 wäh­rend einer Boh­rung von sowje­ti­schen Geo­lo­gen. Um zu ver­mei­den, dass das sich darin befin­dende Erdgas aus­tritt, wurde es ange­zün­det und brennt noch immer. © Domi­nik Fleischmann

Habt ihr während der Rally auch andere Teams getroffen?

Ceci­lia: Wir haben zwei Briten, George und Hugo, ken­nen­ge­lernt, die uns auch 5 Wochen beglei­tet haben. Das Wit­zige war – und das ist ein guter Tipp für Nach­ah­mer –, dass George im Auto immer einen Akten­kof­fer parat hatte. Sobald wir auf Poli­zei­be­amte gesto­ßen sind, die uns nicht durch­las­sen woll­ten, weil sie offen­sicht­lich Geld von uns woll­ten, zückte George seinen Koffer. Er holte einen Block heraus, um die Namen der Beam­ten auf­zu­schrei­ben. Spä­tes­tens wenn er den Satz „I will call the Embassy“ gesagt hat, durf­ten wir pas­sie­ren, ohne einen ein­zi­gen Cent gezahlt zu haben.

Was war die lustigste Geschichte, die ihr erlebt habt?

Ceci­lia: Uns ist eigent­lich stän­dig etwas Lus­ti­ges pas­siert, aber da muss man selbst dabei gewe­sen sein, um es zu ver­ste­hen. Aller­dings erin­nere ich mich an eine wit­zige Situa­tion, die Domi­nik pas­siert ist, als er 100$ in Kir­gi­stan wech­seln wollte: Der Wech­sel­kurs lag bei 54 Som pro Dollar aber der Mann in der Wech­sel­stube hat ihm statt 5.400 Som, gleich 54.000 gege­ben. Domi­nik hat uns völlig ver­wirrt das Geld gezeigt und ist noch einmal mit Titus zurück­ge­gan­gen, um das Miss­ver­ständ­nis auf­zu­klä­ren. Der Mann dachte aber wahr­schein­lich, dass sie das Geld wieder in Dollar wech­seln woll­ten, sodass er selbst nach dem drit­ten Anlauf nicht mit sich reden ließ. Dann sind wir ein­fach weitergefahren.

Selfie-Time beim Reiten in Kirgisistan. © Dominik Fleischmann

Selfie-Time beim Reiten in Kir­gi­si­stan. © Domi­nik Fleischmann

So schnell kann man sein Geld verzehnfacht. Aber bestimmt lief nicht immer alles so, wie ihr euch das vorgestellt habt?

Isabel: (lacht) Es lief gar nichts nach Plan! Aber ich habe auch schon von Anfang an gesagt: „So eine Reise kann man nicht planen, die pas­siert einfach“.

Ceci­lia: Durch die stän­dige Wet­ter­um­stel­lung waren wir öfter krank, Isabel hat sich die Nase gebro­chen und einmal wurde uns das Auto­ra­dio geklaut. Was die Diebe aber nicht wuss­ten war, dass in unse­rem Hand­schuh­fach noch zwei iPods, eine GoPro und paar hun­dert Dollar lagen.

Der Pamir-Highway in Tadschikistan mit seiner atemberaubenden Aussicht. © Dominik Fleischmann

Der Pamir-High­way in Tadschi­ki­stan mit seiner atem­be­rau­ben­den Aus­sicht. © Domi­nik Fleischmann

Also noch Glück im Unglück gehabt. Aber gab es mal eine brenzlige Situation, in der ihr dachtet „Jetzt ist es vorbei“?

Isabel: Ja, das war eines Nachts im Iran. Ich bin gefah­ren, alle ande­ren waren schon rich­tig fertig und haben geschla­fen. Irgend­wann konnte ich meine Augen aber nicht mehr offen halten, des­halb habe ich an einer Rast­stätte gehal­ten und dachte mir „Ich schlaf‘ jetzt mal ’ne Stunde“. Unge­fähr drei Stun­den später hat die Poli­zei ans Fens­ter geklopft und sofort waren wir alle hell­wach. Ich habe kein Wort von dem ver­stan­den, was der Poli­zist zu mir gesagt hat und das Ein­zige was er dann auf Eng­lisch meinte, war: „You! Follow me or ‚Boom, boom, boom‘!“ Und in dem Moment ist mir prak­tisch das Herz in die Hose gerutscht. Ich war mega ange­spannt, die andere mein­ten nur die ganze Zeit „Chill, ganz ruhig, chill ein­fach. Fahr‘ ihm hinterher!“
Dann hat mich der Beamte an eine Poli­zei­sta­tion gelotst, an der ich parken sollte, aber ich war so unter Strom, dass ich nicht mal mehr rich­tig ein­par­ken konnte. „Scheiße, die denken bestimmt, dass ich betrun­ken bin“, dachte ich mir. Im End­ef­fekt haben sie uns ein­fach vor der Poli­zei­sta­tion schla­fen lassen, was unfass­bar nett war. Ich denke, dass der Poli­zist uns sagen wollte: „Wenn ihr hier bleibt, dann werdet ihr wahr­schein­lich erschos­sen“. Das ist ja auch völlig bescheu­ert, im Iran, mitten im Nir­gendwo, als Touris auf einer Rast­stätte zu schlafen.

Das sind Momente, die in Erinnerung bleiben werden. Hier in Kirgistan. © Dominik Fleischmann

Das sind Momente, die in Erin­ne­rung blei­ben werden. Hier in Kir­gi­stan. © Domi­nik Fleischmann

Inwiefern hat euch diese Reise geprägt?

Isabel: Wir haben auf jeden Fall viele Erin­ne­run­gen an Men­schen mit­ge­nom­men, die uns ein­fach durch ihre Gesten gezeigt haben, wie nobel sie sind und uns viel auf unse­ren Weg mit­ge­ge­ben haben. Zum Bei­spiel waren wir einmal in einem Hostel, das von einem Pro­fes­sor aus London geführt wurde und abends saßen wir zusam­men und haben uns unter­hal­ten. Seine Frau hat wäh­rend­des­sen Kar­tof­feln für die ganze Beleg­schaft, fast 20 Leute geschält. Die alte Frau wurde all­mäh­lich müde, kam plötz­lich zu mir, knallte ein Messer hin und meinte „Ok, du machst jetzt weiter!“. Sie war in dem Moment wie so eine Mama, das fand ich süß.

Ceci­lia: Für mich hat sich durch die Reise sehr viel ver­än­dert. Ich fühle mich besser als davor, zufrie­de­ner. Außer­dem habe ich wäh­rend der Rally beschlos­sen, die Uni abzu­bre­chen und mich neu zu bewer­ben. Ich bin so unglaub­lich froh darüber.
Die Reise hat mir erneut gezeigt, was für ein Glück wir haben. Den wenigs­ten Men­schen geht es so gut wie uns und ich finde, dass wir gerade weil wir dieses Glück haben, es nutzen soll­ten, um das abso­lut Beste draus zu machen. Und das fängt damit an, eine Kar­riere zu wählen, die uns Spaß macht, denn viele haben nicht die Wahl. Man wird durch den Umgang mit so vielen unter­schied­li­chen Leuten nicht nur viel neu­gie­ri­ger, ver­ständ­nis­vol­ler und  welt­of­fe­ner, son­dern man lernt wirk­lich sein eige­nes Leben noch viel mehr zu schätzen.

Gefährlich: Eine Übernachtung im Iran. © Dominik Fleischmann

Gefähr­lich: Eine Über­nach­tung im Iran. © Domi­nik Fleischmann

Die Mongol Rallye geht weiter

Die „Mad Tea Party“ hat es leider nicht bis in die Mon­go­lei geschafft, aber unsere Helden haben trotz dessen das bekom­men, was sie woll­ten: Ein Aben­teuer, voller Hürden, Ein­drü­cke und Men­schen, wel­ches sie ein Leben lang im Herzen tragen werden. 68 Tage waren sie unter­wegs, 16.194 km haben sie zurück­ge­legt, 752 € eingesammelt.
Die Summe kam Cool Earth, einer Orga­ni­sa­tion, die sich für die Erhal­tung des Regen­wal­des ein­setzt sowie der Spen­den­platt­form betterplace.org zugute.
Ceci­lia ist fest ent­schlos­sen, die Mongol Rally nächs­tes Jahr zu been­den. Ob die ande­ren sich ihr anschlie­ßen werden, ist noch unklar. Ihr treuer Gefährte, der Kia Rio, wartet jeden­falls schon in Kasach­stan auf sie.
So span­nend sich dieses Aben­teuer auch anhört, man darf die Gefah­ren und Risi­ken der Mongol Rally  nicht unter­schät­zen. Wer sich trotz dessen dem Wagnis stel­len möchte, kann sich über hier schlau machen.
Für die­je­ni­gen, denen das Ganze nicht so geheuer ist, kann über den Blog der „Mad Tea Party“ oder die Face­book­seite, noch mehr Fotos bewun­dern und das Aben­teuer digi­tal verfolgen.

Fotos: Domi­nik Fleischmann

Das Inter­view führte Kamila Zych.