»Wir werden zusammen erwachsen«

Guido Leonardo Croxatto ist gleichzeitig Doktorand, Anwalt für Menschenrechte und Vater. © Miriam Nomanni

Es ist ein Draht­seil­akt, Fami­lie und Beruf unter einen Hut zu brin­gen. Guido Leo­nardo Cro­xatto, 32 Jahre alt, schafft mit Pla­nung, Geduld und Mut zur Impro­vi­sa­tion die Erzie­hung seines vier­jäh­ri­gen Con­stan­tino – neben der Pro­mo­tion an der Freien Uni­ver­si­tät Berlin (FU). Er ist stu­dier­ter Jurist, Phi­lo­soph und arbei­tete in Argen­ti­nien beim Jus­tiz­mi­nis­te­rium im Sekre­ta­riat Men­schen­rechte. In Europa setzt er sein men­schen­recht­li­ches Enga­ge­ment fort.

Wie lange bist du schon in Berlin und warum bist du hergekommen?

Cro­xatto: Ich bin gebür­ti­ger Ita­lie­ner, habe aber Jura in Ita­lien und Argen­ti­nien stu­diert, wo ich auch Con­stan­ti­nos Mutter getrof­fen habe. Ich kam für For­schungs­auf­ent­halte und Semi­nare nach Göt­tin­gen und Frei­burg. Meinen Master habe ich 2013 an der FU been­det. Da war Con­stan­tino schon da. Jetzt schreibe ich meine Dok­tor­ar­beit und finan­ziere mich über Stipendien.

Was bedeutet es für dich gleichzeitig Doktorand, Anwalt für Menschenrechte und Vater zu sein?

Cro­xatto: Vor allem bedeu­tet es, Prio­ri­tä­ten zu setzen. Wenn ich irgendwo in Europa unter­wegs bin, kommt Con­stan­tino natür­lich mit. Wir sind ohne ein­an­der unglück­lich. Des­halb ver­su­che ich es so ein­zu­rich­ten, dass wir gemein­sam reisen können, das funk­tio­niert irgend­wie immer. Aller­dings ist es nicht ein­fach logis­tisch zu orga­ni­sie­ren. Es gibt jedoch viele Freunde, Kom­mi­li­to­nen oder Insti­tu­tio­nen, die mir helfen.

Ist es manchmal schwer, alle Entscheidungen in Bezug auf Constantino allein treffen zu müssen?

Cro­xatto: Natür­lich. Ich bin mir oft nicht sicher, ob ich alles rich­tig mache. Aber ich glaube, wir werden zusam­men erwach­sen. Con­stan­ti­nos Mutter in Argen­ti­nien ist nicht in der Lage, sich um ihn zu küm­mern und so haben wir gemein­sam ent­schie­den, dass er bei mir lebt.

Wie sind deine bisherigen Erfahrungen als alleinerziehender Vater?

Cro­xatto: Das ist ein inter­es­san­ter Punkt. Ich kann gar nicht sagen, wie oft man mir gesagt hat: »Eine Dok­tor­ar­beit und Kin­der­er­zie­hung? Das schaffst du nicht.« Ich frage mich, ob man das auch einer allein­er­zie­hen­den Mutter gesagt hätte. Ich glaube nicht. Ich sehe mich selbst als abso­lu­ten Femi­nis­ten und umso per­ple­xer war ich wegen dieser Reak­tio­nen. Am Ende sind die Men­schen aber erstaunt, wie gut wir zurechtkommen.

Wie funktioniert euer Alltag, wenn du doch viel in der Universität arbeitest?

Cro­xatto: Unser Alltag funk­tio­niert eigent­lich sehr gut. Ich bin vor­mit­tags ein paar Stun­den im Büro und bringe Con­stan­tino vorher zur Kita. Die ist fast gegen­über der Uni. Nach fünf Stun­den hole ich ihn ab, wir fahren nach Hause und ver­brin­gen den Nach­mit­tag und Abend zusam­men. Sobald er ein­ge­schla­fen ist, arbeite ich noch ein wenig. Oft sogar in seinem Zimmer und immer in der Nähe. Ich denke, das brau­chen wir beide. Ab Juli werde ich zwei Monate nach Frei­burg gehen, um am Max-Planck-Insti­tut zu for­schen. Dort­hin wird mich mein Sohn natür­lich begleiten.

Worüber schreibst du deine Doktorarbeit?

Cro­xatto: Ich schreibe über Pro­fes­sor Robert Alexys Theo­rie der Grund­rechte, nach­dem ich ein sehr span­nen­des Semi­nar in Kiel besucht habe. Dort hat er mich als Mensch sehr beein­druckt und mir gezeigt, dass es nicht nur darum geht, Men­schen­rechte zu lernen, son­dern sie vor­zu­le­ben. Das ist etwas, das ich in meinem Pri­vat­le­ben zu tun ver­su­che. Gerade, wenn es um meinen Sohn geht, ver­su­che ich ihn bei Ent­schei­dun­gen einzubeziehen.

Kannst du dir nach den vergangenen Jahren vorstellen mit Constantino in Berlin zu bleiben?

Cro­xatto: Sicher, dar­über habe ich nach­ge­dacht. Ich habe mir eigent­lich immer vor­ge­stellt, wieder nach Argen­ti­nien zu gehen und dort zu arbei­ten. Aber das ent­scheide ich nicht mehr allein. Con­stan­tino geht in Berlin zur Kita, findet neue Freunde und wird even­tu­ell auch in Deutsch­land ein­ge­schult. Wir müssen schauen, was für uns beide das Beste ist.