Auf der Couch mit: Der Dokumentarin des Verfalls
In unserer Serie sprechen wir mit studentischen Künstlern: diesmal mit Claudia Günther, 26, Fotografin und Studentin der Klassischen Archäologie. Gerade hat sie ihre Masterarbeit abgegeben und so mehr Zeit für ihr Hobby. Sie steigt in verlassene Gebäude und fängt den Verfall mit ihrer Kamera ein. Ein Gespräch über Kunst, Vergänglichkeit und ihre aktuelle Ausstellung.
Als Archäologiestudentin wie Fotografin gräbst du gewissermaßen Schätze aus. Beides verbindet ein Motiv: Vergänglichkeit. Wenn man deine Fotos anschaut, bekommt man das Gefühl, das dauert nicht so lange, wie man denkt und vor allem, was bleibt von uns?
Claudia: (lacht) In klassischer Archäologie beschäftige ich mich natürlich mit noch viel älteren Dingen. Aber es stimmt, es bleibt nicht viel von uns. Also ja, im Prinzip ist beides nicht weit voneinander entfernt. Mich interessiert Altes, das die meisten Leuten nicht mehr so wahrnehmen, und die gewisse Schönheit, die diesen Dingen innewohnt.
Wie bist du zur Fotografie gekommen?
Claudia: In alte Häuser bin ich schon immer gern gegangen. Schöneiche, wo ich herkomme, hatte früher ein altes Schloss. Da bin ich gern reingeklettert – bis es abgerissen wurde.
Und irgendwann hast du dir gesagt, das müsste man festhalten?
Claudia: Mit etwa 16 habe ich eine kleine Digitalkamera geschenkt bekommen. Dann dachte ich mir, die kann ich doch mal mitnehmen. Das war das Schlüsselerlebnis. Richtig los ging es vor fünf Jahren, als ich mir eine Spiegelreflex gekauft habe. Und später mit Stativ wurden die Bilder schlagartig besser.
Wo sind die Bilder entstanden?
Claudia: Viel in Berlin, vor allem Ostberlin, und in Brandenburg. Aber auch einige in Polen. Das ist historisch bedingt. Im Osten steht viel leer, weil es nach der Wende verlassen wurde. Zum Teil sind Gebäude aber schwer zu finden und der Rechercheaufwand ist nicht zu unterschätzen.
Das kann ich mir vorstellen. Es gibt kein Wiki für schöne, verlassene Orte, oder?
Claudia: Doch, das gibt es tatsächlich. Bekannt ist das Blog abandonedberlin.com. Das ist ein kleines Wiki der verlassenen Häuser, sogar mit einem Ranking wie zugänglich die Gebäude sind. Das Blog wird allerdings stark kritisiert, da die Orte preisgegeben werden.
Bei manchen Bilder dachte ich mir, das kannst du unmöglich so aufgefunden haben. Die sehen arrangiert aus. Wie wirklichkeitsgetreu sind die?
Claudia: Ja, das denken viele. Ich bin kein Fan davon, zu viel zu bearbeiten. Ich fotografiere es tatsächlich so, wie es ist und entferne mich von Stilmitteln wie HDR. Damit wirken Bilder zwar mystischer, aber auch künstlicher. Aber ich weiß nicht, wer vorher da war und zum Beispiel einen Flügel hingestellt hat, damit er so aufgefunden wird. Es gibt ja eine große »Lost Spaces-Szene«. Bestes Beispiel sind Sprayer, deren Graffiti ich auch fotografiere. Das ist ganz lustig, manchmal erkenne ich Künstler wieder.
Die Fotos sehen denen aus der Serie »Ruins of Detroit« von Yves Marchand und Romain Meffre zum Verwechseln ähnlich. Hast du dich von diesen Fotografen inspirieren lassen?
Claudia: Eigentlich gar nicht, ich habe das spät mitbekommen. Ich dachte echt, ich habe ein komisches Hobby und dann hauptsächlich für mich und die Festplatte fotografiert.
Und mittlerweile machst du Ausstellungen.
Claudia: Genau, das ist jetzt meine zweite. Die erste hing im Restaurant Jelänger Jelieber, ganz in der Nähe. Im Moment plane ich meine dritte Ausstellung »Schönheit des Verfalls«, die hängt ab Juni im Rathaus Schöneiche.
Würdest du Kunst gern hauptberuflich machen?
Caudia: Das wäre natürlich wirklich schön, wenn ich irgendwann mal davon leben könnte. Das ist aber nicht so aussichtsreich. Es ist sehr groß in meinem Leben, aber ich glaube, es ist gar nicht schlecht, wenn es ein Hobby bleibt. Als Job ist es vielleicht nicht mehr mit so viel Spaß verbunden.
Hier findest du mehr Fotos von Claudia.