Studium abgebrochen – wie weiter?

Bildungsberaterinnen Laura Ritter und Regine Schenkenberger haben schon einigen Studierenden helfen können, die ihr Studium abbrechen wollten. © Miriam Nomanni

Stu­di­en­ab­bruch. In diesem Wort liegen viele Geschich­ten vom Zwei­feln, vom Tri­um­phie­ren und vom Schei­tern. Was pas­siert mit Betrof­fe­nen, wenn sich das in bunten Farben aus­ge­malte Stu­dium als fal­sche Wahl ent­puppt, die Exma­tri­ku­la­tion viel­leicht schon im Brief­kas­ten liegt oder der Leis­tungs­druck ein­fach zu viel wird?

Der 27-jäh­rige David* aus Berlin sah sich genau mit dieser Situa­tion kon­fron­tiert: »Ich wollte unbe­dingt soziale Arbeit stu­die­ren, habe jah­re­lang dar­auf­hin gear­bei­tet und musste dann fest­stel­len, dass die Rea­li­tät des Stu­di­ums ein­fach nicht dem ent­sprach, was ich machen wollte.«

David ist damit einer von rund 28 Pro­zent der Stu­die­ren­den in Deutsch­land, die sich ent­schei­den, ihr begon­ne­nes Stu­dium nicht zu been­den. Das hat eine Studie des Deut­schen Zen­trums für Hoch­schul- und Wis­sen­schafts­for­schung (DZHW) erge­ben. Für David, der bereits eine Aus­bil­dung zum Erzie­her abge­schlos­sen hatte, war aber schnell klar, dass es wei­ter­ge­hen musste und er seine Inter­es­sen in ein ande­res Stu­di­en­fach ein­brin­gen wollte. »Ich hatte schon durch Schul­zei­ten und meinem spä­te­ren Wer­de­gang Erfah­run­gen mit Bera­tungs­stel­len gemacht und war nach einem Monat des Über­le­gens bereit mir Hilfe zu suchen, um zu schauen, wie es wei­ter­ge­hen sollte«, erklärt er. Schließ­lich habe ihm die Bera­tungs­stelle des Stu­den­ten­werks das Pro­jekt »Loo­ping« von der zukunft im zen­trum GmbH empfohlen.

Bil­dungs­be­ra­te­rin Regine Schen­ken­ber­ger ist seit Beginn von »Loo­ping« im April 2011 dabei. Sie gehört zu dem drei­köp­fi­gen Bera­tungs­team der Initia­tive des Pro­jek­tes. »Loo­ping« wird im Rahmen des Pro­gramms »Ber­li­nAr­beit« von der Senats­ver­wal­tung für Arbeit, Inte­gra­tion und Frauen durch­ge­führt und aus Lan­des­mit­teln finan­ziert. Seit 2011 haben sie mehr als 500 Per­so­nen beraten.

Die Aus­gangs­si­tua­tio­nen, in denen sich Stu­die­rende befin­den, seien dabei sehr unter­schied­lich, erklärt Laura Ritter, die eben­falls Mit­glied des Bera­tungs­teams ist. »Einige kommen zu uns, und sind bereits exma­tri­ku­liert worden oder können die nöti­gen Leis­tungs­punkte gar nicht mehr erbrin­gen. Andere sind ent­täuscht von dem Stu­dium, haben durch Krank­heit den Anschluss oder ein­fach die Moti­va­tion ver­lo­ren«, sagt sie. Zu Beginn des Pro­jekts seien es ins­be­son­dere Stu­die­rende der geis­tes­wis­sen­schaft­li­chen Fächer gewe­sen, die die Bera­tung in Anspruch nahmen. Heute seien es hin­ge­gen die MINT-Fächer, die am stärks­ten ver­tre­ten sind, sagt Schenkenberger.

»Loo­ping« bietet in sol­chen Fällen als unab­hän­gige Bera­tungs­stelle weder eine psy­cho­lo­gi­sche Bera­tung noch werden Arbeits­stel­len oder Stu­di­en­plätze direkt ver­mit­telt. Es gehe viel­mehr darum, ergeb­nis­of­fen zu bera­ten und viel­leicht auf andere Bera­tungs­stel­len hin­zu­wei­sen, mit denen sich das Pro­jekt in einer Koope­ra­tion befin­det, wie zum Bei­spiel die Ange­bote des Stu­den­ten­werks oder auch der IHK, betont Schen­ken­ber­ger. Eine solche unab­hän­gige Bera­tungs­stelle sei deutsch­land­weit ein­zig­ar­tig, wes­halb sie auch Anfra­gen aus ande­ren Bun­des­län­dern erhiel­ten. »Wir bera­ten aller­dings nur Ber­li­ner Stu­die­rende«, erklärt Ritter weiter.

Dabei seien die Wün­sche der Per­so­nen, die in die Bera­tung kommen, äußerst viel­fäl­tig. »Die Anlie­gen rei­chen von Ori­en­tie­rung und Ent­wick­lung von beruf­li­chen Zielen über Infor­ma­tio­nen zu Alter­na­ti­ven zum Stu­di­en­fach hin zu Bewer­bungs­be­ra­tung, Ent­schei­dungs­un­ter­stüt­zung und Fragen der Finan­zie­rung«, sagt sie. Oft gehe es auch darum, dass die Betrof­fe­nen ihre Gedan­ken und Mög­lich­kei­ten einmal ordnen können.

Im Rahmen ihrer Bera­tungs­tä­tig­keit haben Schen­ken­ber­ger und Ritter viele posi­tive Bei­spiele erlebt. Sie berich­ten von einem Stu­den­ten, der sich durch das Stu­dium der Gar­ten­bau­wis­sen­schaft quälte und zur Ent­schei­dung kam, besser eine Aus­bil­dung zu machen. Von Bera­tungs­ter­min zu Bera­tungs­ter­min ent­wi­ckelte er mehr Selbst­ver­trauen und ist nun mit seiner Aus­bil­dung sehr zufrie­den. Außer­dem erzäh­len sie die Geschichte eines Lehr­amt-Abbre­chers, der im Anschluss einen erfolg­rei­chen Quer­ein­stieg in den Bio­han­del machte und nach kurzer Zeit stell­ver­tre­ten­der Markt­lei­ter wurde. »Da Deutsch­land immer noch ein abschluss­ori­en­tier­tes Land ist, ermu­ti­gen wir die Stu­die­ren­den auch einen sol­chen Abschluss zu machen. Aber natür­lich muss je nach Ein­zel­fall fest­ge­stellt werden, wie sinn­voll es noch ist, das ange­fan­gene Stu­dium zu been­den oder ob ein Neu­start die rich­tige Wahl sein kann«, meint Ritter abschließend.

David erhielt auf seine Anfrage schnell einen Bera­tungs­ter­min. »Als ich in die Bera­tung ging, wusste ich bereits, dass ich etwas ande­res stu­die­ren wollte. Ich hatte dabei jedoch ver­schie­dene Vari­an­ten im Blick, für die ich mich ent­schei­den konnte.« So sei es ihm durch das Gespräch mit der Bil­dungs­be­ra­te­rin ermög­licht worden, nach und nach seine Inter­es­sen, Wün­sche und Fähig­kei­ten so zu sor­tie­ren, dass eigent­lich nur noch ein Stu­di­en­fach in Frage kam. »Ich war danach erleich­tert und froh, einen guten Weg gefun­den zu haben.« Im neuen Semes­ter beginnt David Wirt­schafts­kom­mu­ni­ka­tion in Berlin zu studieren.

Zur Qua­li­täts­si­che­rung werden die Per­so­nen, die bera­ten worden sind, zunächst nach zwei Mona­ten und dann noch einmal nach einem halben Jahr befragt. Dabei sei ihr Ver­bleib jedoch sehr unter­schied­lich, erläu­tert Schen­ken­ber­ger. »Etwa ein Vier­tel beginnt eine Aus­bil­dung, andere nehmen ihr Stu­dium wieder auf, wech­seln das Stu­di­en­fach oder die Hoch­schule, finden direkt den Ein­stieg in den Beruf oder nehmen sich noch etwas mehr Ori­en­tie­rungs­zeit«, sagt sie.

David ist sich sicher, dass Pro­jekte wie »Loo­ping« wich­tige Anlauf­stel­len für Stu­die­rende sein können. »Ich kann nur allen Stu­die­ren­den emp­feh­len, die Hilfe, die Initia­ti­ven wie ‚Loo­ping‘ bieten, auch anzu­neh­men. Manch­mal genügt es, die eige­nen Gedan­ken mit einer kom­pe­ten­ten Person zu bespre­chen und schlicht zu sor­tie­ren.« Durch diese Ori­en­tie­rungs­hilfe sei auch er schließ­lich fündig gewor­den. David: »Ich freue mich schon sehr auf den Stu­di­en­be­ginn. Ich glaube, dass das genau das Rich­tige für mich ist.«

* Name und Alter geändert