Eben kurz die Welt bereisen
Ein Auto, ein Team, ein Ziel: Innerhalb von sechs Wochen, eine Strecke von 14.000 km überqueren und 1.000 ₤ für wohltätige Zwecke aufbringen. So lautet der Plan des weltweit größten Abenteuers auf vier Rädern, auch bekannt als Mongol Rally. Start ist London, weiter durch 21 Länder, drei Wüsten und fünf Bergketten, bis zum ersehnten Ziel: Ulan Bator, der Hauptstadt der Mongolei.
Vier junge Menschen haben sich der Herausforderung gestellt und sich in den Sommersemesterferien auf den Weg gemacht, nebenbei die Welt zu retten. Isabel, Cecilia, Dominik und Titus heißen die Helden der selbsternannten „Mad Tea Party“. Kamila hat zwei von ihnen getroffen und über ihre tollkühne Reise ausgefragt.
Was hat euch den Anreiz dazu gegeben, an der Mongol Rally teilzunehmen?
Cecilia: Ich habe vor einigen Jahren ein Video darüber im Internet gesehen und war sofort fasziniert davon. Klar war für mich, dass ich die Rally machen werde, wann und mit wem war nur die Frage.
Isabel: Cecilia hat mich dann Anfang des Jahres gefragt, ob ich Lust hätte mitzumachen. Zuerst dachte ich mir „Ok, was ist das?!“, habe mich darüber informiert und da ich sowieso ein unfassbar reiselustiger Mensch bin, der am liebsten alles sehen möchte, war dies der Anreiz, mich ihr anzuschließen.
Habt ihr euch besonders vorbereitet oder seid ihr einfach eurem Instinkt gefolgt?
Cecilia: Im Vorfeld gab es schon einige organisatorische Sachen, die man erledigen musste, wie z.B. sich um ein Visum kümmern. Ich habe auch Kontakt mit Teams aufgenommen, die die Rally schon gemacht haben, wodurch wir sehr viel Insiderwissen bekommen haben. Klassischerweise hatten wir auch zahlreiche Reiseführer, die wir im Endeffekt aber nicht wirklich benutzt haben.
Isabel: Generell, wenn man eine solche Reise plant, muss man sich einfach auch auf Situationen einstellen, die man nicht voraussehen kann und deswegen wurde vieles einfach spontan geregelt. Wir haben beispielsweise auch unsere ursprünglich geplante Route komplett umgeworfen und sind entlang der Küste gefahren, um noch mehr zu erkunden.
Wie kann man sich das vorstellen, musstet ihr im Auto schlafen und habt euch von dem ernährt, was ihr auf dem Weg finden konntet?
Isabel: Es war schon ungefähr so. Ich erinnere mich, als wir auf dem Pamir-Highway waren, da gab es unterwegs winzige Kaffs mit gefühlt 50 Einwohnern und nur einem Kiosk, wo du dir höchstens eine Nudelsuppe kaufen und mit einem Gaskocher erwärmen konntest…
Cecilia: …was dann etwas kritisch wurde, denn zum Ende hin hatten wir für unseren Kocher nicht mehr genug Gas und wir hatten noch neun Tage auf den Highway zu verbringen. Unsere Hauptnahrungsmittel waren dann Äpfel und Tomatensalat mit Zwiebeln.
Isabel: Eines Tages bekamen wir sogar frisch gebackenes Brot von einer Bäuerin.
Wie man merkt, seid ihr auf eurer Reise vielen netten Menschen begegnet!
Isabel: Auf jeden Fall! Vor allem im Iran sind wir auf so herzliche Leute getroffen. Ich muss dazu sagen, dass wir vor der Einreise in den Iran alle extrem aufgeregt waren, weil man aus den Medien meist nur dieses Terroristenbild kennt. Aber sobald wir da waren, sind alle Vorurteile verflogen. Leute kamen auch von selbst zu uns, als sie gemerkt haben, dass wir Unterstützung brauchen. Und es kommt eben darauf an sich auf die Hilfe anderer verlassen zu können, weil du in diesem Moment einfach auf dich allein gestellt bist.
Cecilia: Ich glaube wie haben alle auf der Reise gemerkt, dass die meisten Sachen vor denen man Angst oder Sorge hatte völlig unberechtigt waren. Ich habe noch nie so viele nette, hilfsbereite und interessante Menschen in so kurzer Zeit kennengelernt. Natürlich ist man am Anfang verunsichert, weil man das alles ja gar nicht kennt, aber ich fände es einfach schön, wenn wir lernen würden, mehr aufgeregt, als nervös zu sein und ein anderes Interesse an der Welt aufzubauen. Im Endeffekt kann überall Schlimmes passieren und dass man nicht gleich in ein Kriegsgebiet fährt ist auch klar, aber ich denke es ist wichtig, auf sein Bauchgefühl zu hören. Das sind wir aber leider nicht gewohnt.
Habt ihr während der Rally auch andere Teams getroffen?
Cecilia: Wir haben zwei Briten, George und Hugo, kennengelernt, die uns auch 5 Wochen begleitet haben. Das Witzige war – und das ist ein guter Tipp für Nachahmer –, dass George im Auto immer einen Aktenkoffer parat hatte. Sobald wir auf Polizeibeamte gestoßen sind, die uns nicht durchlassen wollten, weil sie offensichtlich Geld von uns wollten, zückte George seinen Koffer. Er holte einen Block heraus, um die Namen der Beamten aufzuschreiben. Spätestens wenn er den Satz „I will call the Embassy“ gesagt hat, durften wir passieren, ohne einen einzigen Cent gezahlt zu haben.
Was war die lustigste Geschichte, die ihr erlebt habt?
Cecilia: Uns ist eigentlich ständig etwas Lustiges passiert, aber da muss man selbst dabei gewesen sein, um es zu verstehen. Allerdings erinnere ich mich an eine witzige Situation, die Dominik passiert ist, als er 100$ in Kirgistan wechseln wollte: Der Wechselkurs lag bei 54 Som pro Dollar aber der Mann in der Wechselstube hat ihm statt 5.400 Som, gleich 54.000 gegeben. Dominik hat uns völlig verwirrt das Geld gezeigt und ist noch einmal mit Titus zurückgegangen, um das Missverständnis aufzuklären. Der Mann dachte aber wahrscheinlich, dass sie das Geld wieder in Dollar wechseln wollten, sodass er selbst nach dem dritten Anlauf nicht mit sich reden ließ. Dann sind wir einfach weitergefahren.
So schnell kann man sein Geld verzehnfacht. Aber bestimmt lief nicht immer alles so, wie ihr euch das vorgestellt habt?
Isabel: (lacht) Es lief gar nichts nach Plan! Aber ich habe auch schon von Anfang an gesagt: „So eine Reise kann man nicht planen, die passiert einfach“.
Cecilia: Durch die ständige Wetterumstellung waren wir öfter krank, Isabel hat sich die Nase gebrochen und einmal wurde uns das Autoradio geklaut. Was die Diebe aber nicht wussten war, dass in unserem Handschuhfach noch zwei iPods, eine GoPro und paar hundert Dollar lagen.
Also noch Glück im Unglück gehabt. Aber gab es mal eine brenzlige Situation, in der ihr dachtet „Jetzt ist es vorbei“?
Isabel: Ja, das war eines Nachts im Iran. Ich bin gefahren, alle anderen waren schon richtig fertig und haben geschlafen. Irgendwann konnte ich meine Augen aber nicht mehr offen halten, deshalb habe ich an einer Raststätte gehalten und dachte mir „Ich schlaf‘ jetzt mal ’ne Stunde“. Ungefähr drei Stunden später hat die Polizei ans Fenster geklopft und sofort waren wir alle hellwach. Ich habe kein Wort von dem verstanden, was der Polizist zu mir gesagt hat und das Einzige was er dann auf Englisch meinte, war: „You! Follow me or ‚Boom, boom, boom‘!“ Und in dem Moment ist mir praktisch das Herz in die Hose gerutscht. Ich war mega angespannt, die andere meinten nur die ganze Zeit „Chill, ganz ruhig, chill einfach. Fahr‘ ihm hinterher!“
Dann hat mich der Beamte an eine Polizeistation gelotst, an der ich parken sollte, aber ich war so unter Strom, dass ich nicht mal mehr richtig einparken konnte. „Scheiße, die denken bestimmt, dass ich betrunken bin“, dachte ich mir. Im Endeffekt haben sie uns einfach vor der Polizeistation schlafen lassen, was unfassbar nett war. Ich denke, dass der Polizist uns sagen wollte: „Wenn ihr hier bleibt, dann werdet ihr wahrscheinlich erschossen“. Das ist ja auch völlig bescheuert, im Iran, mitten im Nirgendwo, als Touris auf einer Raststätte zu schlafen.
Inwiefern hat euch diese Reise geprägt?
Isabel: Wir haben auf jeden Fall viele Erinnerungen an Menschen mitgenommen, die uns einfach durch ihre Gesten gezeigt haben, wie nobel sie sind und uns viel auf unseren Weg mitgegeben haben. Zum Beispiel waren wir einmal in einem Hostel, das von einem Professor aus London geführt wurde und abends saßen wir zusammen und haben uns unterhalten. Seine Frau hat währenddessen Kartoffeln für die ganze Belegschaft, fast 20 Leute geschält. Die alte Frau wurde allmählich müde, kam plötzlich zu mir, knallte ein Messer hin und meinte „Ok, du machst jetzt weiter!“. Sie war in dem Moment wie so eine Mama, das fand ich süß.
Cecilia: Für mich hat sich durch die Reise sehr viel verändert. Ich fühle mich besser als davor, zufriedener. Außerdem habe ich während der Rally beschlossen, die Uni abzubrechen und mich neu zu bewerben. Ich bin so unglaublich froh darüber.
Die Reise hat mir erneut gezeigt, was für ein Glück wir haben. Den wenigsten Menschen geht es so gut wie uns und ich finde, dass wir gerade weil wir dieses Glück haben, es nutzen sollten, um das absolut Beste draus zu machen. Und das fängt damit an, eine Karriere zu wählen, die uns Spaß macht, denn viele haben nicht die Wahl. Man wird durch den Umgang mit so vielen unterschiedlichen Leuten nicht nur viel neugieriger, verständnisvoller und weltoffener, sondern man lernt wirklich sein eigenes Leben noch viel mehr zu schätzen.
Die Mongol Rallye geht weiter
Die „Mad Tea Party“ hat es leider nicht bis in die Mongolei geschafft, aber unsere Helden haben trotz dessen das bekommen, was sie wollten: Ein Abenteuer, voller Hürden, Eindrücke und Menschen, welches sie ein Leben lang im Herzen tragen werden. 68 Tage waren sie unterwegs, 16.194 km haben sie zurückgelegt, 752 € eingesammelt.
Die Summe kam Cool Earth, einer Organisation, die sich für die Erhaltung des Regenwaldes einsetzt sowie der Spendenplattform betterplace.org zugute.
Cecilia ist fest entschlossen, die Mongol Rally nächstes Jahr zu beenden. Ob die anderen sich ihr anschließen werden, ist noch unklar. Ihr treuer Gefährte, der Kia Rio, wartet jedenfalls schon in Kasachstan auf sie.
So spannend sich dieses Abenteuer auch anhört, man darf die Gefahren und Risiken der Mongol Rally nicht unterschätzen. Wer sich trotz dessen dem Wagnis stellen möchte, kann sich über hier schlau machen.
Für diejenigen, denen das Ganze nicht so geheuer ist, kann über den Blog der „Mad Tea Party“ oder die Facebookseite, noch mehr Fotos bewundern und das Abenteuer digital verfolgen.
Fotos: Dominik Fleischmann
Das Interview führte Kamila Zych.