Eindimensional
In der Politik sind „Links” und „Rechts” etablierte Begriffe. Nur mit der Wirklichkeit haben sie nicht viel zu tun.
„Das sind aber rechte Ansichten", ist gerade in politischen Auseinandersetzungen nicht das seltenste Argument. Dabei soll der Angesprochene nicht gelobt oder gar die Richtigkeit seiner Ansichten betont werden, sondern es ist wohl meist abwertend gemeint. Auch die „rechte Gesinnung” muss nicht immer eine „richtige Gesinnung” sein – auch wenn das früher einmal im doppelten Sinne wortidentisch war. Und dass eine „linke Idee” falsch – also link – ist, wird im ersten Moment auch niemand unterstellen wollen. Hier überschneiden sich einfach zwei Wortfelder, die gar nichts mehr miteinander zu tun haben.
Im französischen Parlament war der traditionell ehrenvollere Platz rechts vom Präsidenten und dem Adel vorbehalten. Die Wertschätzung der rechten Seite spiegelt sich sprachlich in der Wortfamilie von „rechts/recht/richtig” wieder. Das Bürgertum musste sich mit der anderen Seite begnügen. Aus dieser Sitzverteilung „rechts – konservativ” und „links – progressiv” leitet sich unsere Vorstellung von rechten und linken Parteien her, die spätestens mit der Etablierung der Liberalen eigentlich überholt ist, denn diese sind keiner der beiden Strömungen eindeutig zuzuordnen.
Wo stehen sie?
Die Begeisterung für gesellschaftliche Eliten und deren Erhalt gilt als etwas genuin „Rechtes”. Ihr Festhalten und Zementieren des Status Quo brachte ihnen den Ruf des Konservativismus ein. Patriotismus, als eines der zu bewahrenden Güter, führt schnell zu Nationalismus und Abgrenzung oder gar Abschottung.
Die Gegenseite definierte sich häufig erst in ihrer Abgrenzung und in ihrem Kampf gegen bestehende Systeme. So schrieb sich „die Linke” das Prinzip der Gleichheit aller Menschen auf die Fahne, was nicht nur finanzielle Aspekte hat, sondern auch Religion, Geschlecht, Behinderungen, Sexualität umfasst. Besonders ihr Eintreten für eine Verbesserung der Lebensbedingungen in den unteren Schichten sorgte für stete Reibungen mit den Status-Quo-Bewahrern. Auch wenn man „links” eher als internationalistisch bezeichnen könnte, finden sich gerade dort sehr viele Globalisierungsgegner.
Mit der Zentrumspartei wollten die Gründer 1870 dieser rechts-links-Logik entkommen und bildeten bis 1933 eine der wichtigsten bürgerlichen Parteien des Kaiserreiches und der Weimarer Republik. Gerhard Schröder versuchte ähnliches mit seiner „Politik der neuen Mitte”, dennoch bleibt der linke Ruf an der SPD hängen. Heute werden außerdem grüne und sozialistische Parteien zum linken Lager gezählt. Im rechten Lager hingegen tummeln sich ausschließlich extreme Gruppierungen, denn dieser Begriff ist so stark negativ besetzt, dass ihn keine größere Partei freiwillig für sich in Anspruch nimmt.
An den Hochschulen
Mit den studentischen Parlamenten verfügen die Hochschulen über eigene Gremien, die ähnlich wie die großen Staatsgremien funktionieren sollen. Daher hat sich auch hier eine parteienähnliche Aufteilung gebildet, die sich der schlichten Einteilung in links und rechts jedoch entzieht. Sicherlich fiele es leicht, die eine oder andere Gruppierung als sehr links einzuordnen, während andere schon deutlich rechts anzusiedeln sind. Dennoch geht diese Einteilung an der Realität vorbei, denn häufig wird gerade mal eine der ehemals eindeutigen Positionen deutlich zum Ausdruck gebracht.
Aus der Kritik an der bestehenden Klassifizierung entstand das „politische Wertedreieck”, in dem sich jede Partei oder Gruppierung zwischen den drei Polen einordnen kann: Sicherung/Konservativismus, Gleichheit/Sozialismus und Freiheit/Liberalismus. Je näher eine Partei am Rand oder gar in einer Ecke liegt, als desto extremer kann sie gelten. Doch ob sich diese zweidimensionale Variante gegenüber der eindimensionalen Einteilung durchsetzen kann, ist zweifelhaft. Auf jeden Fall ist sie aber deutlich näher an der dreidimensionalen Wirklichkeit.