Volle Kraft voraus

Schiffe bauen, sodass sie den Hafen im Ganzen ver­las­sen und auch wieder heil ein­lau­fen. Ein Stu­di­en­fach an der TU Berlin.

Berlin liegt nicht gerade am Meer, aber die Stu­den­ten­stadt hat die Spree. Grund genug, dass man an der TU Berlin, am Fach­be­reich für Ver­kehrs- und Maschi­nen­sys­teme auch die Stu­di­en­rich­tung „Schiffs- und Mee­res­tech­nik“ am Insti­tut für Land- und See­ver­kehr stu­die­ren kann. Einer der ver­blie­be­nen Diplom-Stu­den­ten ist in diesem mitt­ler­weile modu­la­ri­sier­ten Stu­di­en­gang Norman Löff­ler. Der 25-Jäh­rige stu­diert im zehn­ten Semes­ter und weiß, wie wenig das Stu­dium zunächst mit der rauhen See zu tun hat.

„Der Groß­teil des Stu­di­ums dient dazu, sich Fer­tig­kei­ten anzu­eig­nen, um Schiffe oder deren Kom­po­nen­ten kon­stru­ie­ren zu können. Es gibt aber auch die Mög­lich­keit, sich mit logis­ti­schen- und infra­struk­tu­rel­len Themen zu beschäf­ti­gen“, so Norman. Man spinnt also nicht semes­ter­lang See­manns­garn oder übt Holzbeinpolieren.

Schwerer Start

Die ersten großen Hürden sind auch in diesem Inge­nieurs-Stu­di­en­gang die Prü­fun­gen in Fächern wie Kon­struk­ti­ons­lehre und Mathe­ma­tik. Bis dort­hin unter­schei­det sich das Stu­dium inhalt­lich nicht allzu sehr von ande­ren Maschi­nen­bau-Stu­di­en­gän­gen. So sind auch hier in den Klau­su­ren hohe Durch­fall­quo­ten von bis zu 80 Pro­zent zu ver­zeich­nen. Einen Groß­teil des wei­te­ren Stu­di­ums ver­bringt man am Com­pu­ter, um Kon­struk­tio­nen zu simu­lie­ren. Von daher ist ein gutes Infor­ma­tik-Grund­wis­sen wich­tig. Im Gegen­satz zu frü­he­ren Konstruk­tionsmethoden spart man so Zeit, weil man die Modelle nicht mehr zeich­nen muss.

Im Fach „Kon­struk­ti­ons­lehre“ hat Norman auch sein bisher span­nends­tes Pro­jekt bear­bei­tet. „Wir haben zu sechst inner­halb eines Semes­ters einen Teil eines Brü­cken­krans, die soge­nannte ‚Lauf­katze‘, kom­plett selbst ent­wi­ckelt und in 3D kon­stru­iert. Es hatte schon etwas von rich­ti­ger Inge­nieurs­ar­beit“, erzählt er.

Beim Ent­wer­fen eines Schif­fes müssen viele Anfor­de­run­gen erfüllt werden. „Unter­was­ser spie­len Anfor­de­run­gen wie die Schiffs­ge­schwin­dig­keit, die Größe des Schiffs, das Fahr­ge­biet und die Sicher­heits­vor­schrif­ten eine Rolle“, so Norman. Bei der Gestal­tung Über­was­ser, also für das ästhe­ti­sche Auge, sind jedoch kaum Gren­zen gesetzt. „Es sei denn, es han­delt sich um sehr schnelle Schiffe, da muss man auf die aero­dy­na­mi­sche Form achten“, sagt er.

Latte-Vereinigung

Am Anfang inter­es­sierte Norman vor allem die tech­ni­sche Seite. Aber im Laufe des Stu­di­ums hat sich auch bei ihm eine Fas­zi­na­tion für das Meer bemerk­bar ausgebildet.

Um den tro­cke­nen Lern­stoff den eigent­li­chen Gewäs­sern näher zu brin­gen, nimmt die stu­den­ti­sche Tret­boot-AG der TU Berlin an den all­jähr­li­chen inter­na­tio­na­len Regat­ten teil, bei denen sie ihre selbst­kon­stru­ier­ten Boote an den Start gehen lässt. Das Ber­li­ner Team wird dabei von der Ver­ei­ni­gung Ber­li­ner Schiffs- und Mee­res­tech­nik­stu­den­ten „Hey­lige Frau Latte“ gestellt. Hier finden die mari­ti­men Stu­den­ten Gleich­ge­sinnte, Kon­takte zur Indus­trie und damit poten­zi­el­len Arbeitgebern.

Gute Aussichten

Mit dem Mas­ter­ab­schluss Schiffs- und Mee­res­tech­nik hat man gute Berufs­aus­sich­ten in einem abwechs­lungs­rei­chen und zugleich her­aus­for­dern­den Tätig­keits­feld. Wer Schiffs- und Mee­res­tech­nik stu­diert, kann sich auf ein inter­na­tio­nal aus­ge­rich­te­tes Tätig­keits­feld freuen. Deut­sche Fach­kräfte werden über­all auf der Welt gesucht. Schiff­bau, Schiff­fahrt und Mee­res­tech­nik sind eng mit der Welt­wirt­schaft und dem Welt­han­del ver­bun­den und ent­wi­ckeln sich expansiv.

Gut bezahlte Beschäf­ti­gun­gen an deut­schen Werf­ten sind heute selten. „Das hat mit dem Werft­ster­ben zu tun, da die meis­ten deut­schen Werf­ten ein­fach nicht in der Lage sind mit den asia­ti­schen zu kon­kur­rie­ren“, erklärt Norman. Eine Aus­nahme sei jedoch der Pas­sa­gier­schiff- und Yacht­bau. Da trifft es sich gut, dass Norman sich auf das Yacht­de­sign spe­zia­li­sie­ren möchte.

„Ich bin fas­zi­niert von klei­nen Schif­fen, die vom Wind ange­trie­ben werden, aber schnel­ler als dieser fahren können“, sagt Norman. Dieses Inter­esse wurde vor allem durch den inter­na­tio­na­len „America’s Cup“, die bekann­teste und älteste noch heute aus­ge­tra­gene Segel­re­gatta, bestärkt. Und wo sieht Norman sich später? Auf einer Yacht auf dem blauen Ozean oder vor dem Skiz­zen­block? Da muss er schmun­zeln. „Am liebs­ten will ich beides machen“, verrät er.

Über Christiane Kürschner (89 Artikel)
2004 bis 2010 Studium (Philosophie, Deutsche Philologie, AVL) an der FU, HU und Uni Bern. 2007 bis 2010 Fachjournalistikstudium. PR-Volontariat bis Juni 2011. Seit Juli 2011 freie Autorin und Texterin. Ihre Leidenschaften: Bücher, Fotografie und Essen- und in allem viel Farben. www.frollein-wortstark.de
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