Islands Perlen

Kaum jemand hat Island auf seiner lite­ra­ri­schen Welt­karte. Doch nun ist das Insel­volk Ehren­gast auf der Frank­fur­ter Buch­messe im Okto­ber. Zwei Neu­erschei­nun­gen zeigen weshalb.

Mit Biss gegen Bomben

„Eine Frau bei 1000°“ Hall­grí­mur Hel­ga­son, 400 Seiten, 19,95 Euro

Ein Stück islän­di­sche Geschichte aus der Sicht einer mur­ren­den Alten. Das bietet der neue Roman „Eine Frau bei 1000°“ von Hall­grí­mur Hel­ga­son. Der zeternde Erzähl­ton der 80-jäh­ri­gen Herbjörg macht das Lesen zu einem Ver­gnü­gen – doch durch die Erzäh­lung einer tod­kran­ken Frau klin­gen auch die Schre­cken des Krie­ges und das Schick­sal der Skan­di­na­vier, das viel zu selten zur Spache kommt. Wir erfah­ren von der Geschichte eines Kindes, das die bri­ti­sche Beset­zung Islands 1940 erlebte; eines Kindes, das im zer­bomb­ten Deutsch­land umher­irrt, als am 17. Juni 1944 die demo­kra­ti­sche Repu­blik Island aus­ge­ru­fen wurde.

Herbjörg ver­bringt ihre letz­ten Tage – den Ofen für ihre eigene Ver­bren­nung hat sie bereits bestellt – in einer schä­bi­gen Well­blech­hütte bei Reykja­vik. Die Ein­sam­keit teilt sie mit Face­book, wo sie das Profil einer Schön­heits­kö­ni­gin bedient und viele Ver­eh­rer hat. Ihre wirk­li­che Umge­bung über­schüt­tet sie wahr­lich nicht mit Liebe. Aber schaut man auf ihre Erin­ne­run­gen zurück, blei­ben die Fragen: Konnte sie anders? Konnte sie ihre Söhne mehr lieben? Konnte sie über­haupt anders lieben als zwi­schen den Zeilen? Manch­mal endet ein Leben mit dem Schick­sal unversöhnt.

Gefangen in der Künstlichkeit

„Frauen“ Stei­nar Bragi, 272 Seiten, 19,90 Euro

Mit „Frauen“ schrieb Stei­nar Bragi einen Roman, der keine klaren Gren­zen zwi­schen Wirk­lich­keit und Künst­lich­keit zieht. Die Künst­le­rin Eva Einárs­dot­tir lässt ihren Freund zurück – ihre Bezie­hung hat eine schwere Krise nicht über­stan­den. Sie erhält das Ange­bot, vor­über­ge­hend in einer schi­cken Pent­house-Woh­nung in Reykja­vik auf die Katze auf­zu­pas­sen und die Blumen zu gießen. Es gibt nur keine Blumen, und die Katze benimmt sich selbst wie ein Gast.

Nach kurzer Zeit wird die Woh­nung zu einem Gefäng­nis und sie zu einer Gefan­ge­nen, die zwar Stra­fen, aber keine Erklä­rung erwar­ten darf. Aber was hält sie fest? Sie ging ins Schlaf­zim­mer und besah sich die weiße Maske in der weißen Wand, die im Tages­licht kaum zu erken­nen war. Als sie über­legte, wie ihr Gesicht dort hin­ein­pas­sen könnte, ver­spürte sie großen Wider­wil­len. Sie fühlte sich ein­ge­engt, und dann war da noch das Gefühl, das sehr viel stär­ker war. Und auf merk­wür­dige Weise eine Anzie­hungs­kraft aus­übte. Ihre ver­meint­li­chen Pei­ni­ger schwan­ken zwi­schen purem Sadis­mus und dem Willen, ein Exem­pel zu sta­tu­ie­ren. Dabei steht der Instal­la­ti­ons­künst­ler Novak im Mit­tel­punkt. Der Leser bekommt Häpp­chen zuge­wor­fen – das Puzzle zur Lösung muss man selbst zusam­men­set­zen. Ist Eva ein Kunst­ob­jekt gewor­den und ver­kör­pert sie damit die Frau der Gegenwart?

Ein beklem­men­der Roman, der das Leben zu einer Instal­la­tion erklärt und Frauen zu unge­woll­ten Schauspielern.

Verlosung

Wir ver­lo­sen zwei Exem­plare von Stei­nar Bragis neuem Buch „Frauen“ sowie drei Exem­plare von Hall­grí­mur Helgason.

Die Ver­lo­sung ist am 18. Novem­ber abgelaufen.

 

Über Christiane Kürschner (89 Artikel)
2004 bis 2010 Studium (Philosophie, Deutsche Philologie, AVL) an der FU, HU und Uni Bern. 2007 bis 2010 Fachjournalistikstudium. PR-Volontariat bis Juni 2011. Seit Juli 2011 freie Autorin und Texterin. Ihre Leidenschaften: Bücher, Fotografie und Essen- und in allem viel Farben. www.frollein-wortstark.de
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