Studieren und leben in Berlin

Heute: Wem in Berlin gerade viel kälter ist als uns, wo man in Berlin Orte ent­de­cken kann und warum man manch­mal besser nichts sagt.

Blume Bring Sonne in dein Leben ! (Foto: Kürschner)

Es ist kalt in Berlin. Sehr kalt. Aber das küm­mert Ber­li­ner Stu­den­ten nicht, denn die müssen gerade sowieso zu Hause sitzen und für Klau­su­ren büf­feln. Es gibt also gar keine Alter­na­tive. In zwei Wochen (seien wir opti­mis­tisch, es sind fast nur knapp zwei Wochen) sind Semes­ter­fe­rien und wer nicht die Kohle hat um ins Warme zu fahren, der bleibt hier. Nach Hause zu den Eltern will wahr­schein­lich nie­mand, denn Weih­nach­ten ist noch zu sehr in Erin­ne­rung. Ob die Bahn einen über­haupt ins warme Nest brin­gen würde, ist natür­lich auch frag­lich. Also: Bleibt in Berlin, bleibt in Pots­dam, Stadtstudenten!

Macht es euch im Bett gemüt­lich, schaut ab und zu aus dem Fens­ter bis die Nase friert und schlürft einen Tee. Hier drei gute Links, die ihr wäh­rend des Auf­tau­ens mal anschauen und durch­den­ken könnt.

Winterspaziergang mit Erinnerungswert

Seit ver­gan­ge­ner Woche ist auf der Home­page der Bun­des­zen­trale für poli­ti­sche Bil­dung eine Daten­bank mit Erin­ne­rungs­or­ten für die Opfer des Natio­nal­so­zia­lis­mus online. In Berlin werden 30 Tref­fer ange­zeigt. Bei einem Win­ter­spa­zier­gang kann man so viel­leicht einen bisher unent­deck­ten Ort in seinem Kiez ent­de­cken. Schade, dass der Jüdi­sche Fried­hof Wei­ßen­see, mein Ort in meinem Kiez, anschei­nend kein Erin­ne­rungs­ort ist. Dort liegt gerade eine dünne Schnee­de­cke auf den Grab­stei­nen und wenn man sich in den Gängen und Fel­dern ver­liert, ein Rabe ruft und der Wind pfeift, fühlt man sich sehr, sehr allein.

Was zählt

So kann man sich viel­leicht ein wenig in die Lage von Wolf­gang Herrn­dorf hin­ein­ver­set­zen. Der ist Schrift­stel­ler. Aber ich brau­che hier gar nicht seine schrift­stel­le­ri­sche Fähig­kei­ten besin­gen. Kri­tisch sein Werk zer­pflü­cken auch nicht. Wolf­gang Herrn­dorf wird ster­ben. Er hat ein Glio­blas­tom, einen wilden Krebs in seinem Kopf. Er wird in den nächs­ten Mona­ten ster­ben. Sein Tage­buch ist ein Blog, der letzte Ein­trag (wirk­lich der letzte?) ist vom 20.12.2011 und man weiß nicht, ob ein nächs­ter folgen wird.  Aber ich möchte das jetzt nicht aus­ein­an­der nehmen, denn selbst das wirkt schon wieder auf­merk­sam­keits­hei­schend. Und das braucht dieser Mann nicht mehr. Und das ist wohl das abso­lut Wahrste und das, was den Men­schen immer noch um den Ver­stand bringt: Herrn­dorfs Blog “Arbeit und Struk­tur” wird bespro­chen, Herrn­dorf wird bemit­lei­det, zu Ver­an­stal­tun­gen ein­ge­la­den. Und zum Schluss ist er doch tot. Und wir suchen uns den nächs­ten Tod­ge­weih­ten, der uns Ein­sich­ten in sein Leben gibt.

Leben retten

Der Kreis schließt sich, wenn die Kürsch­ner nicht mehr tippen kann, weil es so kalt ist. Wäh­rend ich nun gleich meine stei­fen Finger an der Hei­zung wärmen gehen werde, leben ca. 4000 Men­schen in Berlin auf der Straße. Nie­mand möchte wissen, wie es nun bei diesen Tem­pe­ra­tu­ren ist, wenn man kein Dach über dem Kopf hat. Die Stadt­mis­sion und Käl­te­hilfe tut alles, um den Obdach­lo­sen zu helfen. Wenn ihr dicke Socken, Pull­over oder ande­res übrig habt, könnt ihr etwas Gutes tun und es spenden.

Das war ein wasch­ech­ter Januar-Kaf­fee­klatsch, denn bevor wir uns ver­se­hen, ist Sommer und die Themen wie der nahende Tod, der ver­meid­bare Tod und der his­to­ri­sche Tod passen nicht mehr in unse­ren Kopf. Also denken wir jetzt dar­über nach und ver­schie­ben es nicht auf später.

Über Christiane Kürschner (89 Artikel)
2004 bis 2010 Studium (Philosophie, Deutsche Philologie, AVL) an der FU, HU und Uni Bern. 2007 bis 2010 Fachjournalistikstudium. PR-Volontariat bis Juni 2011. Seit Juli 2011 freie Autorin und Texterin. Ihre Leidenschaften: Bücher, Fotografie und Essen- und in allem viel Farben. www.frollein-wortstark.de
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