März 2012 — Berlin ist Hauptstadt der Physik

Die Jah­res­ta­gung der Deut­schen Phy­si­ka­li­schen Gesell­schaft findet an der TU Berlin vom 25. bis 30.3. statt. Dazu gibt es einen EinsteinSlam.

In Ber­lin­tref­fen sich vom 25. bis 30.3. rund 6.000 Fach­leute zum vor­aus­sicht­lich größ­ten euro­päi­schen Phy­sik­kon­gress des Jahres, der 76. Jah­res­ta­gung der DPG in Ver­bin­dung mit der Früh­jahrs­ta­gung der Sek­tion Kon­den­sierte Mate­rie. Zum Fest­akt am 27.3. um 15.30 Uhr, bei dem die DPG ihre höchs­ten Aus­zeich­nun­gen in Form zweier Gold­me­dail­len ver­leiht, spricht Bun­des­for­schungs­mi­nis­te­rin Annette Schavan.

DPG an TU Berlin

Ver­an­stal­ter ist die Deut­sche Phy­si­ka­li­sche Gesell­schaft, Gast­ge­ber die TU Berlin. Das wis­sen­schaft­li­che Pro­gramm wird von der Sek­tion Kon­den­sierte Mate­rie der DPG gestal­tet, deren wis­sen­schaft­li­ches Spek­trum von Festkörper‑, Halb­lei­ter- und Ober­flä­chen­phy­sik über Bio­lo­gi­sche sowie Che­mi­sche Physik bis hin zur Physik sozio-öko­no­mi­scher Sys­teme reicht wie auch wei­tere Fach­ver­bände wie Strah­len- und Medi­zin­phy­sik, Umwelt­phy­sik oder Phi­lo­so­phie der Physik ein­schließt. Mate­ri­al­for­schung und Nano­tech­no­lo­gie sind daher Schwer­punkte des viel­sei­ti­gen Pro­gramms, das sich jedoch auch mit den Com­pu­tern von über­mor­gen, Rüs­tungs­kon­trolle, Ener­gie- und Kli­ma­for­schung, der Ana­lyse der Finanz­märkte bis hin zu dem Reak­tor­un­fall von Fuku­shima beschäftigt.

Festakt mit Annette Schavan im Audimax von TU Berlin

Fei­er­li­cher Höhe­punkt der Tagung ist ein Fest­akt am 27.3. im Audi­max der TU Berlin. Die Fest­re­den halten Bun­des­for­schungs­mi­nis­te­rin Annette Scha­van sowie DPG-Prä­si­dent Wolf­gang Sand­ner. Im Anschluss über­reicht die DPG ihre beiden höchs­ten Aus­zeich­nun­gen: die Max-Planck-Medaille für Theo­re­ti­sche Physik an Martin Zirn­bauer, Uni­ver­si­tät zu Köln, die Stern-Ger­lach-Medaille für Expe­ri­men­telle Physik an den Quan­ten­phy­si­ker Rainer Blatt von der Uni­ver­si­tät Inns­bruck. Den Fest­vor­trag hält Martin Wege­ner vom Karls­ru­her Insti­tut für Tech­no­lo­gie. Er spricht über Meta­ma­te­ria­lien, die seit eini­gen Jahren die Phan­ta­sie der Wis­sen­schaft­ler beflü­geln. Super­lin­sen, die kleinste Details sicht­bar, sowie Tarn­vor­rich­tun­gen, die Objekte wie­derum unsicht­bar machen, rücken damit von der Sci­ence-Fic­tion all­mäh­lich in den Bereich des Machbaren.

Ausgewählte Höhepunkte Frühjahrstagung an TU Berlin

Daten­spei­che­rung: In den zahl­rei­chen Vor­trä­gen über neu­este Ent­wick­lun­gen der phy­si­ka­li­schen Grund­la­gen­for­schung geht es unter ande­rem um Mate­ri­al­for­schung, Nano­tech­no­lo­gie sowie  Daten­spei­che­rung. Dis­ku­tiert werden über­dies aktu­elle Ergeb­nisse im Bereich der “Quan­ten­com­pu­ter”. David DiVin­cenzo, RWTH Aachen sowie For­schungs­zen­trum Jülich, wird dazu bei­spiels­weise “Con­cepts in Quan­tum Com­pu­ta­tion” erläu­tern. Diese neu­ar­ti­gen Com­pu­ter, die bis­lang aller­dings nur im Labor­maß­stab exis­tie­ren, ver­spre­chen ein enor­mes Tempo bei der Ver­ar­bei­tung großer Daten­men­gen. Zu den Pio­nie­ren dieses Fach­ge­bie­tes zählt der deutsch-öster­rei­chi­scher Expe­ri­men­tal­phy­si­ker Rainer Blatt von der Uni­ver­si­tät Inns­bruck, dem im Rahmen der Tagung die Stern-Ger­lach-Medaille über­reicht werden wird. Sie ist euro­pa­weit eine der bedeu­tends­ten Aus­zeich­nung in der Physik. Unter dem Titel “The quan­tum way of doing com­pu­ta­ti­ons” gibt er am 27.3. einen Über­blick zum Stand der Forschung.

Com­pu­ter­si­mu­la­tion von Lebens­pro­zes­sen: Diverse Vor­träge widmen sich den phy­si­ka­li­schen Aspek­ten des Lebens. So spricht am 26.3. Sta­nis­las Lei­bler. Der an der New Yorker Rocke­fel­ler Uni­ver­sity tätige For­scher ist ein Vor­rei­ter der “Sys­tem­bio­lo­gie”. Diese Wis­sen­schafts­dis­zi­plin befasst sich mit der Com­pu­ter­si­mu­la­tion von Lebens­pro­zes­sen. Solche Pro­zesse spie­len sich  bei­spiels­weise im Inne­ren von Bak­te­rien ab. Orga­nis­men bevöl­ker­ten die Erde bereits vor rund vier Mil­li­ar­den Jahren, darauf deuten Fos­si­lien hin. Doch wie das Leben über­haupt ent­stand, ist Gegen­stand reger Dis­kus­sion. Ein Sym­po­sium, das am 30.3. statt­fin­den wird, befasst sich mit den mole­ku­la­ren Vor­gän­gen, die dabei eine Rolle gespielt haben dürf­ten. Die Rechen­künste von Ner­ven­zel­len, wie Kai­ser­pin­guine durch geschick­tes Schwarm­ver­hal­ten der Kälte trot­zen sowie die Erfor­schung von Herz-Rhyth­mus-Stö­run­gen sind wei­tere Bei­spiele für “leb­hafte” Programmpunkte.

Ener­gie­wende und Strom­netze: Wäh­rend der Tagung werden diverse Aspekte der Ener­gie­for­schung, Ener­gie­tech­nik und Ener­gie­po­li­tik behan­delt: Neben der deut­schen “Ener­gie­wende” geht es um die Sta­bi­li­tät der Netz­ver­sor­gung sowie um Pla­nun­gen der EU in Sachen Trans­port und Ver­kehr. Am 26. 3. behan­delt etwa Jürgen-Fried­rich-Hake, For­schungs­zen­trum Jülich, Ener­gie­s­ze­na­rien für Deutsch­land sowie das Ener­gie­kon­zept der Bun­des­re­gie­rung. Franz-Xaver Söld­ner, EU-Kom­mis­sion, Brüs­sel, wird einen Über­blick über die Pla­nun­gen der EU zur “Mobi­li­tät der Zukunft” geben.

Fuku­shima: Vor rund einem Jahr führte ein Tsu­nami vor der japa­ni­schen Küste zum Reak­tor­un­fall von Fuku­shima. Diverse Vor­träge ana­ly­sie­ren Her­gang und Folgen dieser Kata­stro­phe, dar­un­ter ein Sym­po­sium am 28.3. Joa­chim Knebel, Karls­ru­her Insti­tut für Tech­no­lo­gie (KIT), wird bei­spiels­weise aus­füh­ren, wie Fuku­shima die Ener­gie­po­li­tik und Ener­gie­for­schung natio­nal und inter­na­tio­nal ver­än­dert hat. Gerald Kirch­ner sowie Bern­hard Fischer, Bun­des­amt für Strah­len­schutz, werden Emis­sio­nen wie auch Immis­sio­nen Reak­tor­un­fall ana­ly­sie­ren. Carl Chris­tian von Weiz­sä­cker, Max Planck-Insti­tute for Rese­arch on Collec­tive Goods wird auf die Welt­ener­gie­ver­sor­gung und Kli­ma­po­li­tik eingehen.

Netz­werke und Ban­ken­krise: Die Erfor­schung von Netz­wer­ken sowie ande­ren kom­ple­xen Sys­te­men ist ein inter­dis­zi­pli­nä­res Gebiet, zu dem auch die Physik bei­trägt — bis hin zur Unter­su­chung des Ver­hal­tens von Men­schen­mas­sen. Das Spek­trum der Tagungs­bei­träge aus diesem Bereich ist daher breit gefä­chert: Ban­ken­krise sowie com­pu­ter­ge­steu­er­ter Bör­sen­han­del, Stadt­ent­wick­lung, Trend­wör­ter in Web­logs, das Ent­ste­hen kol­lek­ti­ver Ent­schei­dun­gen und die Frage, wann “Grup­pen­in­tel­li­genz” in “Mas­sen­dumm­heit” umschlägt, sind einige der Themen, um die es dabei geht. Am 26. 3. bei­spiels­weise spricht Eugene Stan­ley (Boston Uni­ver­sity) über Bör­sen­schocks und Finanzblasen.

Waf­fen­schmug­gel: Welche Gefah­ren für die Abrüs­tung gehen von der Kern­ener­gie aus? Was unter­nimmt die Ukraine gegen den Schmug­gel von Atom­ma­te­rial? Kom­man­diert auf dem Schlacht­feld schon bald die künst­li­che Intel­li­genz? Solche Fragen werden in den Sit­zun­gen zur Rüs­tungs­kon­trolle sowie Sicher­heits­po­li­tik dis­ku­tiert. So spricht am 29.3.Ted Postol (Mas­sa­chu­setts Insti­tute of Tech­no­logy) über das kon­tro­vers dis­ku­tierte Abwehr­sys­tem der NATO, das Europa vor Mit­tel­stre­cken­ra­ke­ten aus dem Nahen Osten schüt­zen soll.

Kli­ma­wan­del und Smart­pho­nes: Die Glo­bale Erwär­mung ist ein wei­te­res Motiv, das auf der Tagung mehr­fach auf­ge­grif­fen wird. Am 26.3. bei­spiels­weise wirft Naomi Ores­kes von der Uni­ver­sity of Cali­for­nia in San Diego einen kri­ti­schen Blick auf bis­he­rige Bemü­hun­gen, den Kli­ma­wan­del ein­zu­däm­men. Wei­tere Bei­träge aus diesem The­men­be­reich beschäf­ti­gen sich mit dem glo­ba­len Koh­len­stoff­kreis­lauf, mit “Kipp-Ele­men­ten”, die das Klima unwei­ger­lich aus dem Gleich­ge­wicht brin­gen könn­ten sowie mit dem Ein­satz von Droh­nen als Umwelt­spä­hern wie auch der Ver­wen­dung von Smart­pho­nes als fahr­bare CO2-Sensoren.

“EinsteinSlam”

Dem all­ge­mei­nen Publi­kum bietet der Kon­gress eben­falls Gele­gen­hei­ten, mit Physik auf “Tuch­füh­lung” zu gehen. So finden in der TU Berlin wie auch in der “Urania” diverse Vor­träge, die Role-Model-Aus­stel­lung “Lise Meit­ners Töch­ter” sowie unter dem Motto “Ein­steinS­lam” auch ein Vor­trags­wett­be­werb statt. Der Ein­tritt zu diesen Ver­an­stal­tun­gen ist frei.

Ort/ Zeit

26.3., 17.00 Uhr
TU Berlin, Architekturgebäude/Straße des 17. Juni 152, Raum A 151
“Max-von-Laue-Lec­ture”:
“The Sci­en­ti­fic Con­sen­sus on Cli­mate Change: Where Do We Go From Here?” (in eng­li­scher Sprache)
Naomi Ores­kes, Uni­ver­sity of Cali­for­nia, San Diego (USA)

28.3., 20.00 Uhr
Urania, An der Urania 17
“Wind­ener­gie — eine tur­bu­lente Sache”
Joa­chim Peinke, Uni Olden­burg / Fraun­ho­fer IWES

29.3., 18.00 Uhr
TU Berlin, Hauptgebäude/Straße des 17. Juni 135, Audimax
“Lise-Meit­ner-Lec­ture”:
“More than meets the eye: Pro­bing the Planckian struc­ture of spa­ce­time” (in deut­scher Sprache)
Renate Loll, Uni Utrecht (NL)

29.3., 20.00 Uhr
Urania, An der Urania 17
“Ein­steinS­lam: Physik in 10 Minuten”
Wer bringt ein phy­si­ka­li­sches Thema am besten rüber? Sieben junge For­sche­rin­nen und For­scher stel­len sich dazu dem Urteil der Zuschauer.