Sucht des Lauschens
Der Protagonist des Buches „Ich höre dir zu“ hütet ein Geheimnis. Ein Geheimnis,
das ihm einen perfiden Zeitvertreib beschert: Er kann die Telefongespräche seiner Nachbarn belauschen.
Der mit einer Augenkrankheit befallene Diego findet daran ein unheimliches Vergnügen. Sein Leben dreht sich nur noch um das Leben der Anderen. Getrieben von einer morbiden Neugier, kann er es nicht lassen, sich die Geschichten anzuhören, die nicht für sei ne Ohren bestimmt sind. Das Lauschen wird zur Sucht. Erst der Selbstmordversuch einer seiner Nachbarn reist ihn aus der Warte des Beobachters. Diego beschließt, sich in das Leben seiner Mitmenschen einzumischen.
Die italienische Bestsellerautorin Federica de Paolis erzählt einfühlsam die Geschichte eines Mannes, der zu seinem Elternhaus zurück kommt, um vor dem Leben zu fliehen. Das Buch wirft den Leser in den Mittelpunkt des Geschehens. Gesprächsfetzen führen in den Mikrokosmos der Hausbewohner ein und erzählen von kleinen und großen Sorgen. Paolis entspinnt eine Geschichte, die auch Almodovar verfilmen könnte. Mit einem tiefen Blick hinter die Kulissen der menschlichen Psyche beschreibt sie in time Szenen von Verrat, Einsamkeit und Leidenschaft bis hin zu Sex mit ödipaler Dimension. Wie der Titel schon verrät, geht es vor allem um eines: um Kommunikation – und ihre Abwesenheit. Darum, dass man intensiv und aufmerksam zuhören muss, um die geistige Tiefe und Breite einer Person ergründen zu können. Klug und einfühlsam erzählt die Autorin vom Anfang aller Kommunikation: dem Zuhören.
Ich höre dir zu, Federica de Paolis, 288 Seiten, 16,99 Euro