Gekommen um zu bleiben?
Die Debatte zur Willkommenskultur zeigt Deutschlands gute und schlechte Seiten. Die Frage ist, nach wessen Willen die Flüchtlinge gekommen sind. Ein Essay aus studentischer Perspektive.
Willkommen. Dieses Wort hört man in den letzten Monaten so gut wie täglich. Ein scheinbar simples Wort, dessen Bedeutung jeder versteht. Laut Duden stammt der Begriff aus dem Spätalthochdeutschen »willechomen«, welches als eine Zusammensetzung der beiden Wörter »Wille« und »kommen« verstanden werden kann und so viel bedeutet, wie »nach Willen gekommen«. Da stellt sich im Hinblick auf die Flüchtlingskrise die Frage: Nach wessen Willen sind sie gekommen?
Auf Wunsch der europäischen Aufnahmeländer bestimmt nicht, denn noch immer scheint die Verteilung der Flüchtlinge innerhalb der EU nicht ganz klar zu sein. Jedes Land möchte hilfsbereit erscheinen, aber nur so wenige Flüchtlinge wie möglich aufnehmen. »Nicht mehr als 30.000 Flüchtlinge«, heißt es aus Frankreich, »Nur eine symbolische Zahl« hört man aus Polen. Mittlerweile bekommt man den Eindruck, dass es hier mehr um eine politische Sonderausgabe von »Wünsch dir was« geht, als um ernsthafte Hilfemaßnahmen für geflüchtete Menschen.
In den Ländern selbst bemühen sich Freiwillige darum, Flüchtlingen ein Gefühl der Geborgenheit zu vermitteln und nehmen von der distanzierten Haltung ihrer Regierungen Abstand. Gerade Berlin hat sich zu einer wahren Flüchtlingsstadt entwickelt: Viele Menschen sammeln Kleider, Lebensmittel oder Schulsachen und verteilen sie an Bedürftige. Mittlerweile stellen Privatleute via Facebook ihre Wohnungen als Schlafplätze zur Verfügung. So weit das Auge reicht, überall liest man »Refugees Welcome«.
Natürlich sind nicht alle positiv gestimmt und man hört immer wieder Stimmen wie »Sie nehmen uns die Arbeitsplätze weg« oder »Wären die Flüchtlinge nicht, hätten wir mehr Geld für unsere Stadt«. Erst kürzlich hat Gregor Gysi auf der Bürgerpressekonferenz gesagt: »Als wir weniger Flüchtlinge hatten, ging es Ihnen da besser? … Nein … so ist der Bundestag nicht, der verteilt nicht, weil plötzlich weniger Arme da sind, das Geld an die übrig bleibenden Armen!« Und so ist es auch mit den Flüchtlingen.
Bestimmt wird es immer Ausnahmen geben, aber man muss sich im Klaren sein, dass die Mehrheit der politischen Flüchtlinge nicht freiwillig in Deutschland ist und schon gar nicht des Geldes wegen. Flüchtling ist nicht gleich Migrant. Diese Leute mussten ihre Heimat verlassen, das Land, in dem sie sich bereits ein Leben aufgebaut, gearbeitet oder studiert hatten. Sie hatten ein Leben wie du und ich. Dort war ihre Zukunft. Sie wollten nicht zu uns kommen. Sie mussten.
In einem TV-Beitrag vor ein paar Wochen erzählte ein Flüchtling aus dem Irak seine Geschichte, die mir bis heute nicht aus dem Kopf geht: Er war nicht älter als 30, vielleicht um die 25. Er erzählte, dass er nach Deutschland kam, weil er sich hier ein sicheres Leben erhofft hatte. Im Irak hatte er studiert. Zahnarzt werden, das war sein Traum. Doch er musste flüchten aufgrund des IS-Terrors, der in seinem Land herrscht. »Zu Hause hatte ich alles und jetzt schaut mich an, ich seh‘ aus wie ein Penner.« Die Leute seien nett und hilfsbereit, so sagte er, aber ihn mache die Regierung wütend. Er wartete bereits seit Tagen vor dem Landesamt für Gesundheit und Soziales, ohne ein Dach über dem Kopf, vor dem Gebäude schlafend, um sich am nächsten Morgen als einer der ersten wieder in die Warteschlange zu stellen. »Am liebsten will ich wieder nach Hause. Im Irak ist es gefährlich, keine Frage. Aber dort kommt der Tod schnell, du bekommst eine Kugel in den Kopf und es ist vorbei. Hier aber kommt der Tod schleichend.« Diese Aussage hat mich zutiefst bewegt. Dass jemand trotz der dort herrschenden Gefahr zurück in sein Land möchte, sagt vieles aus. Bei allem Respekt für die freiwilligen Helfer, die ihre Zeit und Geduld opfern, um den Flüchtlingen einen Hauch von Zufriedenheit zu geben – ihre Heimat können sie nicht ersetzen.