TU: Fit für die Zukunft
Das neue TU-Präsidium hat sich und seine Pläne vorgestellt. Visionen kamen höchstens zwischen den Zeilen zur Sprache.
Am 14. April trat Jörg Steinbach, der neue Präsident der Technischen Universität, vor die Presse und erläuterte, wie es um die TU steht. Neben ihm sind Ulrike Woggon, als erste Vizepräsidentin zuständig für Forschung und Berufung, und Wolfgang Huhnt – er kümmert sich um Studium und Lehre – neu im Präsidium. Die dritte Vizepräsidentin, Gabriele Wendorf, bleibt ebenso wie Kanzlerin Ulrike Gutheil Mitglied des Präsidiums.Der ehemalige Vizepräsident Steinbach will nun als Präsident mit seinen Kollegen „als Team die Universität voranbringen“. Nachdem Angela Merkel die Wahl gewann, präsentierte sie in einer ausführlichen Regierungserklärung die Ziele für die Legislaturperiode. Mit dem gleichen Verständnis können Steinbachs Pläne eingeordnet werden.
Weder ein „weiter so“ noch umwälzende Änderungen werden die TU in den kommenden Jahren prägen. Wie Merkel hält sich Steinbach mit Visionen zurück und zeigt sich als Pragmatiker. Als TU-Absolvent hat er dennoch konkrete Vorstellungen davon, wie sich seine Universität entwickeln und verbessern lässt. Auch wenn der Uni-Betrieb zunächst wie gehabt weiterlaufen wird, soll es in der Zukunft viele Anpassungen geben.
Reform der Reform
Von 2007 bis 2009 war Steinbach Präsident der „Europäischen Gesellschaft für Ingenieurausbildung“ und bekam so Einblicke, wie verschiedene Länder den Bologna-Prozess umsetzen. Mit dieser Erfahrung entwickelte er ein Ba/Ma-Modell für die TU. Im Entwurf besitzt das Modell viel Charme und verbindet das klassische Magister- bzw. Diplom-Studium mit dem Ba/Ma-Ansatz.
Kernidee ist, ein fünfjähriges Studium anzubieten, an dessen Ende der Master-Abschluss steht. Studierende wählen nach drei Jahren, ob sie den Master-Abschluss anstreben oder den Bachelor-Abschluss erreichen wollen. Die Master-Willigen überspringen die Bachelorprüfungen und marschieren direkt weiter zu ihrem Abschluss, auch für Promotionsinteressierte soll dieser Weg die erste Wahl werden. Bachelor-Willige dagegen legen in einem vierten Jahr ihre Prüfungen ab und können sich dann mit ihrem Bachelor-Abschluss in den Beruf stürzen oder sich für einen Master-Platz beispielsweise in einem anderen Studiengang oder an einer anderen Hochschule bewerben.
Prinzipiell will die TU allen ihren Studierenden einen Masterabschluss ermöglichen. Einstige Befürchtungen, dass die Masterplätze nicht für alle Interessierten genügen, sind kein Thema mehr. Allerdings soll es keine Quote geben, die TU-Absolventen gegenüber anderen bevorzugt.
Dieses neue Modell, das beispielsweise in Schweden angewandt wird, kommt sowohl Berufseinsteigern als auch denen entgegen, die zur selbstständigen Forschung befähigt werden wollen. In der Praxis wird sich das Interesse an Master-Abschlüssen jedoch zwischen den Fächern unterscheiden, in einigen Fächern wie Chemie ist die Promotion sicher gefragter als in anderen, wo ein Bachelor genügt. Steinbach betont, dass die TU sich nicht gegen andere Hochschulen positioniert, sondern dass es in der Wirtschaft Arbeitsplätze für alle Abschlussarten (Bachelor, vierjähriger Bachelor, Master, Promotion) geben wird.
Zum Wintersemester soll dieses neue Modell über die Erprobungsklausel des Berliner Hochschulgesetzes in der Praxis getestet werden. Steinbach setzt dabei auch auf die Unterstützung von Bildungssenator Zöllner, dessen gesundem Pragmatismus dieses Modell zusagen sollte. Im Rahmen der Erprobungsklausel sollen auch weitere Reformstudiengänge neue Wege beschreiten.
Die Exzellenzinitiative ist für die TU weiterhin ein wichtiges Ziel. Man werde sich in allen drei Förderlinien bewerben. Derzeit sind vier Cluster und zwei Graduiertenschulen in der engeren Wahl, bis zum Einreichen der Unterlagen könnte sich die Zahl der Projekte, mit denen sich die TU bewirbt, auf vier reduzieren.
Kooperation
Da auch die Freie Universität (FU) und die Humboldt-Universität (HU) neue Präsidenten wählen, sieht Steinbach „eine neue Basis für Kooperationen“. So können alle drei Universitäten voneinander profitieren, sich gegenseitig ergänzen und effektiver wirtschaften. Bei den Auslandsbüros wäre es beispielsweise unökonomisch, wenn die FU ein Büro in New York betreibt und die TU eines im Nachbargebäude. Da könnte und sollte man ausloten, wie eine Kooperation möglich ist, ohne dass die Hochschulen ihr jeweiliges Profil verlieren. „Berlin hat gelernt, Berlin redet miteinander“, stellt Steinbach fest und erwartet auch bei universitären Einrichtungen, Gebäudenutzung und in anderen Bereichen sinnvolle Kooperationen.
Auch in Unternehmen oder Konsortien sieht Steinbach sinnvolle Partner, um beispielsweise eine „gemeinsame Plattform für Promovierende“ anzubieten, wie es bei einem Projekt zur Luftfahrt bereits erfolgreich stattfindet. Die Identität der TU solle darunter aber nicht leiden. Immerhin stammen etwa ein Neuntel der TU-Mittel aus der Wirtschaft. Doch bestehe kein Anlass zur Sorge, dass außeruniversitäre Interessen Einfluss auf Wissenschaft oder Forschung nehmen. „Wir begleiten das kritisch und sind wach“, stellt Steinbach klar.
Expansion
Nachdem die TU in den vergangenen Jahren deutlich geschrumpft ist, steht nun eine Expansion an. Die jetzigen Räume und Gebäude reichen bei weitem nicht aus. Innerhalb der nächsten vier Jahre sollen 20.000 bis 30.000 Quadratmeter Nutzfläche hinzukommen.
Auch die Studierendenzahlen sollen wieder steigen, so werden zum Wintersemester zehn Prozent mehr Studienanfänger immatrikuliert, das entspricht 400 Studierenden mehr. 2012⁄13 soll der Zuwachs bei 15 Prozent liegen.
Auch die Höhe der Drittmitteleinwerbungen soll weiter steigen, wenn auch niemand mehr mit so starken Steigerungen wie in den vergangenen Jahren rechnet. Von 2006 bis 2009 gab es einen Zuwachs von 60 Prozent auf derzeit 126 Millionen Euro. Die Grundfinanzierung des Landes Berlin ist etwa doppelt so hoch. Dieses Drittmittel-Drittel des Gesamthaushaltes setzt sich zu gleichen Teilen aus DFG-Geldern, Förderungen durch Bundesministerien und EU sowie aus Industriegeldern und ‑beteiligungen zusammen.
Im Dialog
Heute wird die TU oft damit konfrontiert, dass sie im DFG-Ranking auf den 27. Platz abgerutscht sei. Steinbach ist es wichtig, herauszustellen, dass dieses Ranking auf zwei Jahre alten Zahlen basiere. Wer sich auf dieses DFG-Ranking beziehe, vermittle ein falsches Bild der derzeitigen TU, was allein die Tatsache belege, dass sich die DFG-Mittel seit 2006 auf 42 Millionen Euro nahezu verdoppelt haben.
Die TU will gegen die Falschwahrnehmung offensiv vorgehen und ihr Bild in Berlin und der Welt aufpolieren. Dabei soll auch das Image der MINT-Fächer verbessert werden. Seit Februar gibt es auch eine zentrale Schulkoordinationsstelle, um die Durchlässigkeit zwischen Schule und Studium zu erhöhen.
Ein neues Leitbild soll unter Beteiligung aller Statusgruppen entstehen. Steinbach will „die gesamte Universität in Aufbruchstimmung versetzen“. Die Einbeziehung von Studierenden, wissenschaftlichen und nichtwissenschaftlichen Mitarbeitern sowie der Professorenschaft soll das Wir-Gefühl verstärken.
Eine transparente Dialogkultur ist das erklärte Ziel. So habe sich beispielsweise der Runde Tisch mit Studierenden als konstruktives Feedbackinstrument bewährt. Viele Probleme könnten durch Änderungen in den Formulierungen von Studien- und Prüfungsordnungen gelöst werden. Da gebe es bald die ersten konkreten Auswirkungen.