Protest-Flaute

Am Bil­dungs­streik betei­lig­ten sich weni­ger Stu­den­ten als im ver­gan­ge­nen Jahr. Grund für das schwä­chelnde Bil­dungs­bünd­nis sind feh­lende Kon­zepte und die geringe Mobilisierung.

Immer­hin: Das Wetter ist gut. Schü­ler plan­schen im Wasser des Neptun-Brun­nens, auf dem Platz vor dem Roten Rat­haus scheint die pralle Sonne. Heute ist wieder Bil­dungs­streik. Im ver­gan­ge­nen Jahr hat sich die Schü­ler- und Stu­den­ten­demo zu einem Pro­test mit Event­cha­rak­ter ent­wi­ckelt. Dies­mal ver­sam­meln sich wieder Hun­derte, doch so rich­tig voll wird es nicht zum Protest.

Protest in Berlin

Fast 5.000 junge Leute sind am 9. Juni in Berlin zum Pro­test auf die Straße gegan­gen, das Bil­dungs­streik-Bünd­nis spricht von 7.000 am Pro­test Betei­lig­ten. Noch am Vortag hatte einer der Orga­ni­sa­to­ren in der taz erklärt, man erwarte min­des­tens 7.000 Pro­test-Teil­neh­mer. Ob nun 5.000 oder 7.000 Pro­test-Teil­neh­mer: Es sind weni­ger als im letz­ten Jahr zum Pro­test erschienen.

Protest bundesweit

Bun­des­weit sieht es ähn­lich aus: Es gibt zwar zahl­rei­chen Pro­test – immer­hin 40 Städte sind beim Pro­test dabei. Aber die Teil­neh­mer­zah­len zum Pro­test sinken. 270.000 Men­schen haben im Juni 2009 für eine bes­sere Bil­dung demons­triert, jetzt zählen die Orga­ni­sa­to­ren nur 70.000 Pro­test­ler– am Abend wird die Schät­zung auf 85.000 erhöht.

Dem Protest geht der Atem aus

Die Teil­neh­mer­zah­len bei den Pro­test-Events sinken, dabei hat sich die Situa­tion an den Schu­len und Unis kaum geän­dert. Die For­de­run­gen nach mehr Zeit im Stu­dium, mehr Frei­hei­ten in der Aus­wahl der Semi­nare und mehr Mit­spra­che­rech­ten blei­ben aktu­ell. Auch die Angst bleibt, keinen Master-Stu­di­en­platz zu erhalten.

Fehlender Protest-Atem

Die gerin­ge­ren Teil­neh­mer­zah­len zum Pro­test lassen sich eher auf struk­tu­relle Pro­bleme zurück­füh­ren. Mit der Zeit geht den Stu­den­ten der Pro­test-Atem aus: Ein ganzes Jahr durch­zu­pro­tes­tie­ren gelingt nicht einmal hart­ge­sot­te­nen Profi-Pro­tes­tie­rern. Des­we­gen spricht das Ber­li­ner Bil­dungs­bünd­nis auch von einem „Riesen-Erfolg für die Bewe­gung” – in „Anbe­tracht der Tat­sa­che, dass dies schon der dritte Bil­dungs­streik in Folge ist”.

Protest vs. Studium

Die Pro­test-Orga­ni­sa­to­ren müssen sich irgend­wann auch um ihr Stu­dium küm­mern – da bleibt weni­ger Zeit für das Vor­be­rei­ten, Banner malen, Flug­blät­ter ver­tei­len, Wer­bung machen für den Pro­test. Nicht umsonst war auf der Berlin-Demo oft zu hören, man könne ange­sichts der gerin­gen Mobi­li­sie­rung mit den Teil­neh­mer­zah­len doch gut zufrie­den sein.

Protest ohne Konzept auf allen Seiten

Der eme­ri­tierte FU-Pro­fes­sor Peter Grot­tian sieht einen wei­te­ren Grund für die rück­läu­fige Betei­li­gung am Pro­test: Die Akti­vis­ten hätten sich nicht auf „wirk­lich ver­han­del­bare Posi­tio­nen” eini­gen können, schreibt er in einer Kurz­ana­lyse des Pro­tests. Bun­des­bil­dungs­mi­nis­te­rin, Kul­tus­mi­nis­ter- und Hoch­schul­leh­rer­kon­fe­renz hätten sich aber ebenso wenig auf ein Kon­zept ver­stän­digt. „So war der Bil­dungs­gip­fel kein Ver­hand­lungs­ma­ra­thon, son­dern ein Schau­fens­ter der viel­fäl­ti­gen Posi­tio­nen.” Für den Pro­test Mobi­li­sie­ren lasse sich so nicht.

Protest-Blockade nicht geglückt

Die geringe Betei­li­gung am Pro­test ist aber nicht das ein­zige Pro­blem der Bil­dungs­streik-Bewe­gung. Auch radi­ka­lere Pro­test­for­men drohen zu ver­schwin­den. So ist es in Berlin nach der Demo nicht gelun­gen, eine Stra­ßen­kreu­zung zu beset­zen und so zu zeigen, „was Bil­dungs­stau bedeu­tet”. Die Auto­fah­rer dürfte es gefreut haben, aber die Schü­ler und Stu­den­ten haben dadurch die Gele­gen­heit ver­passt, mehr Auf­merk­sam­keit für ihr Anlie­gen zu erzielen.

Zu wenige Blo­ckie­rer, zu wenig Ent­schlos­sen­heit, zu schlechte Koor­di­na­tion – wel­cher Grund für den gerin­gen Pro­test aus­schlag­ge­bend war, lässt sich nicht fest­stel­len. Der Poli­zei jeden­falls ist es gelun­gen, die jungen Demons­tran­ten in alle Him­mels­rich­tun­gen zu ver­trei­ben. Aber im nächs­ten Jahr werden sie wohl zum Pro­test wie­der­kom­men. Solange es an den Unis nicht besser wird.