Zwischen Theorie und Praxis

[Kolumne] Mar­ke­ting­be­geis­terte Stu­den­ten aus Ber­li­ner Hoch­schu­len nehmen „Wunsch­zet­tel” unter die Marketing-Lupe.

Den ganzen Nach­mit­tag saß ich an dem klei­nen Tisch am großen Wohn­zim­mer­fens­ter und krit­zelte wild auf einem weißen Blatt Papier herum. Immer wieder zer­knüllte ich eines, nahm ein wei­te­res und begann von neuem. Erst als es drau­ßen schon dunkel war, fal­tete ich zufrie­den das voll­stän­dig beschrie­bene Blatt Papier und legte es in einen schnee­wei­ßen Brief­um­schlag. Eine mir so ver­traute Stimme unter­brach meinen Gedan­ken­fluss: „Lisa, es ist nun wirk­lich Zeit fürs Bett. Ab, ab!” „Ja, Mutti! Ich bin auch schon fertig. Bitte mach das Fens­ter ganz weit auf, ja?” Meine Mutter schmun­zelte. Das ver­stand ich nicht. Immer­hin han­delte es sich hier­bei um einen der ver­mut­lich wich­tigs­ten Momente meines Lebens. In dieser Nacht sollte mein erster selbst­ge­schrie­be­ner Wunsch­zet­tel an den Weih­nachts­mann gehen. Voller Stolz legte ich den Brief­um­schlag auf das Fens­ter­brett des weit geöff­ne­ten Fens­ters, legte mich in mein kusche­lig warmes Bett und schlief ein.

Heute weiß ich, dass dieser Wunsch­zet­tel nie beim Weih­nachts­mann ange­kom­men ist. Allein aus dem Grund, weil es ihn nicht gibt. Doch sollte man ver­mei­den, dieser Tra­di­tion des Wunsch­zet­tel-Schrei­bens weni­ger Wert zuzu­schrei­ben. Im Gegen­teil! Haben wir es hier nicht mit einer abso­lut genia­len Mar­ke­ting­stra­te­gie zu tun? Aus kom­mu­ni­ka­ti­ons­po­li­ti­scher Sicht kann man hier ganz klar die Kinder als Ziel­gruppe abgren­zen. Sie bestim­men, was auf den Wunsch­zet­tel kommt. Und die Eltern? Die sind gezwun­gen, das zu kaufen, was auf der Liste steht. Denn ansons­ten könn­ten die Kinder ja doch noch miss­trau­isch werden und ihren Glau­ben an den Weih­nachts­mann ver­lie­ren. Seien wir doch mal ehr­lich: Solange alle Geschenke voll­stän­dig unter dem Baum lagen, konn­ten wir getrost dar­über hinweg sehen, dass der Weih­nachts­mann die­sel­ben Schuhe wie Papa trug. Fazit: Wie­der­ein­füh­rung des Wunsch­zet­tels! Ohne offe­nes Fens­ter, aber dafür mit Keine-Socken-Garantie.