Schöngerechnet

Das Bil­dungs­mi­nis­te­rium unter­suchte die Aus­wir­kun­gen des Bache­lor auf die Stu­den­ten­rea­li­tät. Anspruch und Wirk­lich­keit klaf­fen aus­ein­an­der – man muss nur zwi­schen den Zeilen der Studie lesen.

Sackgasse für den Bachelor

Bache­lor­be­schimp­fen hat für Stu­die­rende Tra­di­tion. Sie klagen über vor­ge­tre­tene Pfade, die sie ent­lan­ghet­zen, und so zu ver­schul­ten Stu­di­en­sol­da­ten werden. Der Zeit­druck, die Arbeits­be­las­tung, der Frei­zeit­man­gel – das alles nimmt stän­dig zu. Dazu kommt das Finan­zie­rungs­pro­blem. Denn wer neben dem Stu­dium arbei­tet, steht mit der Regel­stu­di­en­zeit auf Kriegs­fuß. Ein Aus­lands­se­mes­ter – wenn man es denn im Stu­di­en­plan unter­bringt – reißt ein wei­te­res Loch in den Geld­beu­tel des Rei­se­wil­li­gen. Diese Kritik wird oft als Nör­ge­lei abge­tan, früher hatte man es schließ­lich auch nicht leicht, die Uni ist kein Pony­hof. Sonst gäbe es da ja Ponys.

Um auch die Stu­die­ren­den end­lich von Bache­lor und Master zu über­zeu­gen, gab das Bun­des­mi­nis­te­rium für Bil­dung und For­schung eine Studie in Auf­trag. 28.000 Fra­ge­bö­gen wurden an 25 Hoch­schu­len ver­tei­len. Das Fazit der Studie lässt Kri­ti­ker am System als rea­li­täts­ferne Kra­wall­ma­cher daste­hen: Stu­die­rende seien „unter Druck, aber zufrie­den – und nach Sicher­heit strebend”.

Angst vor dem Abbruch?

Vier von fünf Stu­die­ren­den denken weder über Fach­wech­sel noch Stu­di­en­ab­bruch nach. Ein Indi­ka­tor für die Zufrie­den­heit der Stu­die­ren­den? Eher weni­ger, denn 53 Pro­zent der Stu­die­ren­den machen sich Sorgen, das Stu­dium auf­grund der hohen Arbeits­be­las­tung nicht zu schaf­fen. Bei 25 Pro­zent von ihnen sind die Sorgen sogar ernst. Inner­halb der ver­gan­ge­nen Jahre sind diese Zahlen gestiegen.

Wie viel Zeit braucht ein Bachelor?

Die Regel­stu­di­en­zeit reicht. Sagen die Unis. Die Regel­stu­di­en­zeit reicht nicht. Sagen 84 Pro­zent der Stu­die­ren­den. Jeder vierte hat bereits im zwei­ten Semes­ter Rück­stände auf den emp­foh­le­nen Stu­di­en­plan. Gerade bei den Wirt­schafts­wis­sen­schaft­lern ist das sicht­bar: Nur 14 Pro­zent von ihnen halten den ver­an­schlag­ten Zeit­rah­men für angemessen.

Wer zahlt das Ganze?

Bei 48 Pro­zent der Stu­die­ren­den stel­len die Eltern den Groß­teil des Geldes. Trotz­dem arbei­ten 58 Pro­zent neben dem Stu­dium. Wenn man arbei­tet, können Finan­zie­rung des Stu­di­ums und gute Leis­tun­gen schwe­rer ver­ein­bart werden: 45 Pro­zent der arbei­ten­den Stu­die­ren­den fühlen sich belas­tet, bei den nicht­ar­bei­ten­den sind es 20 Pro­zent. So bleibt ein Stu­dium für Bil­dungs­auf­stei­ger oft ver­wehrt: Ihre Zahl stagniert.

Qualität in der Lehre?

Jeder dritte Stu­dent an einer Uni beklagt die über­füll­ten Lehr­ver­an­stal­tun­gen, was dem Wert vor zehn Jahren ent­spricht. Die Frage, ob das Pro­blem durch dop­pelte Abitu­ri­en­ten­jahr­gänge und die Aus­set­zung der Wehr­pflicht nicht noch ver­schärft wird, beant­wor­tet spä­tes­tens das Wintersemester.

Wohin mit der Mobilität?

Laut der Studie können wir auf bes­sere Infor­ma­tio­nen zurück­grei­fen als die Studis vor uns, wenn wir ins Aus­land gehen. Jedoch machen das ledig­lich vier Pro­zent aller Bache­lor-Stu­die­ren­den. Die Studie erklärt das damit, dass viele Bache­lor noch kein höhe­res Semes­ter erreicht hätten. Sechs Semes­ter sind vielen zu wenig, um eines davon im Aus­land zu verbringen.

Die Ansprüche von Stu­die­ren­den an ihre beruf­li­che Zukunft haben sich über die Jahre ver­än­dert. Das Ideal von selb­stän­di­ger Arbeit (blau) verlor an Bedeu­tung, wäh­rend die Arbeits­platz­si­cher­heit (grün) deut­lich an Wich­tig­keit gewann. Quelle: Stu­die­ren­den­sur­vey, AG Hoch­schul­for­schung, Uni­ver­si­tät Konstanz.

Sicher Arbeiten nach unsicherem Studium?

Wer sein Stu­dium geschafft hat, will der­zeit vor allem eine sichere Arbeits­stelle. Dafür werden etwa beim Gehalt Abstri­che gemacht.

Bei sol­chen Zahlen kann das Fazit des Bil­dungs­mi­nis­te­ri­ums durch­aus als mutig bezeich­net werden. Wer behaup­tet, dass Stu­die­rende „unter Druck, aber zufrie­den” sind, schafft ein schie­fes Bild und nimmt die Ängste und Sorgen der Stu­die­ren­den nicht ernst. So ist bei­spiels­weise Staats­se­kre­tär Thomas Rachel davon über­zeugt, dass man auf einem guten Weg sei, die Sorgen der Stu­die­ren­den abzubauen.

Über Theo Moßböck (20 Artikel)
Jung, gutaussehend, sicher bald erfolgreich: Kam aus der Provinz nach Berlin, will später Architekt werden und springt dort in die Bresche, wo alle anderen kneifen.