Vom Upcycling zum Uplifting
Auslandsprojekt
Es gibt Erfahrungen, die können die Sicht auf das Leben völlig verändern. So erlebte es auch die 23-jährige Berlinerin Laura Roig Senge, die für ein Aufbauprojekt im letzten Jahr nach Sambia ging und dort bis heute viel mehr als einen simplen Auslandsaufenthalt nach dem Studium erlebt.
Mit der von ihr und drei anderen gegründeten Initiative Uplifting Unlimited wurde ein Projekt ins Leben gerufen, das einen nachhaltigen Einfluss auf die beteiligten Jugendlichen vor Ort haben soll. Laura, die im September 2015 ihren Bachelor-Abschluss in Betriebswirtschaftslehre im Zweig Industrie machte, entschied sich mit der Bremen Overseas Research and Development Association (BORDA) nach Lusaka in Sambia zu fliegen, um dort für
eine lokale Organisation zu arbeiten, die Abwasseraufbereitungssysteme implementiert. Dabei ist sie für administrative Aufgaben und solche aus dem Bereich des Marketings zuständig.
Allerdings ist es nicht nur diese Arbeit, die Laura aktuell sehr beschäftigt, sondern auch das Projekt, welches sie in ihrer Freizeit gemeinsam mit ihrem Mitbewohner Dennis Wolter sowie den gemeinsamen sambischen Freunden Ailedi Zulu und George Mwalusaka gegründet hat. Die Idee rund um Uplifting Unlimited
kam dem 28-jährigen Dennis aus Hannover, der einen Master in Produktionstechnik und Maschinenbauentwicklung hat, gemeinsam mit Ailedi Zulu, 26, die Public Administration und Sociology studierte, als sie über einen Markt von Lusaka schlenderten und die große Menge an Müll auf dem Gelände sahen. Dennis erinnert sich: “Zunächst ging es darum, etwas aus dem Müll zu machen – dabei kamen wir auf die Idee Gläser aus alten Cider-Flaschen herzustellen.”
Alter Müll schafft neue Perspektiven
Erst später wurden sie auf die vielen Jugendlichen aufmerksam, die sich ihre Zeit an den Straßenecken vertrieben und Autos wuschen. Viele von ihnen leben auf der Straße und haben ein Drogenproblem. “Eines Tages sprach ich einen der Jungs an und so führte das eine zum anderen”, erklärt Dennis. Gemeinsam mit Laura, die schließlich zu dem Projekt dazugestoßen war, besorgten sie die Materialien, zeigten den Jugendlichen wie man einen Glasschneider verwendet und starteten die Produktion. Dabei geht ein Teil des Geldes direkt an die Jungs, ein anderer Teil wird für die Miete der kleinen Werkstatt und für Schulgebühren verwendet. Benjamin, Solomon, Caristo und Amon sind zwischen 15 und 20 Jahre alt, gehen seit dem Frühjahr wieder zur Schule und haben dort auch einen Schlafplatz.
“Wir sind froh, dass das Projekt soweit ist, dass den vier Jungs schon geholfen werden konnte”, sagt Laura. Aber auf lange Sicht sei es umso wichtiger, dass Uplifting Unlimited auch nach dem Weggang der Gründer allein funktioniert, von anderen weitergeführt wird und vielen anderen Jugendlichen unter die Arme greifen kann. “Wir sind gerade dabei, weitere Jugendliche anzulernen und damit einen neuen Zyklus zu starten”, erzählt sie.
“Der Name Uplifting ist somit doppeldeutig. Er bezieht sich nicht nur auf das Upcycling von »Abfallprodukten«, sondern auch auf das Leben der Teenager, deren Lebensgeschichten,wenn man ihnen zuhört, zu Tränen rühren, die aber dennoch von Träumen und Visionen und vor allem Potential zeugen. Es liegt uns am Herzen, sie auf ihrem Weg zurück ins Bildungssystem zu unterstützen, um dieses unbegrenzte (unlimited) Potential entfalten zu können.” – Uplifting Unlimited
Doch Gläser sind nicht das einzige Standbein der jungen Initiative. Auch eine kleine Kollektion von T‑Shirts, die in Sambia von lokalen Schneidern und aus Stoffen mit afrikanischen Mustern hergestellt werden, kam gut bei den Kunden an. “Alles passiert noch in einem kleinen Rahmen und geringen Stückzahlen. Aber
wir haben viele Ideen, mit denen wir Upcycling und das Prinzip lokaler Wertschöpfung verbinden wollen”, erklärt Laura.
So gut die Idee und die Gedanken hinter der Initiative auch seien, dennoch sähen sich die Beteiligten mit vielen Herausforderungen konfrontiert. “Wir sind keine Sozialarbeiter. Wir sind nicht dafür ausgebildet, mit Straßenkindern und Jugendlichen aus schwierigen familiären und sozialen Verhältnissen zu arbeiten”, begründet Dennis. Zwar sei man mit vielen Experten und Organisationen aus dem Bereich Jugendarbeit in Kontakt und habe auch schon viel positives Feedback erhalten, aber die Reintegration der Jungs in die Gesellschaft sei bisweilen dennoch ein nervenaufreibender und langwieriger Prozess. So sei man eben auch gezwungen für sich selbst und die beteiligten Jugendlichen eine klare Grenze zu ziehen. Da die Jugendlichen das erste Mal seit Jahren Ansprechpartner und Bezugspersonen haben, mussten alle Beteiligten lernen, mit dieser Situation umzugehen. “Wir müssen regelmäßig klarstellen, dass uns die Jungs nicht zu jeder Tages- und Nachtzeit wegen Kleinigkeiten anrufen oder besuchen können”, sagt Dennis. Selbstverständlich komme es auch zu Reibereien zwischen den Jungs, die lange Zeit dem Gesetz der Straße ausgesetzt waren. Dennis erklärt es so: “Auf der Straße überleben entweder die physisch stärksten oder diejenigen, die es durch Redekunst verstehen, Leute zu ihren Gunsten zu beeinflussen.”
Unterstützung von nah und fern
Bisher werden insbesondere die Gläser zumeist von Privatpersonen,
lokalen Bars oder Restaurants gekauft, allerdings hat die Initiative auch Deutschland als Absatzmarkt ins Auge gefasst. Laura ist motiviert: “Wir sind zuversichtlich, dass sich die Gläser auch auf dem deutschen Markt gut verkaufen werden. Die T‑Shirts waren schon ein kleiner Erfolg.” Allerdings habe man aktuell noch logistische Schwierigkeiten, da der Transport aus Sambia einerseits sehr teuer sei, andererseits würden ihn aber auch viele Gläser vermutlich nicht im Ganzen überstehen. “Das ist etwas, woran wir zurzeit arbeiten: Wie bekommen wir die Gläser heil und günstig nach Deutschland?”, betont Laura.
Da sich das Projekt zurzeit noch nicht selbst tragen kann, finanziert es sich über private Gelder der Gründer und Spenden, um beispielsweise Werkzeug zur Herstellung der Gläser oder Schulbedarf für die Jungs kaufen zu können. Dazu wurde eine Crowdfunding-Kampagne auf betterplace.org eingerichtet. “Ziel ist es, auf lange Sicht eigenständig und selbstfinanziert sein zu können. Das haben wir fest im Blick”, meint Dennis.
Für Laura war der Entschluss, das bekannte Berlin zu verlassen und ihr Glück noch einmal ganz woanders zu versuchen, die absolut richtige Entscheidung. “Es ist hier einfach anders. Alles ist anders. Man kann es eigentlich gar nicht vergleichen”, erklärt sie. So klinge alles für Freunde und Verwandte in Deutschland unheimlich anstrengend und kompliziert, dabei gebe es immer zwei Seiten. So sei das Leben zwar durch viele bürokratische und
alltägliche Schwierigkeiten geprägt, aber es seien ganz andere Dinge, die Sambia attraktiv machen. “Die Menschen hier sind freundlich und mit sehr wenig zufrieden. Das hat wohl auch mit
der Ruhe und der wunderschönen Natur zu tun – denn das hat man hier alles auf einmal”, so Laura. Ihre Arbeit und auch Uplifting Unlimited bereiten ihr große Freude und sie wisse noch nicht sicher, ob sie nach dem kommenden Sommer schon nach Berlin zurückkehren werde. Sie habe für sich und ihre Mitstreiter allerdings einen klaren Plan: “Wir wollen das Leben der Menschen in Sambia auch auf lange Sicht »upliften«!”
Mehr Infos auf: facebook.com/upliftingunlimited