DGPPN: Versachlichung von Burnout ‑Debatte gefordert

Das Thema Bur­nout beherrschte jüngst wochen- und mona­te­lang die öffent­li­che Diskussion.

Das Thema Bur­nout beherrschte jüngst wochen- und mona­te­lang die öffent­li­che Dis­kus­sion. Für die einen ist ein Bur­nout eine Mode­dia­gnose, für die ande­ren eine ernst­zu­neh­mende Erkran­kung. In einem Posi­ti­ons­pa­pier der Deut­schen Gesell­schaft für Psych­ia­trie, Psy­cho­the­ra­pie und Ner­ven­heil­kunde (DGPPN) klärt die Fach­ge­sell­schaft auf und gibt Empfehlungen.

Was ist Burnout?

Wie sehr die breite öffent­li­che Dis­kus­sion um das Thema Bur­nout sowie um schäd­li­che psy­cho­so­ziale Bedin­gun­gen unse­rer Arbeits­welt auch zu begrü­ßen ist, so sehr muss doch auch vor Miss­ver­ständ­nis­sen wie auch irre­füh­ren­den Sicht­wei­sen gewarnt werden. Die Deut­sche Gesell­schaft für Psych­ia­trie, Psy­cho­the­ra­pie und Ner­ven­heil­kunde (DGPPN) schafft in einem Posi­ti­ons­pa­pier aus medi­zi­ni­scher Sicht Klar­heit. Das Papier wurde in dieser Woche im Rahmen des 11. Haupt­stadt­sym­po­si­ums „Bur­nout – Der Preis für die Leis­tungs­ge­sell­schaft?“ der DGPPN in Koope­ra­tion mit der Stif­tung See­li­sche Gesund­heit der Öffent­lich­keit vorgestellt.

Warnung vor unkritischen Gebrauch von Burnout ‑Begriff

In ihrem Posi­ti­ons­pa­pier warnt die medi­zi­nisch-wis­sen­schaft­li­che Fach­ge­sell­schaft vor einem unkri­ti­schen Gebrauch des Begriffs Bur­nout für quasi sämt­li­che psy­chi­schen Stö­run­gen, die im Zusam­men­hang mit einer Arbeits­be­las­tung stehen. Diese all­um­fas­sende Anwen­dung des Begriffs hat zwar zu einem offe­ne­ren Umgang mit psy­chi­schen Erkran­kun­gen geführt. Betrof­fe­nen fällt es erkenn­bar leich­ter, ohne Scham über ihre psy­chi­schen Erkran­kun­gen zu spre­chen. Aber oft­mals wird Bur­nout mit der schwe­ren, nicht selten lebens­ge­fähr­li­chen Krank­heit der Depres­sion gleich­ge­stellt. Damit droht eine besorg­nis­er­re­gende Unter- oder Fehl­ver­sor­gung der Betrof­fe­nen, heißt es in dem Positionspapier.

Burnout ist keine medizinische Diagnose

Bur­nout ist – laut der Inter­na­tio­na­len Klas­si­fi­ka­tion von Erkran­kun­gen (ICD-10) – keine medi­zi­ni­sche Dia­gnose. Auch in Zukunft wird Bur­nout bei der anste­hen­den Revi­sion zur ICD-11 abseh­bar keine Krank­heits­dia­gnose sein. Bur­nout kommt ledig­lich im Anhang des ICD-10 vor, näm­lich unter „Fak­to­ren, die den Gesund­heits­zu­stand beein­flus­sen und zur Inan­spruch­nahme des Gesund­heits­we­sens führen“. Den­noch hat Bur­nout für Dia­gnos­tik sowie The­ra­pie eine mehr­fa­che Bedeutung:

  • Das Erle­ben von Bur­nout kann ein Risi­ko­zu­stand sein, der zu Erkran­kun­gen wie Depres­sion, Alko­hol­miss­brauch, Angst­stö­run­gen, chro­ni­sches Schmerz­syn­drom, Tin­ni­tus, Blut­hoch­druck oder chro­ni­sche Infek­ti­ons­krank­hei­ten führen kann.
  • Ande­rer­seits kann das Erle­ben von Bur­nout auch Früh-Sym­ptom oder Folge von Krank­hei­ten wie bei­spiels­weise Psy­cho­sen, Mul­ti­ple Skle­rose oder Tumor­er­kran­kun­gen sein.

Nur durch eine gründ­li­che medi­zi­ni­sche Unter­su­chung kann eine zugrun­de­lie­gende Krank­heit erfasst wie auch gezielt behan­delt werden. Diese dif­fe­ren­zie­rende Dia­gnos­tik ist bei erleb­tem Bur­nout unbe­dingt not­wen­dig, denn für alle diese zugrun­de­lie­gen­den Krank­hei­ten gibt es gesi­cherte stö­rungs­spe­zi­fi­sche The­ra­pien, die den Pati­en­ten nicht vor­ent­hal­ten werden dürfen. Für Bur­nout, ohne gleich­zei­tig bestehende Erkran­kung, gibt es keine nach den Regeln der evi­denz­ba­sier­ten Medi­zin wirk­sam nach­ge­wie­se­nen The­ra­pien oder Prä­ven­tion. Ist Bur­nout Aus­lö­ser einer psy­chi­schen oder soma­ti­schen Erkran­kung sollte in der dann indi­zier­ten The­ra­pie die Belas­tung am Arbeits­platz noch stär­ker berück­sich­tigt werden.

Nachholbedarf bei Burnout ‑Vorbeugung

Die DGPPN for­dert, dass „psy­chisch gesunde“ Arbeits­plätze mehr als bisher in die Ver­ant­wor­tung der Betriebe und Ver­wal­tun­gen rückt. Dabei sollte die Posi­tion von Betriebs­ärz­ten gestärkt werden. Wie in den meis­ten ande­ren euro­päi­schen Län­dern soll­ten auch in Deutsch­land gesetz­li­che Rege­lun­gen zum Schutz vor gesund­heits­ge­fähr­den­dem psy­chi­schem Stress erfol­gen. Psy­chi­sche Belas­tun­gen am Arbeits­platz müssen medi­zi­ni­schen Risi­ken von Lärm, Licht, Vibra­tio­nen oder Toxi­nen gleich­ge­stellt sein. Dies könnte aus Sicht der DGPPN ver­hin­dern, dass das soge­nannte Bur­nout-Pro­blem vor­nehm­lich auf das Gesund­heits­sys­tem abge­scho­ben wird. Hier besteht in Deutsch­land erheb­li­cher Nachholbedarf.

In der medi­zi­ni­schen For­schung ist der Risi­ko­fak­tor „psy­chisch unge­sun­der Arbeits­platz“ bisher kaum unter­sucht. Das Thema „Psy­chi­sche Krank­heit und Arbeits­platz” muss auch Gegen­stand einer breit ange­leg­ten wis­sen­schaft­li­chen For­schungs­in­itia­tive der Bun­des­re­gie­rung werden.