Burnout im Studium

Wer nicht auf sich selbst und seine Gesund­heit achtet, kann schnell von einem Bur­nout außer Gefecht gesetzt werden. 

Burnout im Studium (Foto: Matthias Rüby)

Katha­rina klappt das Medi­zin­buch zu. Sie ist spät­abends von einem Termin nach Hause gekom­men und wollte sich noch auf die Prü­fung am nächs­ten Tag vor­be­rei­ten. Doch jetzt kann Katha­rina nicht mehr. Burnout.

Burnout nach zuviel Stress

Es ist Herbst 2010, die Medi­zin­stu­den­tin ist im vier­ten Semes­ter. Schon seit län­ge­rem fühlt sie sich nicht mehr wohl: Wäh­rend der Frei­zeit krei­sen ihre Gedan­ken nur um uner­le­digte Ter­mine, nachts schläft sie schlecht. Sie trinkt immer mehr Kaffee, raucht zu viel. Am nächs­ten Morgen geht sie des­halb nicht zur Prü­fung, son­dern zum Arzt.

Diagnose: Burnout

Dia­gnose: Bur­nout. Das Stu­den­ten­le­ben wird oft als reine Ent­span­nung mit Partys und Fau­len­zen dar­ge­stellt. Dass es auch ganz anders sein kann, zeigen die aktu­el­len Zahlen der Tech­ni­ker Kran­ken­kasse. In ihrem Gesund­heits­re­port 2011 zeigt die Kasse, dass vor allem Stu­den­ten ab 25 Jahren häu­fi­ger wegen Depres­sio­nen behan­delt werden als gleich­alt­rige Per­so­nen, die arbei­ten. Im Gegen­satz zu Depres­sio­nen gibt es beim Bur­nout keine ein­deu­tige Dia­gnose, es ist mehr ein Zustand der tota­len Erschöp­fung durch see­li­sche sowie kör­per­li­che Über­las­tung. Depres­sio­nen hin­ge­gen können gene­tisch ver­an­lagt sein und werden häufig erfolg­reich mit Medi­ka­men­ten behan­delt. Drei Pro­zent der männ­li­chen sowie fünf Pro­zent der weib­li­chen Stu­die­ren­den nehmen regel­mä­ßig Antidepressiva.

Burnout durch Studium?

Macht das Stu­dium krank? Jähr­lich kommt etwa ein Pro­zent der Ber­li­ner Stu­den­ten in die psy­cho­the­ra­peu­ti­sche Bera­tung des Ber­li­ner Stu­den­ten­werks. Seit der Ein­füh­rung des Bache­lor- und Master-Sys­tems seien es unge­fähr 30 Pro­zent mehr gewor­den, schätzt deren Leiter, Burk­hard See­gers. Die typi­schen Bur­nout ‑Sym­ptome sind Rat­lo­sig­keit, keine Lust mehr auf­zu­ste­hen sowie Ver­ein­sa­mung. Aber auch Lern- und Arbeits­stö­run­gen können darauf hin­wei­sen, dass etwas nicht stimmt. Beson­ders Bur­nout ‑gefähr­det sind Stu­den­ten, die einer Dop­pel­be­las­tung aus­ge­setzt sind. Wer sein Stu­dium durch einen Neben­job finan­ziert, kann schnell von seinem Arbeits­pen­sum über­wäl­tigt werden.

Burnout durch Selbstüberschätzung

„Unge­sund“ sei das System den­noch nicht, meint See­gers. Der Grund für Bur­nout im Stu­dium liege oft in dem Unter­schied zwi­schen den eige­nen Ansprü­chen und der Rea­li­tät. Denn wer Bun­des­kanz­ler werden möchte, werde wahr­schein­lich ent­täuscht. Rea­lis­ti­schere Ziele, wie der Vor­satz poli­tisch aktiv zu werden, ver­spre­chen greif­ba­ren Erfolg.

Burnout wegen Druk von außen

Katha­rina hat nach ihrem Bur­nout beob­ach­tet, dass viele Kom­mi­li­to­nen denken: „Das pas­siert mir nicht.“ Unter Stu­den­ten gelten jene als faul, die von den hohen Erwar­tun­gen sowie dem Leis­tungs­druck über­wäl­tigt werden, dann resi­gnie­ren, statt sich kopf­los in die Arbeit zu stür­zen. Dabei sei das Pro­blem nicht ein­fach mit mehr Dis­zi­plin oder bes­se­rer Orga­ni­sa­tion zu behe­ben, meint der Psy­cho­the­ra­peut Pro­fes­sor Fred Rist von der Wil­helms-Uni­ver­si­tät Müns­ter. Oft müsse man sein ganzes Leben kom­plett umkrem­peln. Katha­rina hat nach ihrem Besuch beim Arzt sofort ein Urlaubs­se­mes­ter bean­tragt – ein schwe­rer Schritt für sie.

Ausgleich gegen Burnout

„Viele schaf­fen es nicht, sich ein Urlaubs­se­mes­ter zu nehmen“, sagt See­gers. Doch die Medi­zin­stu­den­tin ist mit ihrer Ent­schei­dung zufrie­den. Was sie nach der Bur­nout ‑Dia­gnose brauchte, war der Aus­gleich zu ihren bis­he­ri­gen Gewohn­hei­ten. Sie enga­giert sich weiter ehren­amt­lich, macht Sport, hat auch einen Neben­job, der nichts mit ihrem Stu­dium zu tun hat. „Man kann das Schlimmste ver­hin­dern, wenn man sich recht­zei­tig Hilfe sucht“, sagt sie. Auf einen Platz bei einem Psy­cho­the­ra­peu­ten musste sie den­noch zwei Monate lang warten.

Aufschieberitis als Burnout ‑Vorbote

Nicht nur zu hohe Erwar­tun­gen, auch Pro­kras­ti­na­tion, also der Hang zum Auf­schie­ben von Auf­ga­ben, kann krank machen. Denn wer alles auf­schiebt, dem wach­sen spä­tes­tens in der Prü­fungs­zeit die Auf­ga­ben über den Kopf. Für solche Fälle leitet Psy­cho­the­ra­peut Rist die deutsch­land­weit ein­zige Pro­kras­ti­na­ti­ons­am­bu­lanz an der Uni­ver­si­tät Müns­ter. Über 400 Pati­en­ten habe er schon wegen Auf­schie­be­ri­tis behan­delt. Viele Stu­den­ten wüss­ten gar nicht, dass Auf­schie­be­ri­tis ein Grund für Depres­sio­nen sowie Bur­nout sein kann. Auch unter For­schern ist es für Rist „erstaun­lich, wie wenig wir über sowas wissen“. Katha­rina hat noch ein zwei­tes Urlaubs­se­mes­ter dran­ge­hängt, um sich aus­zu­ku­rie­ren. Sie weiß, dass sie sich nicht wieder über­for­dern darf. Sie ist aus­ge­gli­che­ner und sitzt nächs­tes Semes­ter wieder im Hörsaal.

Informationen zu Burnout

Wer bei sich oder ande­ren depres­si­ves Ver­hal­ten bemerkt, kann sich an das Stu­den­ten­werk Berlin wenden:

www.studentenwerk-berlin.de/bub/ pp_beratung/index.html

Einen seriö­sen Online-Test zu Depres­sion und Pro­kras­ti­na­tion bietet die Uni Müns­ter: http://wwwpsy.uni-muenster.de/Prokrastinationsambulanz/

Autoren: Janine Noack, Timo Stukenberg

Über Janine Noack (20 Artikel)
Janine studierte von 2009-2012 Geschichte, Politk und Soziologie an der HU Berlin und absolviert derzeit ihren Master in Modern European History an der Universität Cambridge.