Karriere als Geisteswissenschaftler
Eine Studie zeigt, auf was es beim Berufsstart für Geisteswissenschaftler ankommt und wo man für eine Karriere Kompromisse machen muss
Die Studie „Arbeitsmarktchancen für Geisteswissenschaftler – Analysen, Perspektiven, Existenzgründung“ informiert über die gegenwärtigen Möglichkeiten, als Geisteswissenschaftler sowie Kultur- und Sozialwissenschaftler auf dem Arbeitsmarkt unterzukommen oder Karriere zu machen. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, der Forschungseinrichtung der Bundesagentur für Arbeit bietet damit einen Überblick, in welchen Branchen Perspektiven zu sehen sind, wie hoch ein durchschnittliches Einkommen ist sowie wo die Arbeitslosen zu finden sind.
Karriere fast ausgeschlossen
Glaubt man den Zahlen der Studie, handelt es sich bei der Gruppe der geisteswissenschaftlichen Akademiker zwar nicht um ein „Auslaufmodell“, jedoch ganz klar um die Verlierer auf dem gegenwärtigen akademischen Arbeitsmarkt.
In den typischen Tätigkeiten als Übersetzer, Journalisten und Lektoren findet man signifikant mehr befristete Beschäftigungen, freie Mitarbeit, Teilzeitbeschäftigungen sowie auch geringfügige Beschäftigungen. So wundert das Fazit nicht, dass es als erwiesen erscheint , „dass Personen mit geistes‑, kultur- oder sozialwissenschaftlicher Ausbildung oder auch in „typischen“ Erwerbsberufen schlechtere Einkommens- und wohl auch Karriereperspektiven haben als Akademiker anderer Fachrichtungen.“
Karriere im Lehramt?
Viele junge Menschen, die sich für die „weichen Wissenschaften“ begeistern können, wählen ein Lehramtsstudium. Die Gründe sind wahrscheinlich einerseits das Interesse an dem Beruf des Lehrers, zum anderen sehen sie damit einen Weg, später nicht der Arbeitslosigkeit zum Opfer zu fallen. Wer ein geisteswissenschaftliches Studium beginnt, wird angesichts dieser drohenden Zukunft oft belächelt. Vor diesem Hintergrund sowie der verbreiteten Meinung, dass in den nächsten Jahren eine Pensionswelle der Lehrer anstehen wird, wundert das Ergebnis der Studie. Von allen Arbeitslosen aus der untersuchten akademischen Gruppierung sind 22,6% Pädagogen (Stand: September 2008), dicht gefolgt von Historikern, Archäologen und Völkerkundlern (18,6%). Die Binsenwahrheit, dass gerade diese Berufsgruppe weniger von Arbeitslosigkeit betroffen ist, hat sich also nicht bestätigt.
Karriere braucht Persönlichkeit
Zwischen all den statistischen Angaben wird betont, dass der Schlüssel zum Arbeitsmarkt „die Information über die Anforderungen und Möglichkeiten, gefolgt von einer kreativen und selbstverantwortlichen Gestaltung der Ausbildung“ ist. So sollte man sich als angehender Lehrer wohl nicht zurücklehnen, sondern an den eigenen Fähigkeiten arbeiten. Denn ein weiteres Ergebnis der Studie und den vielen Einzelgesprächen mit geisteswissenschaftlichen Studenten und Akademikern hat ergeben, dass es einer der größten Hürden für die erfolgreiche Karriere ist, dass es häufig ein „wenig ausgeprägtes kollektives Selbstbewusstsein hinsichtlich der eigenen Kompetenzen und deren Verwertbarkeit in der Arbeitswelt“ gibt. Es sieht fast so aus, als wenn Geisteswissenschaftler sich selbst nicht ernst nehmen. So kann der potenzielle Arbeitgeber sie auch nicht ernst nehmen. Die eine Binsenwahrheit gilt also doch: Jeder ist seines Glückes Schmied.
Maria Kräuter, Willi Oberlander, Frank Wießner
Arbeitsmarktchancen für Geisteswissenschaftler
Analysen, Perspektiven, Existenzgründung
Reihe: IAB-Bibliothek, Band 320
Herausgeber: Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB)
W. Bertelsmann Verlag, Bielefeld 2009
265 Seiten, 29,90 Euro
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