Filmwahl

Euro­pas größ­tes inter­na­tio­na­les Stu­den­ten­film­fes­ti­val „seh­süchte“ steht zum 39. Mal in den Startlöchern.

Logo der Sehsüchte in Potsdam

Warum das Film­fes­ti­val damals den Namen „seh­süchte“ bekom­men hat, weiß Chris­tina Schrö­der auch nicht mehr genau. Die Medi­en­wis­sen­schafts­stu­den­tin an der Hoch­schule für Film und Fern­se­hen „Konrad Wolf“ in Pots­dam-Babels­berg weiß nur, dass es seit 1995 so heißt und jähr­lich von einem ande­ren Orga­ni­sa­ti­ons­team betreut wird. Jedoch nicht die alt­ein­ge­ses­se­nen Film­pro­fis oder Hoch­schul­pro­fes­so­ren werden vom 20. bis 25. April in den Thalia Arthouse Kinos in Pots­dam-Babels­berg das Sagen haben. Son­dern allein Stu­den­ten, so wie Chris­tina, haben hier die Fäden in der Hand. Genau das macht die Ein­zig­ar­tig­keit des Fes­ti­vals aus.

Aus­tausch auf vielen Ebenen

Der Mas­ter­stu­di­en­gang Medi­en­wis­sen­schaf­ten an der „Konrad Wolf“ macht es mög­lich, dass sich jedes Jahr ein ande­res Team um das Fes­ti­val küm­mert. Das Fes­ti­val bietet nicht nur den gela­de­nen Fil­me­ma­chern ein Forum für ihre Filme, son­dern för­dert auch gezielt den inter­na­tio­na­len Aus­tausch unter­ein­an­der sowie mit High Pro­fes­sio­nals aus der Film- und Medienbranche.

Auf der ande­ren Seite ist „seh­süchte“ eine Publi­kums­ver­an­stal­tung – ohne die Zuschauer geht es nicht. Gerade der enge Kon­takt zwi­schen Zuschau­ern und Film­schaf­fen­den macht den Reiz aus. Chris­tina hat im ver­gan­ge­nen Jahr erlebt, wie wich­tig die Nähe zwi­schen Publi­kum und Fil­me­ma­chern ist, um diese enthu­si­as­ti­sche Atmo­sphäre zu schaf­fen. Work­shops, Podi­ums­dis­kus­sio­nen, eine Dreh­buch­lounge, die legen­dä­ren Seh­süchte-Partys und viele wei­tere Ver­an­stal­tun­gen im Umfeld laden Gäste und Mit­schaf­fende zum fil­mi­schen Dialog ein.

Schwer­punkt Südafrika

Dieses Jahr hatte die stu­den­ti­sche Pro­gramm­gruppe mit 1.300 ein­ge­reich­ten Filmen aller­hand zu tun. Damit lässt sich das Pro­gramm von „seh­süchte“ gut füllen, denn es besteht aus ins­ge­samt zehn Sek­tio­nen: Spiel­film, Doku­men­tar­film, Ani­ma­ti­ons­film, Kin­der­film, Pro­du­zen­ten­preis, Dreh­buch, pitch!, Musik­vi­deo, dem Preis gegen Aus­gren­zung und dem Fokus. Seinen regio­na­len Schwer­punkt setzt der Seh­süchte-Fokus dieses Jahr auf Süd­afrika. Die Fuß­ball­welt­meis­ter­schaft 2010 und authen­ti­sche Geschich­ten im Land am Kap sind nur einige Gründe dafür. Seh­süchte möchte Nach­wuchs­re­gis­seu­ren aus Süd­afrika die Chance geben, ihre Nation dem inter­na­tio­na­len Publi­kum zu präsentieren.

Qual der Wahl

Von den stun­den­lan­gen Sich­tungs­sit­zun­gen kann David Wölfle ein Lied singen. Sich die Filme anzu­schauen, sie zu bewer­ten und aus­zu­sor­tie­ren ist jedoch alles andere als lang­wei­lig. Nicht umsonst sitzt der Medi­en­wis­sen­schafts­stu­dent zum zwei­ten Mal in einer von vier Pro­gramm­grup­pen. Denn sie haben den meis­ten Ein­fluss auf die Film­ge­stal­tung und geben damit dem Fes­ti­val sein Gesicht.

Dabei muss ganz genau fokus­siert werden, und harte Aus­wahl­kri­te­rien sind nötig. Denn nur unge­fähr 140 Filme von den ein­ge­reich­ten 1.300 werden es in das Pro­gramm schaf­fen. Filme zu sich­ten ist wie Cas­ting­shows. David und das Team beno­ten die Filme. Jeder Film mit einem A kommt in den Recall, dann wird noch einmal gesich­tet. Schafft es der A‑Film ein zwei­tes Mal durch die Prü­fung, hat er es ins Finale geschafft und wird an einem der Fes­tivaltage dem Publi­kum gezeigt.

Im Finale ange­langt, kommt es zu einer ein­zi­gen Aus­nahme: die Jury besteht dies­mal nicht aus Stu­den­ten, son­dern aus einer pro­mi­nent besetz­ten Jury aus dem Regie‑, Kamera- und Schnitt­be­reich. Sie sind es, die über die besten Werke in den jewei­li­gen Sek­tio­nen ent­schei­den und die Aus­wahl bei der Preis­ver­lei­hung dem Publi­kum und der Öffent­lich­keit präsentieren.

Die glück­li­chen Gewin­ner können sich über Preis­gel­der sowie über Sach­preise, wie zum Bei­spiel Film­pro­duk­ti­ons­in­ves­ti­tio­nen, in einem Wert von über 50.000 Euro freuen. Doch auch hier merkt David, dass die Profis aus der Jury die Filme oft aus einer ganz ande­ren Per­spek­tive betrach­ten. Der ganz per­sön­lich favo­ri­sierte Film muss nicht unbe­dingt der Gewin­n­erfilm sein, was manch­mal schon etwas ent­täuscht, findet David.

High­lights

Ein High­light dieses Jahres wird wieder die „Retro­spek­tive“ sein, eine cine­as­ti­sche Gesprächs­runde. Dies­mal mit dem mehr­fach aus­ge­zeich­ne­ten deut­schen Film­re­gis­seur, Dreh­buch­au­tor und Pro­du­zen­ten Hans-Chris­tian Schmid. Am 24. April wird er in den Thalia Arthouse Kinos in Pots­dam-Babels­berg dem Fes­tivalpublikum Rede und Ant­wort stehen, über Hin­ter­gründe seines Schaf­fens spre­chen und den jungen Nach­wuchs­re­gis­seu­ren viel­leicht auch das Geheim­nis seines Erfolgs verraten.

Warum das Film­fes­ti­val „seh­süchte“ heißt? Viel­leicht weil es süch­tig nach mehr macht, weil man schöp­fe­ri­sche Gedan­ken sucht, sieht und findet. Viel­leicht aber auch weil der kul­tu­relle Aus­tausch ein­ma­lig ist und zeigt, dass Fil­me­ma­chen mehr ist als nur Kino.