able — Designer mit Behinderungen gehen in Serie
Crowdfunding macht vieles möglich. Eine Absolventin der Kunsthochschule Weißensee möchte Menschen mit Behinderungen die Produktion ihrer eigenen Ideen ermöglichen.

Das Prinzip Crowdfunding macht es möglich, dass Ideen und Projekte realisiert werden, die sonst vielleicht nicht den Weg auf den Markt schaffen würden. In Deutschland ist vor allem die Crowdfunding-Plattform Pling* aktiv und unterstützt Kreative beim Wahrmachen ihrer Träume. Jeder Unterstützer zahlt per Paypal eine selbstgewählte Summe. Wenn in der vorgegebenen Zeit die komplett geforderte Summe vorhanden ist, ist die Aktion gelungen. Als Gegenwert erhalten die Unterstützer ein besonderes Dankeschön des unterstützten Projekts.
Mit und für Menschen mit Handicap
Auch Isabelle Dechamps hofft nun, dass das benötigte Kapital für ihr Projekt „able“ auf diesem Weg aufgebracht werden kann. Noch etwas mehr als fünf Wochen läuft die Aktion auf Pling*. Dann könnte es soweit sein. Isabelle hat bereits 17 Prozent des benötigten Kapitals in Aussicht. Noch bis zum 16. März können Unterstützer „able“ unterstützen. Isabelles Projekt bringt Menschen mit und ohne Handicap zusammen. So entstehen in Berliner Werkstätten besondere Produkt-Entwürfe im Dialog zwischen Menschen mit Behinderungen und jungen Designern.
Die Stadtstudenten sprachen mit Isabelle über das Projekt „able“ und ihr Studium an der Kunsthochschule Weissensee.
Stadtstudenten: Ist „able“ ein Produkt für oder von Menschen mit Handicap?
Isabelle: In jedem Fall beides. „able“ ist ein Projekt mit verschiedenen Ebenen. Es richtet sich als Bildungskonzept mit einem sehr praktischen Ansatz der Designvermittlung an Menschen mit Behinderungen in Behindertenwerkstätten. In einer gemeinsamen kreativen Arbeit entstehen partizipative Entwürfe, also Produkte von Menschen mit Behinderungen, die jeder kaufen können soll.
Welche Arbeit verrichten die Mitarbeiter in den Werkstätten?
In der Keramikwerkstatt in Berlin Weissensee wird zum Beispiel mit Porzellan und Steinzeug gearbeitet. Die meisten Produkte entstehen mit Gipsformen. Diese werden mit flüssigem Ton gefüllt. Der Gips zieht die Flüssigkeit aus dem Ton und so bildet sich eine Schicht die zurückbleibt, wenn man die Form nach einigen Minuten wieder entleert. So kann man mit einer Form viele Exemplare herstellen. Nach dem Entformen der Produkte müssen diese getrocknet, geschmirgelt, geschrüht, glasiert und gebrannt werden. Dabei ist viel präzise Handarbeit gefragt. Eines der Ziele von „able“ ist, dass wir Produkte gestalten, die sich perfekt in die Arbeitsabläufe der Werkstatt einfügen und besondere Fähigkeiten der Teilnehmer zu berücksichtigen.
Mit welchen Berliner Werkstätten arbeitest du momentan zusammen?
Bisher habe ich mit den VIA Werkstätten in Weissensee gearbeitet. Das Projekt war vor allem in der Keramikwerkstatt angesiedelt. Dort habe ich mit einer Gruppe Teilnehmer in Workshops und in Einzelbetreuung Gefäße zur Aufbewahrung entworfen. Aber auch die anderen Werkstätten wurden für unterschiedliche Dinge in unser Projekt einbezogen. So werden die Deckel für die Gewürztöpfchen von Katja Renner in der Holzwerkstatt gefertigt und die digitalen Medien drucken für uns Flyer und Hefte. Die Werkstätten bieten eine sehr gute Infrastruktur, um Prozesse im Ganzen zu realisieren.

Katja Renner ist Teilnehmerin des Projekts “able” und Designerin eines Produktes, das man über Pling unterstützen kann.
Ist eine Zusammenarbeit mit weiteren Werkstätten geplant?
Nachdem VIA uns mit offenen Türen empfangen hat, hat „able“ nun für ein Folgeprojekt weitere Kooperationspartner. In Berlin gibt es zahlreiche Werkstätten und ich freue mich in Zukunft auch mit den Trägern Faktura, Spektrum und Mosaik zusammenzuarbeiten.
Du hast an der Kunsthochschule Weissensee studiert. Was genau hast du studiert um nun solch ein vielseitiges Projekt zu realisieren?
Ich habe Produkt Design studiert. Das Schöne an der Kunsthochschule Weissensee ist, dass die Strukturen sehr offen sind und ein intensiver Austausch mit anderen Fachbereichen möglich ist. Für meine Arbeit inspirieren mich auch Projekte aus der freien Kunst und der Kunstvermittlung.
Warum hast du dich für ein Studium an der Kunsthochschule Weissensee entschieden?
Die Kunsthochschule Weissensee ist eine kleine Hochschule und damit sehr familiär. Mir gefallen die Freiräume, die es dort gibt. Man muss sich vieles selbst erarbeiten, aber im Prinzip ist alles möglich. Ich habe in Weißensee tolle Leute kennengelernt und bin auch von meinen Professoren immer sehr gut betreut und individuell gefördert worden.
Und wie kam es zu dem Projekt „able“?
Mit „able“ habe ich mein Diplom gemacht. Das war durchaus ein Wagnis, weil man bei partizipativen Projekten nie weiß, was am Ende herauskommt. Das Projekt hebt sich stark von den Diplomen, die ich in meinem Fachbereich an der Kunsthochschule Weissensee gesehen habe, ab. Ich denke aber, dass es sich lohnt, Dinge auch mal anders zu denken und sich auf Neues einzulassen.
Wie genau lief die Realisierung ab?
Ich habe das Projekt im Jahr 2010 initiiert. Ich hatte mir die Werkstätten angesehen und dann die Idee, dort durch eine konkrete Einbindung der Teilnehmer in die Designprozesse, in ihren Arbeitsalltag und in die Gestaltung der Werkstattprodukte einzugreifen. Gemeinsam mit meiner Freundin und Kommilitonin Ixmu habe ich dann ein Workshopkonzept erdacht. Über den Sommer stand die spielerische Vermittlung von Designgrundlagen im Mittelpunkt. Letzten Winter habe ich darauf aufbauend Entwurfsprozesse mit den Werkstattarbeitern angeleitet. Momentan betreue ich die Werkstätten dabei, einen Teil der entstandenen Entwürfe in Produktion zu nehmen.
Soll ein bestimmtes „able“-Produkt über Pling* finanziert werden?
In jedem Fall steht die Produktion der Gewürztöpfchen, die unter anderem als Gegenleistung bei Pling* angeboten werden, oben auf der Finanzierungsliste. Dafür müssen wir dringend Gipsformen herstellen lassen und Entwicklung und Produktion der Holzdeckel vorantreiben.

Die Gewürztöpfchen von Katja Renner sind eines der Produkte, die man über die Plattform Pling* unterstützen kann.
Was erhoffst du dir außerdem von dem Pling*-Projekt?
Es geht abgesehen von der Finanzierung von Produktionskosten auch darum, „able“ als Projekt weiterzuentwickeln. Auch dafür benötige ich finanzielle Mittel. „able“ soll ein richtiges Label werden, das Bildungsangebote in Werkstätten macht und dann die dabei entstehenden Produkte mit ihren Geschichten vermarktet.
Und es ist ein gutes Marketing. Denn über Pling* erfahren viele Leute von dem Projekt.
Wie soll es mit „able“ in Zukunft weitergehen?
Das Konzept von „able“ kommt in Behindertenwerkstätten sehr gut an. Ich hoffe, dass wir es schaffen, daraus ein wirtschaftlich unabhängiges Projekt zu machen. Wünschenswert wäre, dass der Verkauf der Produkte die Bildungsarbeit mitfinanziert. Ab April geht „able“ jedenfalls als Semesterprojekt mit den neuen Kooperationspartnern und Studierenden aus den Bereichen Textil und Flächendesign und Produkt Design der Kunsthochschule Weissensee in eine neue Phase.

Die Doppelschale von Romm Kulosa kann man auch erhalten, wenn man einen bestimmten Betrag auf Pling* für das Projekt gibt.
“abel” unterstützen
Wer das Projekt „able“ unterstützen möchte, kann das noch bis zu dem 16. März auf der Crowdfunding-Plattform Pling* tun. Als Dankeschön gibt es zum Beispiel eine „Vase der Überraschungen“ oder „Gewürztöpfchen“, die in dem Projekt von Menschen mit Behinderungen gestaltet und hergestellt werden. Viele Fotos und einen Film, der die Menschen hinter dem Projekt vorstellt findet ihr auf der „able“-Projektseite.