able — Designer mit Behinderungen gehen in Serie

Crowd­fun­ding macht vieles mög­lich. Eine Absol­ven­tin der Kunst­hoch­schule Wei­ßen­see möchte Men­schen mit Behin­de­run­gen die Pro­duk­tion ihrer eige­nen Ideen ermöglichen.

Michael Poggemann beim Bearbeiten einer Vase. Michael Poggemann ist Teilnehmer des Projekts "able" und Designer eines Produktes, das man über Pling unterstützen kann.

Das Prin­zip Crowd­fun­ding macht es mög­lich, dass Ideen und Pro­jekte rea­li­siert werden, die sonst viel­leicht nicht den Weg auf den Markt schaf­fen würden. In Deutsch­land ist vor allem die Crowd­fun­ding-Platt­form Pling* aktiv und unter­stützt Krea­tive beim Wahr­ma­chen ihrer Träume. Jeder Unter­stüt­zer zahlt per Paypal eine selbst­ge­wählte Summe. Wenn in der vor­ge­ge­be­nen Zeit die kom­plett gefor­derte Summe vor­han­den ist, ist die Aktion gelun­gen. Als Gegen­wert erhal­ten die Unter­stüt­zer ein beson­de­res Dan­ke­schön des unter­stütz­ten Projekts.

Mit und für Menschen mit Handicap

Auch Isa­belle Dech­amps hofft nun, dass das benö­tigte Kapi­tal für ihr Pro­jekt „able“ auf diesem Weg auf­ge­bracht werden kann. Noch etwas mehr als fünf Wochen läuft die Aktion auf Pling*. Dann könnte es soweit sein. Isa­belle hat bereits 17 Pro­zent des benö­tig­ten Kapi­tals in Aus­sicht. Noch bis zum 16. März können Unter­stüt­zer „able“ unter­stüt­zen. Isa­bel­les Pro­jekt bringt Men­schen mit und ohne Han­di­cap zusam­men. So ent­ste­hen in Ber­li­ner Werk­stät­ten beson­dere Pro­dukt-Ent­würfe im Dialog zwi­schen Men­schen mit Behin­de­run­gen und jungen Designern.

Isa­belle Dech­amps (links) ist die Initia­to­rin des Pro­jekts “able”.

Die Stadt­stu­den­ten spra­chen mit Isa­belle über das Pro­jekt „able“ und ihr Stu­dium an der Kunst­hoch­schule Weissensee.

Stadtstudenten: Ist „able“ ein Produkt für oder von Menschen mit Handicap?

Isa­belle: In jedem Fall beides. „able“ ist ein Pro­jekt mit ver­schie­de­nen Ebenen. Es rich­tet sich als Bil­dungs­kon­zept mit einem sehr prak­ti­schen Ansatz der Design­ver­mitt­lung an Men­schen mit Behin­de­run­gen in Behin­der­ten­werk­stät­ten. In einer gemein­sa­men krea­ti­ven Arbeit ent­ste­hen par­ti­zi­pa­tive Ent­würfe, also Pro­dukte von Men­schen mit Behin­de­run­gen, die jeder kaufen können soll.

Welche Arbeit verrichten die Mitarbeiter in den Werkstätten?

In der Kera­mik­werk­statt in Berlin Weis­sen­see wird zum Bei­spiel mit Por­zel­lan und Stein­zeug gear­bei­tet. Die meis­ten Pro­dukte ent­ste­hen mit Gips­for­men. Diese werden mit flüs­si­gem Ton gefüllt. Der Gips zieht die Flüs­sig­keit aus dem Ton und so bildet sich eine Schicht die zurück­bleibt, wenn man die Form nach eini­gen Minu­ten wieder ent­leert. So kann man mit einer Form viele Exem­plare her­stel­len. Nach dem Ent­for­men der Pro­dukte müssen diese getrock­net, geschmir­gelt, geschrüht, gla­siert und gebrannt werden. Dabei ist viel prä­zise Hand­ar­beit gefragt. Eines der Ziele von „able“ ist, dass wir Pro­dukte gestal­ten, die sich per­fekt in die Arbeits­ab­läufe der Werk­statt ein­fü­gen und beson­dere Fähig­kei­ten der Teil­neh­mer zu berücksichtigen.

Mit welchen Berliner Werkstätten arbeitest du momentan zusammen?

Bisher habe ich mit den VIA Werk­stät­ten in Weis­sen­see gear­bei­tet. Das Pro­jekt war vor allem in der Kera­mik­werk­statt ange­sie­delt. Dort habe ich mit einer Gruppe Teil­neh­mer in Work­shops und in Ein­zel­be­treu­ung Gefäße zur Auf­be­wah­rung ent­wor­fen. Aber auch die ande­ren Werk­stät­ten wurden für unter­schied­li­che Dinge in unser Pro­jekt ein­be­zo­gen. So werden die Deckel für die Gewürz­töpf­chen von Katja Renner in der Holz­werk­statt gefer­tigt und die digi­ta­len Medien dru­cken für uns Flyer und Hefte. Die Werk­stät­ten bieten eine sehr gute Infra­struk­tur, um Pro­zesse im Ganzen zu realisieren.

Katja Renner ist Teil­neh­me­rin des Pro­jekts “able” und Desi­gne­rin eines Pro­duk­tes, das man über Pling unter­stüt­zen kann.

Ist eine Zusammenarbeit mit weiteren Werkstätten geplant?

Nach­dem VIA uns mit offe­nen Türen emp­fan­gen hat, hat „able“ nun für ein Fol­ge­pro­jekt wei­tere Koope­ra­ti­ons­part­ner. In Berlin gibt es zahl­rei­che Werk­stät­ten und ich freue mich in Zukunft auch mit den Trä­gern Fak­tura, Spek­trum und Mosaik zusammenzuarbeiten.

Du hast an der Kunsthochschule Weissensee studiert. Was genau hast du studiert um nun solch ein vielseitiges Projekt zu realisieren?

Ich habe Pro­dukt Design stu­diert. Das Schöne an der Kunst­hoch­schule Weis­sen­see ist, dass die Struk­tu­ren sehr offen sind und ein inten­si­ver Aus­tausch mit ande­ren Fach­be­rei­chen mög­lich ist. Für meine Arbeit inspi­rie­ren mich auch Pro­jekte aus der freien Kunst und der Kunstvermittlung.

Warum hast du dich für ein Studium an der Kunsthochschule Weissensee entschieden?

Die Kunst­hoch­schule Weis­sen­see ist eine kleine Hoch­schule und damit sehr fami­liär. Mir gefal­len die Frei­räume, die es dort gibt. Man muss sich vieles selbst erar­bei­ten, aber im Prin­zip ist alles mög­lich. Ich habe in Wei­ßen­see tolle Leute ken­nen­ge­lernt und bin auch von meinen Pro­fes­so­ren immer sehr gut betreut und indi­vi­du­ell geför­dert worden.

Die Vase ist ein wei­te­res Pro­dukt, dessen Her­stel­lung man auf Pling* unter­stüt­zen kann.

Und wie kam es zu dem Projekt „able“?

Mit „able“ habe ich mein Diplom gemacht. Das war durch­aus ein Wagnis, weil man bei par­ti­zi­pa­ti­ven Pro­jek­ten nie weiß, was am Ende her­aus­kommt. Das Pro­jekt hebt sich stark  von den Diplo­men, die ich in meinem Fach­be­reich an der Kunst­hoch­schule Weis­sen­see gese­hen habe, ab. Ich denke aber, dass es sich lohnt, Dinge auch mal anders zu denken und sich auf Neues einzulassen.

Wie genau lief die Realisierung ab?

Ich habe das Pro­jekt im Jahr 2010 initi­iert. Ich hatte mir die Werk­stät­ten ange­se­hen und dann die Idee, dort durch eine kon­krete Ein­bin­dung der Teil­neh­mer in die Design­pro­zesse, in ihren Arbeits­all­tag und in die Gestal­tung der Werk­statt­pro­dukte ein­zu­grei­fen. Gemein­sam mit meiner Freun­din und Kom­mi­li­to­nin Ixmu habe ich dann ein Work­shop­kon­zept erdacht. Über den Sommer stand die spie­le­ri­sche Ver­mitt­lung von Design­grund­la­gen im Mit­tel­punkt. Letz­ten Winter habe ich darauf auf­bau­end Ent­wurfs­pro­zesse mit den Werk­statt­ar­bei­tern ange­lei­tet. Momen­tan betreue ich die Werk­stät­ten dabei, einen Teil der ent­stan­de­nen Ent­würfe in Pro­duk­tion zu nehmen.

Soll ein bestimmtes „able“-Produkt über Pling* finanziert werden?

In jedem Fall steht die Pro­duk­tion der Gewürz­töpf­chen, die unter ande­rem als Gegen­leis­tung bei Pling* ange­bo­ten werden, oben auf der Finan­zie­rungs­liste. Dafür müssen wir drin­gend Gips­for­men her­stel­len lassen und Ent­wick­lung und Pro­duk­tion der Holz­de­ckel vorantreiben.

Die Gewürz­töpf­chen von Katja Renner sind eines der Pro­dukte, die man über die Platt­form Pling* unter­stüt­zen kann.

Was erhoffst du dir außerdem von dem Pling*-Projekt?

Es geht abge­se­hen von der Finan­zie­rung von Pro­duk­ti­ons­kos­ten auch darum, „able“ als Pro­jekt wei­ter­zu­ent­wi­ckeln. Auch dafür benö­tige ich finan­zi­elle Mittel. „able“ soll ein rich­ti­ges Label werden, das Bil­dungs­an­ge­bote in Werk­stät­ten macht und dann die dabei ent­ste­hen­den Pro­dukte mit ihren Geschich­ten vermarktet.
Und es ist ein gutes Mar­ke­ting. Denn über Pling* erfah­ren viele Leute von dem Projekt.

Wie soll es mit „able“ in Zukunft weitergehen?

Das Kon­zept von „able“ kommt in Behin­der­ten­werk­stät­ten sehr gut an. Ich hoffe, dass wir es schaf­fen, daraus ein wirt­schaft­lich unab­hän­gi­ges Pro­jekt zu machen. Wün­schens­wert wäre, dass der Ver­kauf der Pro­dukte die Bil­dungs­ar­beit mit­fi­nan­ziert. Ab April geht „able“ jeden­falls als Semes­ter­pro­jekt mit den neuen Koope­ra­ti­ons­part­nern und Stu­die­ren­den aus den Berei­chen Textil und Flä­chen­de­sign und Pro­dukt Design der Kunst­hoch­schule Weis­sen­see in eine neue Phase.

Die Dop­pel­schale von Romm Kulosa kann man auch erhal­ten, wenn man einen bestimm­ten Betrag auf Pling* für das Pro­jekt gibt.

“abel” unterstützen

Wer das Pro­jekt „able“ unter­stüt­zen möchte, kann das noch bis zu dem 16. März auf der Crowd­fun­ding-Platt­form Pling* tun. Als Dan­ke­schön gibt es zum Bei­spiel eine „Vase der Über­ra­schun­gen“ oder „Gewürz­töpf­chen“, die in dem Pro­jekt von Men­schen mit Behin­de­run­gen gestal­tet und her­ge­stellt werden. Viele Fotos und einen Film, der die Men­schen hinter dem Pro­jekt vor­stellt findet ihr auf der „able“-Projektseite.

“able” in Ausstellungen

Über Christiane Kürschner (89 Artikel)
2004 bis 2010 Studium (Philosophie, Deutsche Philologie, AVL) an der FU, HU und Uni Bern. 2007 bis 2010 Fachjournalistikstudium. PR-Volontariat bis Juni 2011. Seit Juli 2011 freie Autorin und Texterin. Ihre Leidenschaften: Bücher, Fotografie und Essen- und in allem viel Farben. www.frollein-wortstark.de
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