Junge Russische Literatur

Es muss nicht immer Wla­di­mir Kami­ner sein. Wer sich mit der Neuen rus­si­schen Lite­ra­tur in ange­neh­men Häpp­chen nähern möchte, sei das fol­gende Buch empfohlen.

Man spürt ganz deut­lich die erzäh­le­ri­sche Tra­di­tion von rus­si­schen Schrift­stel­lern wie Dos­to­jew­ski, Gogol, Tol­stoi und Bul­ga­kow. Man sieht die alten rus­si­schen Geis­ter, die in den Ecken sitzen und das Trei­ben der jungen Men­schen beob­ach­ten. Ob sie gespannt in die Zukunft schauen oder ob sie in der Ver­gan­gen­heit fest­sit­zen, ist schwie­rig zu erkennen.

Russlands Gegenwart

Am 7.5. wird nun Herr Putin zum drit­ten Mal Prä­si­dent in diesem Land, das seine Ver­gan­gen­heit noch nicht auf­ge­ar­bei­tet hat. Ein gesamt­rus­si­sches Bewusst­sein, eine kol­lek­tive Selbst­an­sicht gibt es nicht. In den vielen kleine Geschich­ten in diesem Erzähl­band finden sich kleine Auf­schreie nach Frei­heit und Unbe­schwert­heit, aber es domi­niert das Gefühl, dass der junge Russe das Kli­schee von der schwe­ren, melan­cho­li­schen Seele Russ­lands träumt. Viel­leicht ist es aber auch das Abbild, ein Nach­ruf auf die ältere Generation.

Wie gehabt

Igor Ale­xe­jew erzählt die Geschichte von einem Mann, der durch eine Krank­heit vom Leben gebeugt wurde. Alle Groß­mut ver­schwand und es blieb eine Demut gegen­über dem Leben, so dass der Alte selbst seinen Schu­hen dankte, wenn sie ihm gleich­mü­tig von den Füßen glitten.

Und er dachte gar nicht daran, dieses merk­wür­dige Sich­be­dan­ken für eine Art von Psy­chose oder Neu­rose zu halten. Er beach­tete diese Tat­sa­che gar nicht. Er sagte ein­fach »Danke« und Schluss.

In Ada Babitschs Kurz­ge­schichte “Dein Freund und Helfer” lässt sie schein­bar eine skru­pel­lose Miliz der Sowjet­zeit wieder auf­er­ste­hen. Es spricht alles dafür, dass die Geschichte in der Gegen­wart spielt. Ein Indiz dafür, dass es poli­ti­sches Bewusst­sein in der jungen rus­si­schen Lite­ra­tur­szene gibt. Viel­leicht ist es unter der gegen­wär­ti­gen und zukünf­ti­gen poli­ti­schen Füh­rung des Landes aber besser, seine Gedan­ken nicht zu offen­siv zu äußern. Diese Geschichte ist die pro­vo­ka­tivste in diesem Buch.

Die Geister gehen mit den Lebenden

Das bezau­bernde der rus­si­schen Lite­ra­tur kommt sehr gut in der Geschichte “Das Tele­fon” von Wjat­sches­law Chart­schenko zum Aus­druck. Hier werden Tele­fone noch wie kleine Lebe­we­sen behan­delt, die man nur pfle­gen und strei­cheln muss, damit sie sich wieder dazu beque­men, zu funk­tio­nie­ren. Die Erzäh­lung erin­nert an das fan­tas­ti­sche Werk “Der Meis­ter und Mar­ga­rita” von Bul­ga­kow, aber auch an Pusch­kins Gedicht “Der eherne Reiter”, in dem er Sta­tuen leben­dig werden ließ.  Ganz zu rus­si­scher Erzähl­tra­di­tion kehrt man bei der Erzäh­lung “Zehn Minu­ten” zurück. Dort foto­gra­fiert sich ein tot­kran­ker Mann jeden Tag selbst und sieht sich selbst beim Ster­ben zu.

Übersetzungsprojekt an Uni Regensburg

Der Erzähl­band “Junge rus­si­sche Lite­ra­tur” ent­stand in einem Über­set­zungs­se­mi­nar an der Uni Regens­burg. Dem geschul­det ist es, dass dieses Buch zwei­spra­chig ist. Auf der linken Seite findet der Leser den rus­si­schen Ori­gi­nal­text. Für Rus­sisch­stu­den­ten bildet dieses Buch eine gute Lern­ein­heit, da auch die Beto­nun­gen ange­zeigt sind.

Junge rus­si­sche Lite­ra­tur: Kurze Erzäh­lun­gen, Kurz­ge­schich­ten und Minia­tu­ren, 128 Seiten, dtv, April 2012, 9,90.

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Ver­lo­sung

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Alles was Ihr tun musst, ist das unten ste­hende For­mular bis zum 1. Juni 2012, 24 Uhr auszufüllen.

Update: 2.6.2012: Die Ver­lo­sung ist been­det. Die Gewin­ner werden informiert.

Über Christiane Kürschner (89 Artikel)
2004 bis 2010 Studium (Philosophie, Deutsche Philologie, AVL) an der FU, HU und Uni Bern. 2007 bis 2010 Fachjournalistikstudium. PR-Volontariat bis Juni 2011. Seit Juli 2011 freie Autorin und Texterin. Ihre Leidenschaften: Bücher, Fotografie und Essen- und in allem viel Farben. www.frollein-wortstark.de
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