Du bestimmst, was du liest

Soziale Medien

Laut Statista gingen 2012 mehr Menschen mobil als stationär ins Internet, allein die Hälfte der Facebook-Nutzer nutzt die mobile App - Foto: Pixabay

Als Teil unse­res All­tags sind sie über­all. Auf dem PC, dem Handy und Tablet, zwi­schen­durch und stun­den­lang: Die sozia­len Medien prägen längst nicht mehr nur unsere Kom­mu­ni­ka­tion. Sie sind Teil unse­res Kon­sum­ver­hal­tens als Wer­be­trä­ger und Enter­tai­ner, sie beein­flus­sen als virale Mei­nungs­bil­der das Arbeits­le­ben und das Stu­dium. Wie aber haben sie das, was wir lesen inhalt­lich verändert?

Mitt­ler­weile lesen nicht nur die Geheim­dienste mit, was wir alle posten, teilen und liken. Auch die­je­ni­gen, deren Pro­dukte wir kon­su­mie­ren schauen sehr genau auf die gepos­te­ten Inhalte und ver­wer­ten diese dann in ihren Pro­duk­ten. Inzwi­schen hat sich das auch der Jour­na­lis­mus zu nutzen gemacht. Vor allem zur Stei­ge­rung der Reich­weite eines Textes sind Face­book, Insta­gram, Twit­ter und Co. effi­zi­ent. Über so genann­tes “Click­bai­t­ing” locken Redak­tio­nen poten­ti­elle Leser. Mit emo­tio­na­len Kom­men­ta­ren werden die Arti­kel ver­linkt und bewor­ben, wodurch sie mehr Klicks errei­chen und den Wer­be­wert der ver­öf­fent­li­chen­den Platt­form steigern.
Umfra­gen werden direk­ter und schnel­ler. Ein Post, zahl­rei­che Kom­men­tare und einen aus­wer­ten­den Redakteur,
mehr braucht es nicht, um die Mei­nung der Online-Com­mu­nity zu einem Thema zu erfragen.
Und auch als Thema selbst sind die sozia­len Medien frucht­bar. Ob nun die Aus­wir­kun­gen von Netz­werk A auf unser Flirt­ver­hal­ten, den Ein­fluss von B auf unsere Ess­ge­wohn­hei­ten oder die Ver­än­de­rung unse­rer Selbst­wahr­neh­mung durch Kanal C, stän­dig werden neue Erkennt­nisse hierzu in Arti­kel­form ver­öf­fent­licht. In fast jeder Aus­gabe von Maga­zi­nen diver­ser Ziel­grup­pen finden sich solche Arti­kel. Wie auch hier.

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Schon 2012 beschäf­tigte sich ein Medi­en­sym­po­sium mit dem Ein­fluss der sozia­len Medien auf den Journalismus.
Über die offe­nen Kanäle von Face­book, Twit­ter oder Insta­gram ließen sich ein­fach Inter­view­part­ner und Kon­takte finden. Der tat­säch­li­che redak­tio­nelle Mehr­wert der Nut­zung sozia­ler Netz­werke aber bleibe rela­tiv gering, so das Ergeb­nis des Symposiums.
Ein Bei­spiel für die The­men­fin­dung über die Social-Media-Com­mu­nity lie­fert das digi­tale Stadt­ma­ga­zin Mit Ver­gnü­gen, das sowohl in Ham­burg, als auch in Berlin vom Stadt­le­ben und den Men­schen darin berich­tet. Die Redak­tion erkun­det ver­schie­dene Kieze zu bestimm­ten Themen und erstellt Bes­ten­lis­ten, anhand derer man dann selbst durch die Stadt strei­fen kann. Welche Gegen­den vor­ge­stellt werden sollen, bestim­men die Leser teil­weise direkt über die sozia­len Netz­werke. Für die Ber­li­ner Serie »Kiez hoch Drei« wird auf Insta­gram gefragt, wel­cher Teil Ber­lins als nächs­tes in drei Punk­ten vor­ge­stellt werden soll. Der Kiez mit den meis­ten Stim­men wird dann von der ver­ant­wort­li­chen Autorin besucht und anschlie­ßend auf www.mitvergnuegen.com vorgestellt.
Der Ansatz, nur zu ver­öf­fent­li­chen, was auch gele­sen werden will, ist so alt wie der Jour­na­lis­mus selbst und ver­schiebt sich immer mehr in diese Rich­tung der Aus­wer­tung von Online-Stim­men. Ganz beson­ders wenn es um die stu­den­ti­sche Genera­tion und ihre Nach­fol­ger, die »digi­tal nati­ves«, geht. So erhofft man sich eine hohe Reich­weite, Rele­vanz und einen grö­ße­ren Absatz. Es geht also nicht nur um Inhalte, son­dern auch um Geschäfte.

Laut BITKOM waren im März 2010 30 Millionen Deutsche ab 14 Jahren Mitglied in mindestens einer Online-Community. - Foto: Pixabay

Laut BITKOM waren im März 2010 30 Mil­lio­nen Deut­sche ab 14 Jahren Mit­glied in min­des­tens einer Online-Com­mu­nity. — Foto: Pixabay

Zwi­schen Rele­vanz und Schnellebigkeit
Durch die Ver­net­zung mit dem The­men­ur­sprung in den sozia­len Netz­wer­ken ist auch eine Unmit­tel­bar­keit des Feed­backs gege­ben; auf Mei­nun­gen kann schnell reagiert werden. Auch ist dieser Ver­such ein Ansatz, die Schnel­lig­keit des Online-Jour­na­lis­mus zu kompensieren.
Aus den Stim­mun­gen und Reak­tio­nen bei Face­book oder Insta­gram lassen sich neben direk­ten Umfra­gen, Trends und Inter­es­sen ablei­ten. Daraus erge­ben sich aktu­elle Rele­van­zen, die in den medial auf­be­rei­te­ten Themen auf­ge­grif­fen werden können. Beson­ders im Kul­tur­jour­na­lis­mus bietet sich das an. Hier wird unter­sucht, welche Künst­ler gerade von Inter­esse sind, wessen Musik dis­ku­tiert wird oder welche Ver­an­stal­tun­gen beson­ders viel Zulauf haben.
Bei tages­ak­tu­el­len Themen kommen die Print­me­dien aber an ihre Gren­zen, wes­we­gen die sozia­len Medien auf diesen Bereich kaum Ein­fluss aus­üben. Was ges­tern im Inter­net aktu­ell und span­nend war, kann bei Maga­zin­druck schon wieder ver­ges­sen sein. Beson­ders monat­lich erschei­nende Hefte gehen hier mit dem Ansatz der Social-Media-The­men­fin­dung das Risiko ein, bis zum Druck schon ver­al­tet und über­holt zu sein. Wie schon 2012 blei­ben die sozia­len Medien damit nur auf dem kul­tu­rel­len Sektor des Print­jour­na­lis­mus tat­säch­lich inhaltsprägend.
Aus dem unmit­tel­ba­ren Kon­takt zu den Lesern über eine Online-Platt­form erge­ben sich einige wei­tere Pro­bleme. So bleibt er nur schein­bar per­sön­lich und ist auch digi­tal rein ober­fläch­lich. Die große und wei­test­ge­hend unspe­zi­fi­sche Gruppe, deren Stim­mun­gen zur Grund­lage der Themen- und Text­aus­wahl wird, bietet nur ein schwam­mi­ges Mei­nungs­bild und keine gebün­del­ten Aus­sa­gen zu The­men­wün­schen. Trends lassen sich ver­fol­gen, aber nicht fest­ma­chen. Wie schon im Medi­en­sym­po­sium 2012 fest­ge­stellt, kommt es so zu ober­fläch­li­chen Inhal­ten – dem kleins­ten gemein­sa­men Nenner. Obwohl die Ver­mi­schung von sozia­len Medien und Jour­na­lis­mus eigent­lich höhere Kom­pe­ten­zen und große Sorg­falt von den Jour­na­lis­ten erfor­dert, leidet die Sorg­falt der Arbeit oft unter diesem Ansatz. Auf­grund der Schnel­lig­keit im Inter­net werden jour­na­lis­ti­sche Gegen­checks immer häu­fi­ger übergangen.
Ein tat­säch­lich effek­ti­ver Ein­satz der sozia­len Medien in Kom­bi­na­tion mit Jour­na­lis­mus erfolgt über eine Cross­me­dia-Stra­te­gie. Face­book oder Insta­gram werden in die The­men­fin­dung ein­ge­bun­den, ohne diese maß­geb­lich zu lenken. Online-Inhalte erläu­tern den gedruck­ten Arti­kel oder heben ihn noch einmal hervor. Print­pro­dukt und sozia­les Medium ergän­zen und bewer­ben ein­an­der damit gegen­sei­tig. So kann eine tat­säch­lich große Reich­weite erlangt werden – online
und offline.