editorial Februar 2009: Neue Visionen
Ein Visionär ist jemand, dessen Halluzinationen die Welt verändern. Jeder von uns hat eigene Visionen. Vorstellungen von einer gerechteren Welt. Ideen für eine glorreiche Zukunft. Pläne für eine tolle Partnerschaft. Manche dieser Visionen werden wahr. Andere nicht. Manche Visionen kollabieren wie die Aktienwerte großer Finanzhäuser. Dann braucht es neue Visionen. Neue Visionen für alle. Ob dies eine kollektive Vision sein muss oder ob sich von den zahllosen Visionen letztlich eine durchsetzen wird, kann noch keiner sagen.</p><p>An einem Mai-Abend 1905 resignierte Albert Einstein beim Denken über das Wesen der Zeit und die Widersprüche im Weltbild der Physik: „Ich gebe auf!“ Am nächsten Morgen legte er mit der wahnsinnigsten Vision von Physik den Grundstein für ein neues Denken: mit seiner speziellen Relativitätstheorie.
Wer weiß, was die Zukunft bereithält, gilt zu Recht als Visionär. Dem Seher wird im Moment der Prophezeiung allerdings oft Wahnsinn unterstellt. Helmut Schmidt meinte einst über Willy Brandt: „Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen.“ Willy Brandt ging in die Knie. Gelten Visionen nur noch als Krankheitsbild, siegt die Rationalität endgültig. Doch wir als menschliche Wesen brauchen Visionen und Träume. Bis zur Unendlichkeit, und noch viel weiter.